Starke Filmemacher-Präsenz auf der Kunstausstellung Biennale di Venezia 2019

Isuma auf dem Set von „Nunaqpa – Going Inland“ (1990) © Isuma Distribution International Ltd. (isuma.tv)

Vom 11. Mai bis 24. November findet im Rahmen der Biennale di Venezia die 58. Internationale Kunstausstellung statt. Der Titel, der von Ralph Rugoff kuratierten Ausstellung lautet May You Live in Interesting Times. Dies ist kein Thema, sondern eher ein Motto. »In einer Zeit, in der die digitale Verbreitung gefälschter Meldungen und ‚alternativer Fakten‘ den politischen Diskurs und das Vertrauen, von dem dieser abhängt, zersetzt, sollten wir innehalten, wann immer dies möglich ist, um unsere Aufgabenstellung zu überdenken«, erklärt Rugoff. Im Mittelpunkt stehe der Blick auf die soziale Funktion von Kunst. Eingeladen sind Kunstschaffende, die »Alternativen zur Bedeutung der so genannten Fakten, indem sie andere Wege der Verbindung und Kontextualisierung vorschlagen«, bieten.

 

Auf dieser Biennale sind besonders viele KünstlerInnen vertreten, die mit Film, Video und Bewegtbild arbeiten oder gearbeitet haben. Auffallend ist, dass insbesondere die jüngere Generation interdisziplinär arbeitet. Es sind Künstlerinnen und Künstler, die bezüglich ihrer Ausbildung oder Herkunft und ihrer gegenwärtigen Praxis nicht eindeutig einer Sparte zugeordnet werden können. Also, zum Beispiel, Film oder Video mit Skulptur und Rauminstallation oder Malerei und Zeichnung kombinieren. Das Konzept der Länder-Pavillons befördert natürlich einen solchen multidisziplinären Ansatz – ebenso wie Kuratoren, die von den „relational aesthetics“ beeinflusst, weniger an der Präsentation einzelne Werke als einem offenen Erfahrungsraum für die Besucher interessiert sind.

 

Die schiere Zahl der Biennale-Künstler, die mit Bewegtbild arbeiten, ist beeindruckend und gegen den Trend der letzten Jahre, nach dem unter den technischen Medien die Fotografie den Film beziehungsweise Video in Ausstellungen den Rang abgelaufen hat. Da auf der Biennale in vielen Fällen Film aber nicht im herkömmlichen Sinne oder Video nicht auf Monitoren oder einzelnen Screens gezeigt wird, ist die Liste der KünstlerInnen und Arbeiten dieses Jahr sehr lang!

 

 

Zu den Künstlern, die besonders eng mit dem Medium Film, und hier speziell dem Kurzfilm verbunden sind, gehört Laure Prouvost. In London lebend, vertritt die Künstlerin in Venedig ihr Heimatland Frankreich. 2013 erhielt sie den Turner Prize für ihren Kurzfilm “Wantee“. Ihre Arbeiten transformieren oft reale Geschichten aus ihrer Umgebung zur Fiktion.

 

Die palästinensische Videokünstlerin Larissa Sansour repräsentiert Dänemark. Unter ihren filmischen Arbeiten ist der computergenerierte ‚Science-Fiction‘ „Nation State“ (2012) wohl am Bekanntesten. Sansour, die in Dänemark lebt, arbeitet multidisziplinär über aktuell politische, aber auch universell menschliche Themen.

 

Tamás Waliczky repräsentiert sein Heimatland Ungarn mit der Ausstellung “Cameras – Imaginary Cameras and Other Optical Devices” über die Rolle von Kameras im alltäglichen Leben. Waliczky hat zuvor unter anderem am ZKM Karlsruhe mit analogem Video an optischen Innovationen gearbeitet.

 

Australien wird von Angelica Mesiti vertreten, die für ihre großformatigen Videoarbeiten bekannt ist, in denen sie persönliche Geschichten in kollektiven Zusammenhängen, meist als nonverbale Kommunikation in Gesang und Tanz, erkundet.

 

Kanada entsendet, vertreten durch Zacharias Kunuk und Norman Cohn, die Gruppe Isuma (s. Bild). Das indigene Künstlerkollektiv macht seit 1990 – überwiegend kurze – Filme und Videos über die Lebenserfahrungen der Inuit in Kanada. Ihr vielleicht bekanntester (Lang-)Film ist „Atanarjut The Fast Runner“.

 

Das multidisziplinär arbeitende Duo Jos de Gruyter und Harald Thys vertritt Belgien und präsentiert in Venedig das Projekt „Mondo Cane“, in dem sie in Anlehnung an das gleichnamige Mockumentary regionale und identitäre Bewegungen aufs Korn nehmen. Zu ihrer mehr als 30-jährigen Werkgeschichte gehören auch über 6 Stunden Kurzfilme, viele davon pantomistische Slapsticks über die Niederungen der conditio humana.

 

Auch Brasilien entsendet ein Duo: Bárbara Wagner & Benjamin de Burca aus Recife drehen Filme über populäre Musik, Tanz, Rassismus und Gender-Fragen. Am Bekanntesten ist ihr Kurzfilm „Estás vendo coisas (You are seeing things)“ über einen Club und Brega-Musik. An der Kunstakademie Münster entstand „Bye Bye Deutschland! Eine Lebensmelodie“ (2017).

 

Im koreanischen Pavillon mit dem Fokus auf Frauen, gender-diversifizierte Erzählungen und der Modernisierung Ostasiens sind zwei Medienkünstlerinnen vertreten: Siren Eun Young Jung und Jane Jin Kaisen, die in Deutschland zuletzt während der Berlinale im Forum Expanded vertreten war.

 

Taiwan wird zum ersten Mal bei der Biennale von einer Frau repräsentiert. Shu Lea Cheang arbeitet seit Jahrzehnten in und mit alternativen Medien, u.a. bei Paper Tiger Television. Zu ihrem Werk gehören kurze Videos, aber auch lange Dokumentarfilme wie „Live from Tiananmen Square“ (1990) und Netzkunstarbeiten wie „BRANDON“ (1999).

 

Zum Trio, das den griechischen Pavillon unter dem Titel „Suspension“ gestaltet, gehört die Künstlerin und Filmemacherin Eva Stefani. Sie dreht mit Video und Super-8 kurze Dokumentarfilme und visuelle Gedichte. Zu ihren bekanntesten, ethnografisch beobachtenden Arbeiten gehören „Acropolis“ (2004, dokumenta 14) und „Manuscript“ (2017, Hauptpreis Oberhausen 2018).

 

Zu den bereits an anderer Stelle auf shortfilm.de genannten Filmemachern gehören Billy Gerard Frank im Pavillon von Grenada, und die letztjährige Turner Prize-Trägerin Charlotte Prodger für Schottland.

 

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass die ‚Filmabteilung‘, also die Mostra del Cinema, der Venezia Biennale gerade die Einreichperiode eröffnet hat (4.2. bis 14.6.).

 

URL: La Biennale 2019

 

 

1 Trackback