Kurze Geschichte der Verbreitung von Videokunst in Spanien

Thema

In Spanien hat das Arbeiten mit Video seit Ende der 60er Jahre einen langen, mühsamen Weg beschreiten müssen, um sich als künstlerische Form sichtbar zu etablieren; eine historische Entwicklung, die sich in einem Kraftfeld abspielt, das bestimmt wird von den politischen und wirtschaftlichen Bedingungen der Franco-Jahre und danach, als auch vom Zusammenspiel der Arbeit verschiedener Institutionen wie Museen, Kulturzentren, Kunstmessen, Galerien, Festivals und Fernsehprogramme. In den letzten Jahren hat die künstlerische Arbeit mit Video vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem Gebiet neuer Informationstechnologien einen neuen Aufschwung erfahren, dennoch hat sich immer noch nicht wirklich eine Wirtschafts- und Organisationsstruktur um das Video entwickelt, in die der Markt bereit wäre zu investieren.

Wegen wirtschaftlicher Faktoren und vor allem aufgrund der politischen Situation, die wir hier nicht weiter erörtern werden, da sie bereits bekannt ist, entwickelte sich das kulturelle Leben in den Jahren der Franco-Diktatur nur langsam, mühsam, und war im Fall von vielen Projekten mit einem starken politischen und experimentellen Charakter unmöglich. Das trifft auch voll auf das Arbeiten mit Videokunst zu, vor allem aufgrund des Mangels an Mitteln und der hohen Kosten des zugehörigen Equipments. Auch, wenn dieses Material etwa in USA und Japan sehr verbreitet war, galt dies nicht für Spanien.

 
60er Jahre: Anfänge spanischer Videokunst in der Diaspora

Die ungünstigen Rahmenbedingungen zu Hause hatten zur Folge, dass die erste Generation von spanischen Künstlern, die mit Video arbeiteten, vor allem eine Gemeinsamkeit haben: sie verließen das Land, studierten in den USA und brachten bei ihrer Rückkehr Kenntnisse und Geräte mit, die in Spanien kaum verbreitet waren. Unter diesen waren Künstler wie Antoni Muntadas, Eugenia Balcells, Antoni Miralda und Francesc Torres, die im Bereich der Videokunst für Spanien zweifellos Pionierarbeit leisteten.

Diese erste Generation begann in den frühen 70er Jahren mit Video zu arbeiten. Torres und Muntadas gründeten 1973 das Kollektiv „Grupo de Treball“ – ein Projekt, in dessen Arbeitsweise politische und soziale Themen eine wichtige Rolle spielten und insofern amerikanischen Guerilla-Video-Praktiken sehr nahe stand. All diese Pioniere arbeiteten in diesen Jahren in einem widrigen Umfeld, in dem es an finanzieller Hilfe mangelt und an Räumen, um ihre Arbeiten zu zeigen. Ihre Aktivitäten hielten diese Künstler deshalb stets außerhalb von Spanien aufrecht – in Ländern, in denen ihre Arbeit viel besser bekannt war und mehr geschätzt wurde als zuhause.

 

70er und 80er Jahre: die zweite Generation im Übergang

Mitte der 70er Jahre kommt eine zweite Generation von Videokünstlern zum Vorschein. Im Gegensatz zu der vorherigen Generation beziehen diese Künstler sich auf die Massenmedien, vor allem auf damals neue Formate im Fernsehen, Musikvideo etc. Zu den wichtigeren Arbeiten, die in diesem Jahrzehnt produziert wurden, gehören die von Xavier Villaverde, Pedro Garhel, Video-Nou und Javier Codesal. Diese Generation des Übergangs wird Zeuge der Geburt einer Reihe von Festivals, die von zentraler Bedeutung für die Distribution, die Normalisierung der Produktion und die Rezeption von Videokunst in Spanien werden sollten. Die wachsende Reputation von Festivals, wie die in Madrid und San Sebastián, in den 80ern bot in diesem Sinn eine Basis für die Erweiterung des Gebrauchs von Video als künstlerisches Arbeitsmedium. Solche Festivals, die später auch in Vitoria, Zaragoza oder Oviedo organisiert wurden, schufen eine ökonomische Marktnische, die, obwohl sie die Produktion nicht allein am Leben erhielt, eine gewisse finanzielle Unterstützung bot.

In den 80er Jahren verbreitet sich der Einsatz von Video als künstlerisches Medium beträchtlich, wobei dies zum einen auf die Gründung spezialisierter Festivals zurückgeht und zum anderen auf die Entstehung der autonomen Regionen in Spanien, die alle über ein eigenes Budget für Kultur und Fernsehen verfügen. Performance-Praktiken werden mit Video verbunden – wie zum Beispiel in der Arbeit des Kollektiv Zaj, das seit den 60ern aktiv ist. Damit werden die Türen für performative Experimente im audio-visuellen Medium geöffnet. Auf der anderen Seite hat die Beschäftigung mit Politik im Medium einen dauerhaften Platz ergriffen – wie im Fall des katalanischen Kollektivs Video-Nou, das den kritischen Geist im Videoschaffen mit Parodien von Fernsehprogrammen oder durch ihr Interesse an der Dokumentation von Streiks und sozialen Konflikten am Leben erh-lt.

Andere Känstler wie Julián Alvareu, José Ramón de la Cruz, Vidí­o Doméstico und Isabel Herguera erforschen neue Möglichkeiten des Videos und führen stärker formale Aspekte in ihre Konzeptionen ein. Wiederum andere Autoren beginnen Experimente mit digitalen Formaten in der Videoproduktion wie etwa Ignacio Pardo, einem der Pioniere auf diesem Gebiet.

Gleichzeitig erscheinen die ersten theoretischen Texte, die in spanischer Sprache verfasst sind. Künstler wie Eugeni Bonet, Antoni Mercader, Joaquim Dols und Josu Rekalde beginnen einen diskursiven Rahmen zu entwickeln, innerhalb dessen die entstehenden Videopraktiken im Land verständlich werden. Dies hat Videokunst auch als Bereich unterstützt, der bislang noch nicht in die Welt der Galerien und Künste vorstoßen konnte und dem der Markt kaum oder keine Aufmerksamkeit schenkte. Trotzdem begannen immerhin Fernsehprogramme wie Metrópolis auf TVE oder Arsenal auf TV3 verstärkt Arbeiten in Videoformaten oder mit experimentellem Charakter auszustrahlen.

 

Die 90er Jahre – Video als künstlerische Disziplin

In den 90er Jahren festigen Spaniens Kunstmessen ihren Ruf. Das repräsentativste Beispiel ist die internationale Messe für zeitgenössische Kunst ARCO. Und im Boom der Kunstgalerien Ende der 80er, der zwar zum größten Teil von traditionellen Arbeiten der Malerei und der Skulptur genährt wurde, setzt eine Öffnung für Video als künstlerische Disziplin ein. Das hat direkte Konsequenzen für den Sektor: auf der einen Seite entsteht ein Markt, der ihn wirtschaftlich unterstützen kann, aber auf der anderen Seite muss das allm«hliche Verschwinden von Videofestivals verschmerzt werden, die sich bislang seiner Promotion gewidmet haben.

Künstler wie Eulalia Valldosera, Pedro Ortu?a, Sally Gutierrez und Pilar Albarracón unterhalten enge Beziehungen zu der Welt der Galerien, während sie sich gleichzeitig in ihrer künstlerischen Arbeit von den politischen Praktiken verabschieden, die für die Arbeitsformen der früheren Video-Pioniere in Spanien charakteristisch war.

Erste ganz dem Video gewidmete Ausstellungen treten in Erscheinung, so zum Beispiel die sehr bekannten „Señales de Ví­deo“ unter der Schirmherrschaft von Eugeni Bonet im Jahr 1995. Am Ende des Jahrzehnts tritt dann erneut eine Gruppe von Videokünstlern auf, die an einer politisch engagierten Kunst interessiert ist: Gabriel Villota, Marcelo Expósito, und aus feministischer Sicht, Virginia Villaplana, Marí­a Ruido und Est«baliz S«bada. Diese Künstler versuchen das Erbe der Video-Pioniere wieder zu beleben. Bei den Institutionen erfreut sich Videokunst einer wachsenden Rezeption und Nachfrage, was der Produktion vieler der ausgestellten Werke hilft. Trotzdem lehnt der Kunstmarkt es weiterhin ab in ein solch wenig fassbares Medium zu investieren, weshalb es dem Bereich schwer fällt sich zu konsolidieren.

Gegen Ende der 90er tritt eine Wende ein als eine Generation von Künstlern Werke schafft, deren Vokabular mehr oder weniger mit der Videokunst in Verbindung steht, sich aber in eine Logik einfügt, die viel stärker jener der zeitgenössischen Kunst verwandt ist. Unter diesen Künstlern sind besonders hervorzuheben: Joan Morey, Carles Congost, Julia Montilla, Sergio Prego, Tere Recarens, Jon Mikel Euba und Cabello/Carceller. Die dokumentarischen und experimentellen Formen verlieren an Kraft und Einfluss zugunsten anderer Formen wie der Video-Installation und dem Musik-Video.

 

Heute: Hybridisierung, aber auch Differenzierung der Formen

Mit dem neuen Millennium beginnen die Trennlinien zwischen den verschiedenen Arbeitsmethoden und Richtungen zu verschwinden und verstärkt hybride Arbeitsweisen aufzutreten, die auch ihre Ausstellungsräume und Ressourcen immer mehr teilen. Einige Kunsthallen beginnen Video in ihre Programmgestaltung einzubeziehen und Abteilungen für audio-visuelle Kunst einzurichten, wie in dem Fall des MNCARS (Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia) in Madrid und des MACBA (Museo d’Arte Contemporani) in Barcelona. Einige etwas bescheidenere Kunstzentren, die gegen Ende der 90er Jahre überall im Land geöffnet wurden, helfen indem sie ein sehr differenziertes Ausstellungsnetz bilden, dessen Programme für einen Teil der Einkünfte der Künstler, die in diesem Umfeld arbeiten, sorgen.

Andererseits werden Festivals, die ziemlich spontan und ohne große Führungsansprüche oder Budgets gegründet wurden, zu immer wichtigeren Referenzinstitutionen. Dies trifft zu auf Zemos98, 143 und Doméstico, aber auch auf stärker institutionell verankerte Festivals wie OVNI, die allesamt dazu beitragen, dass audio-visuelle Werke kontinuierlich und regelmäßig vorgeführt werden.

Nichtsdestotrotz macht es die Vermehrung und Ausdifferenzierung in verschiedene Formen, wie digitale Animation, Dokumentarfilm, experimentelles Video, Künstlerfilm, Video als Dokumentation, Video-Tanz oder Video-Performance schwer, eine solide wirtschaftliche Struktur rund um das Video zu entwickeln. Das Fehlen von Vermittlern, wie etwa Vertriebe und Verleihe, trägt dazu bei, dass die Situation noch schwieriger wurde.

 

Hindernisse durch das Fehlen eines Vermittlers

Bis jetzt hat es in Spanien keinen Vertrieb für Videokunst gegeben. Um solch einen wichtigen Produktionsbereich – sowohl vom historischen Gesichtspunkt, als bezüglich der aktuellen Tendenzen in der Kunst – zu fördern, ist ein Vermittler notwendig, der die Zirkulation schneller und effizienter verwaltet und als zentrale Plattform für die wichtigsten Werke dient, um sie gemäß den speziellen Bedürfnissen und Besonderheiten jedes einzelnen Bereichs zu verbreiten.

Die Organisation von Videoprogrammen in Spanien erfordert für die veranstaltende Institution (Museum oder Kulturzentrum, Schule, Sender) unter anderem: den Autor jedes einzelnen Werkes zu kontaktieren, für jeden einzelnen Fall die Aufführungsgebühr auszuhandeln, die Werke auf verschiedensten, zum Teil unpraktikablen Trägermedien zu bekommen und diese schließlich aufwändig vorzuführen. Wenn kein Vertriebsweg existiert, um eine solche Situation zu regulieren und zu normalisieren, ist das ein klares Hindernis für die Verbreitung solcher Produktionen in Spanien und sicherlich auch für ihre Aufführung im Ausland.

Abgesehen von privaten Videokunstsammlungen gibt es auch keine Institution, die sich wie im Filmbereich die Filmoteca Española als nationalem Filmarchiv, äquivalent der Archivierung von Videokunst und der Konservierung des kulturellen videografischen Erbes widmet.

Bislang bedeutet das Fehlen eines Vertriebs und einer zentralen Sammlung also ein erhebliches strukturelles Defizit für den gesamten Sektor. Die Existenz eines Vermittlers ist der Schlüssel beim Bemühen diese Werke allgemein und öffentlich zugänglich zu machen. Erst jetzt ändert sich diese Situation!

 

Gründung der Videokunst-Plattform HAMACA

Um die bisherigen Versäumnisse und Lücken zu schließen, wurde auf Initiative des katalonischen Künstlerverbandes AAVC und unter der Leitung der YProductions in Barcelona der Videokunstvertrieb HAMACA (deutsch: Hängematte) konzipiert. In der Vorbereitungsphase konnten öffentliche Institutionen und Geldgeber von dem Projekt überzeugt werden. In der ersten Phase seiner Realisierung hat das Projekt dann zunächst sehr viel Hilfe von der Entitat Autí²noma de difusió cultural del Departament de Cultura i Mitjans de Comunicació de la Generalitat de Catalunya erhalten. Zusätzlich hat auch das spanische Kulturministerium beträchtliche Unterstützung geleistet, ebenso wie die „Dirección General de Bellas Artes y Bienes Culturales“. Anfang 2007 hat HAMACA zudem noch finanzielle Unterstützung vom Außenministerium sowie von der staatlichen Agentur für internationale Kooperation erhalten.

Nach der langen Vorbereitungszeit trat das Projekt mit dem Einzug in den Hangar, Zentrum für audiovisuelle Produktion, an die Öffentlichkeit. Seit diesem Jahr arbeitet HAMACA im Hangar im Stadtviertel Poblenou als Verleiher und Vermittler von Videokunst. Die Arbeit dieser nicht-gewerblichen Einrichtung beschränkt sich zunächst auf den Vertrieb von Werken spanischer Künstler. Mit der Auswahl der Arbeiten wurde eine Gruppe von acht Fachleuten – namhafte Künstler und Kuratoren – beauftragt. Zunächst wurden Vereinbarungen mit 80 Künstlern getroffen, deren Werke diese erste Ausgabe des Katalogs ausmachen. In den Konsultationen mit der Beratungsgruppe wurden die qualitativen Richtlinien des Repertoires definiert, der geographische Rahmen erörtert, den HAMACA in der Zukunft abstecken will, aber auch ergänzende Aktivitäten von HAMACA besprochen.

Mit HAMACA steht nun erstmals eine zentrale Plattform für die nationale und internationale Vermittlung und Verbreitung spanischer Videokunst zur Verfügung.

Philippe Dijon, HAMACA Barcelona

Weitere Informationen über HAMACA siehe Rubrik Nachrichten

URL: HAMACA

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