Dienstleister im Kurzfilmsektor – vertikale Integration bei Online-Anbietern

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Screenshot Eventival 12-2019

 

Seit geraumer Zeit lässt sich der Trend beobachten, dass ehemals spezialisierte Plattformen immer öfter Zusatzdienste anbieten, die nicht zum ursprünglichen Kerngeschäft gehören. Dies betrifft insbesondere die Verbreitung und Vermittlung von Filmen, neuerdings sogar ihre Finanzierung und deren Produktion.

 

Ermöglicht wird dies durch die fortschreitende Digitalisierung. Sobald ausreichend Daten vorliegen und im Hintergrund ohnehin eine integrierende Anwendung – ein sogenanntes Framework – arbeitet, liegen neue Verknüpfungen buchstäblich nahe. Erfindergeist, aber auch wirtschaftlicher Druck oder einfache Profitabsichten tun ihr Übriges: Was technisch möglich ist, wird auch probiert und umgesetzt.

 

Zu den typischen Dienstleistungen, die auf einer einzigen Plattform miteinander kombiniert werden können, gehören Festivaleinreichungen, Lizenzhandel, Filmmarketing und Streaming-Dienste. Einige Akteure mit Angeboten, die besonders für den Kurzfilm relevant sind, stelle ich hier im Folgenden vor. Die Aufstellung soll bitte nicht als Empfehlung verstanden werden, weshalb ich die Beispiele auch um Wertungen zu vermeiden weitgehend in alphabetischer Folge vorstelle.

 

 

discover.film – Lizenzhandel + VoD + Filmfestival

 

Discover Film versteht sich als Technologie- und Unterhaltungsplattform für Kurzfilme („The Home of Short Movies“). Discover Film tritt als OTT-VoD-Anbieter, als Filmhändler und als Festivalveranstalter auf.

 

Die Plattform verfügt über einen Katalog von Kurzfilmen, der von Vimeo’s Over-the-Top Plattform vhx.tv gehostet wird. Die Filme können auf fast allen digitalen Endgeräten ausgegeben werden: auf dem Desktop per Browser sowie mobil und auf Smart TVs mit firmeneigenen Apps. Das Streaming ist – nach einer gebührenfreien Registrierung – kostenlos! Die Suche nach Kurzfilmen aus dem Produktionsland „Germany“ ergab nur diesen einen Treffer: „Touch Me“ von Eileen Byrne (First Steps Award 2018).

 

Der Filmhandel von Discover.Film richtet sich vor allem an Onboard Entertainment Anbieter für Fluggesellschaften und Eisenbahnen. Das Unternehmen ist außerdem Veranstalter der Discover Film Awards („one of the biggest short film festivals in the world“). Die Preise in mehr als 30 Kategorien (!) werden einmal jährlich in einem altehrwürdigen Programmkino am Leicester Square vergeben.

 

Das Geschäftsmodell ist nicht eindeutig erkennbar. Auf der Website gibt es keine Informationen über die Tarife für die angebotenen Dienstleistungen. Als Einnahmequellen können neben Einkünfte aus Lizenzverkäufen auch Einreichgebühren zum ‚Festival‘ („over 4000 annual submissions“) vermutet werden.

 

Die Plattform wird von Discover.Film Ltd (London, UK) betrieben. Das Unternehmen wurde 2016 von Sarah Jane Thomson (Marktforscherin) und Steve Harmston (Ökonom, E-Commerce) als Informationstechnologie-Dienstleister gegründet.

 

URL: https://discover.film/

Filmplattform: https://bestshortfilms.discover.film/browse/

 

 

Eventival – Veranstaltungsmanagement + Sichtungsplattform + Networking

 

Eventival ist eine Event-Management-Plattform mit Sitz in Prag („The World’s No. 1 Film Festival Management Software“). Vorläufer war eine einfache Anwendung zur Verwaltung von Daten für Filmfestivals („DataKal“), die ihr Gründer und heutiger CEO Tomaš Prásek nach seiner Tätigkeit beim Gästeservice des Karlovy Vary Festivals zusammen mit einem Programmierer entwickelt hat.

 

Eventival ist heute so komplex, dass es den Rahmen sprengen würde alle Funktionen[1] aufzuführen, die Eventival integriert. Im Kern arbeitet immer noch eine Anwendung für die Verwaltung von Gästen beziehungsweise ihrer Akkreditierungen, Unterkunftsvermittlung und Reiseplanung sowie eine Kontaktdatenbank im Hintergrund.

 

Der für Gäste sichtbare Teil im Frontend ist ein „Visitor Page“ genanntes Formular, in dem Festivalgäste ihre Koordinaten hinterlegen können (Anschriften, Foto, CV, Termine etc.). Durch Verknüpfungen kann diese Visitor Page aber noch viel mehr. Wie zum Beispiel E-Mail-Kommunikation, Ticketreservierungen, die Organisation von Fahrdiensten und die Vernetzung bzw. Korrespondenz der Besucher untereinander.

 

Im Backend für Festivals verwaltet die Plattform Filmeinreichungen, Informationen und Materialien zu den Filmen sowie die Programmplanung bis zum Programmkalender und Festivalkatalog. Außerdem bietet die Plattform ein Online-Sichtungs- und Bewertungssystem für die Programmacher. Dies ist aber noch kein Alleinstellungsmerkmal, denn es gibt vergleichbare Anbieter wie etwa Filmchief, FestiCiné, Mr. Schilling, Zone Festival etc.

 

Es sind insbesondere die Kooperationsvereinbarungen und Verknüpfungen mit anderen Plattformen, die Eventival von anderen unterscheidet. So gibt es Schnittstellen zu Content Providern und Mediendatenbanken wie Cinando (Filmmarkt, Cannes) oder Vimeo und zu Einreichplattformen (Festhome, FilmFestivalLife, Docfilmdepot, Moviebeta). Außerdem Verknüpfungen zu Ticketing-Plattformen und zu Kommunikationsdiensten (Mailchimp u.a.). Schließlich auch noch sogenannte Payment Gateways zu Zahlungsdienstleistern.

 

Eventival basiert auf einem PHP Framework und wird von tschechischen Anbietern auf Servern in Prag gehostet.

 

Obwohl ‚erst‘ 2009 gegründet hat Eventival bis heute 440.000 Visitor Page-Nutzer in 45 Ländern und wird von 135 Veranstaltern eingesetzt. Eventival ‚residiert‘ im Palais Lucerna, dem größten Jugendstilgebäude von Prag. In Deutschland wird Eventival derzeit u.a. vom Braunschweiger Filmfestival, Filmfestival Cologne, goEast und den Hofer Filmtagen genutzt.

 

Nutzertipp: wer einmal über Eventival bei einem Festival akkreditiert beziehungsweise angemeldet war und nicht möchte, dass die Daten behalten und für andere Zwecke ausgewertet werden, kann beim Betreiber der Plattform (nicht selbst und nicht beim Festival) die Löschung veranlassen.

 

URL: https://www.eventival.com/

 

 

Festhome – Einreichplattform-Aggregator + VoD + Untertitelung + DCP-Erstellung

 

Die mehrsprachige spanische Plattform FESTHOME ist ein Aggregator, der Festivaleinreichungen über fast alle Filmeinreichplattformen auf teilnehmenden Festivals als zentralen Dienst anbietet. Die Registrierung ist für Festivals kostenfrei, jedoch werden für die Zahlungsabwicklung von Entry Fees 10% Gebühren berechnet. Filmemacher wird für knapp 50 € ein Jahresabo für unlimitierte Einreichungen oder der Erwerb von Kreditpunkten ab 9 € für Einzeleinreichungen angeboten. Eine einzelne Einreichung kostet 2 €.

 

Jeder Filmemacher erhält eine Internetseite zur Selbstdarstellung mit verlinkten oder hochgeladenen Filmen. Festhome verwaltet die Einreichungen bis zu Annahme oder Ablehnung der Festivals. Festhome bietet außerdem den Upload und die Verwaltung von Vorführkopien bis 20GB an.

 

Laut eigenen Angaben arbeiten mehr als 3.000 Festivals (überwiegend Kurzfilmfestivals) mit Festhome zusammen und wurden bislang etwa 90.000 Filme vermittelt.

 

Das zweite, neuere Standbein ist die VoD-Plattform indiehomeTV für unabhängige Filme. Die Plattform bietet die Nutzung als Pay-per-View (ab 0,99 €) oder als monatliche (4,99 €) und jährliche Subskription (49,99 €) an. Im Katalog fand ich nur vier deutsche Produktionen, darunter „Bis wir bluten“ von Rico Mahel.

Die Filmemacher erhalten 85% der Pay-per-View-Einnahmen und auf Minutenbasis 70% der SVoD-Einnahmen abzüglich der Verwaltungskosten.

 

Als Nebengeschäft bietet Festhome einen Übersetzungs- und einen Untertitelungsdienst an. Außerdem vermittelt die Plattform die Herstellung von DCPs bei einem Partner ab $52 für einen Kurzfilm.

 

FESTHOME LTD. wurde 2010 von dem katalanischen Filmemacher Moisés Tuñón und dem belgischen Mediendesigner Daniel Fenaus und dem IT-Fachmann Victor Gonzalez gegründet. Der Hauptfirmensitz ist in London.

 

Positiv hervorzuheben ist, das Festhome sich zu fairen Geschäftspraktiken verpflichtet und sowohl von UFFO als auch Fair Submissions (als Gründungsmitglied) anerkannt wird. Laut eigenen Angaben wurden 1400 Festivals von Mitarbeitern als betrügerisch eingeschätzt und abgelehnt.

 

URL Vod:  https://indiehometv.festhome.com/ondemand

URL FAQs: https://filmmakers.festhome.com/ondemand_films/ondemand_help#28

URL FAQs Festivals: https://festivals.festhome.com/faqs-for-festivals#1

 

 

Shortfundly – eine Plattform für Alles

 

Eher exotisch und von der Anmutung her ziemlich handgestrickt kombiniert das indische Startup-Unternehmen Shortfundly mehrere Dienste für Kurzfilmemacher auf ihrer „One Stop Platform“ an. Die wichtigsten Dienste oder Funktionen sind eine Art Linkedin, eine Einreichplattform, eine Streaming-Plattform und eine Crowdfunding Platform.

 

Filmemacher können auf dieser Plattform ihre neuen Projekte planen und, zum Beispiel, Teammitarbeiter finden, ihre Filme auf der Internet-Plattform oder per App auf mobilen Endgeräten vorstellen, Funding für ihre Projekte finden, für ihre Filme werben und sie bei Festivals einreichen.

Diese Basisdienste sind für Filmemacher kostenlos. Shortfundly finanziert sich aus Werbeeinnahmen und prozentualen Gebühren von Filmfestivals.

 

Ein eigener Online-Shop gibt Gelegenheit Geld auszugeben und bietet ein buntes Bukett an Extras an. Etwa Festival Promo-Kits (589 Rupien), Filmposter (399R), Filmtrailer (399R), Kinoaufführungen (6.490R – in Bangalore;-) oder eine professionelle Filmkritik für 599 Rupien und vieles Nützliches und Überflüssiges mehr.

 

Nach eigenen Angaben haben sich bei Shortfundly mehr als 900 Kurzfilmemacher registriert und bekommt die Plattform 15.700 Page Views pro Monat.

 

Shortfundly hat seinen Sitz in Chennai (im Bundesstaat Tamil Nadu) und wurde 2014 von den IT-Ingenieuren Selvam and P Maharajan gegründet.

 

URL: https://www.shortfundly.com/howitworks

 

 

The Film Festival Doctor – Festivalvermittlung + Eventmanagement + Sales und Marketing Management

 

Das britische Unternehmen, dessen Namen zumindest ein Schmunzeln verdient, müsste auf Deutsch eigentlich Festivaldoktorin heißen, denn gegründet wurde es von einer Frau, die einen PhD in Film und Audience Research hat: Dr. Rebekah Louisa Smith. The Film Festival Doctor ist möglicherweise das erste Unternehmen seiner Art und gehört auf jeden Fall zu den Pionieren unter den Filmvermittlern. Heute gibt es Dutzende solcher Unternehmen, die gegen Gebühren und Erfolgsprämien Filme im Auftrag ihrer Autoren an Festivals vermitteln, das heißt sich um die Einreichungen kümmern. Das Spektrum des ‚Kümmerns‘ ist breit und reicht vom simplen Anmeldungen bei Festivals über Empfehlungssysteme bis zur persönlichen Beratung. Da es sich in der Regel um Standalone-Funktionen handelt, gehören diese Agenturen aber nicht in diese Aufstellung.

 

Dr. Rebekah ist aber auf dem Sprung zur vertikalen Integration zusätzlicher Dienste und darin auch wieder eine Vorreiterin. Unter dem Oberbegriff Management Services hat sie ihr Dienstleistungsangebot bereits über das reine Film Festival Management hinaus erweitert. Filmemacher können sogenannte Bronze, Silver, Gold und Platinum Packages mit gestaffelten Preisen und Leistungen dazu buchen. Hierzu gehört insbesondere das Angebot Filmverkäufe zu organisieren und Vertriebsstrategien zu entwickeln. Weiterhin bietet The Film Festival Doctor die Organisation von Werbekampagnen, ein Eventmanagement und neuerdings sogar Hilfe beim ‚theatrical‘ Selbstverleih von Filmen in Kinos. Drehbuchberatung, Workshops und Seminare über Festivalstrategien sowie ein Shop mit Audio- und E-Books runden das Angebot ab.

 

Ursprünglich auf Kurzfilm spezialisiert, ‚verarztet‘ das Unternehmen inzwischen auch um Langfilme. Bemerkenswert ist vielleicht noch, dass das Leitungsteam bis auf eine Ausnahme ausschließlich aus Frauen besteht.

Das Unternehmen wurde 2011 als Limited Company gegründet und hat seinen Sitz in Pershore, Worcestershire (UK).

 

URL: https://www.thefilmfestivaldoctor.com/

 

 

Seed&Spark – Crowdfunding + Distribution + VoD + Ausbildung

 

Aus einer völlig anderen ‚Ecke‘ kommt die US-amerikanische Plattform Seed&Spark. Aufgrund positiver Erfahrungen bei der Finanzierung einer Filmproduktion mit der Einwerbung privater Unterstützer und Spender, gründeten zwei Filmemacherinnen das Unternehmen als Crowdfunding-Plattform für Filme. Heute steht die Plattform nach eigenen Angaben mit einer Erfolgsrate von 80% – weit vor Indiegogo und anderen.

Das Rezept zum Erfolg sind Beratungen, Seminare und Workshops zur Vorbereitung der Produktion und der Crowdfunding-Kampagnen, die das Unternehmen landesweit anbietet.

 

Das ehemalige Kerngeschäft wird von einem Video-on-Demand-Portal flankiert, das nach Zahlung einer geringen Beitrittsgebühr von $3, die Benutzer auffordert die Produzenten der gestreamten Filme mit Beträgen in freiwilliger Höhe zu unterstützen. Das VoD-Angebot lässt sich neben den klassischen Genre- und Gattungs-Rubriken über ziemlich diversifizierte Themen, aber auch kuratierte Playlists erschließen.

 

Die Video-on-Demand-Plattform ist selbst Teil einer Vertriebsplattform für fertiggestellte Filme von Seed&Spark-Mitgliedern. Die Filmemacher werden mit 50% am Umsatz beteiligt. Zum Distribution-Angebot gehören projektbezogene Marketingstrategien, die auf Auswertungen von „Deep audience data“ beruhen.

 

Welche Algorithmen da am Werk sind, bleibt aber das Geheimnis des Unternehmens. Zur Ermittlung von Nutzerdaten sind im Frontend nur die üblichen Abfragen nach der Stimmung der Nutzer sichtbar und ein ziemlich cooles Quiz[2], dem mein, ziemlich scharf gegen Tracking eingestellter, Browser aber die Kooperation verweigerte.

 

Das Unternehmen wurde 2011 von Emily Best und Erica Anderson gegründet und hat seinen Sitz in Los Angeles. Wirtschaftlich wird Seed&Spark überwiegend durch Venture-Kapital und von ‚Investor Angels‘ unterstützt – unter ihnen ein Advisory Director der Morgan Stanley Bank, Jack Wadsworth, der im Aufsichtsrat von Seed&Spark sitzt. Der jährliche Umsatz wird auf circa €3 Millionen geschätzt.

Nach eigenen Angaben haben bisher mehr als 150.000 Spender etwa $24 Mio für mehr als 1.800 Filmprojekte ausgegeben.

 

URL: https://www.seedandspark.com

VoD: https://www.seedandspark.com/watch#overview

 

 

Vertikale Integration – Risiken und Nebenwirkungen

 

Insgesamt nimmt vor allem die Bedeutung von internetbasierten Plattformen zu – als Intermediäre OTT-Dienste, die Bedürfnisse verschiedener Nutzergruppen zusammenführen.

 

Viele der neuen Dienste erscheinen auf Anhieb plausibel und hilfreich. Betreiber dieser Plattformen agieren als Integratoren, die dem einzelnen Filmemacher eher lästige Aufgaben – wie etwa Festivaleinreichungen, Filmversände oder Vermarktung – abnehmen und koordinieren.

 

Der Extremfall wäre die vollständige vertikale Integration auf einer Plattform. In der Wirtschaft spricht man von vertikaler Integration, wenn ein Unternehmen versucht seine Geschäftsfelder so auszudehnen, dass es die gesamte Wertschöpfungskette kontrollieren kann. Es kann aber zu unerwünschten Abhängigkeiten führen, wenn der Kreislauf zwischen Produktion, Vermarktung, Transportlogistik und Verkauf in einer einzigen Hand liegt.

 

Durch neue Möglichkeiten, strukturierte Daten zu erheben und zu konsolidieren, entstehen auch erhebliche Potenziale für branchenfremde Akteure. Es ist auf jeden Fall Vorsicht geboten, wenn Akteure auf den Markt drängen, die nicht aus der Branche, sondern etwa aus dem E-Commerce oder IT-Sektor kommen.

 

Filmemachern empfehle ich solche Angebote genau auf ihre Seriosität zu prüfen und vor allem abzuwägen, ob sich im Einzelfall der finanzielle Aufwand für einen Einstieg lohnt. Denn, und das verblüfft mich immer wieder, es wird mit Kurzfilmen offenbar viel Geld verdient, das aber nicht bei den Machern ankommt, sondern im Gegenteil von ihnen ausgegeben wird.

 

 

Reinhard W. Wolf

 

 

[1] Full list of features: https://www.eventival.com/en/features/film-festivals

[2] https://www.seedandspark.com/watch#discover

 

 

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