„Move It“ und die Herausforderungen der alternativen Kinoprogrammierung

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ZEBRA von Julia Ocker im Move It Programm Colour Box

ZEBRA von Julia Ocker im „Move It“-Programm „Colour Box“ © Julia Ocker/Animate Projects

Im Jahr 2016 präsentierte Animate Projects¹ unter dem Titel „Move It“² eine Reihe von Programmen zur Ausleihe durch Kinos in ganz Großbritannien. Die vier Programme boten einen breiten Querschnitt der aktuellen Animationsfilmpraktiken mit den Schwerpunktthemen Filme für Kinder, Animierte Dokumentationen, Beste britische Arbeiten und Experimentelle Animation. Anstatt das Projekt auf die übliche Weise zu evaluieren, gab der Veranstalter eine Untersuchung zu dem breiteren Kontext von künstlerischen Kurzfilmen und Animationen auf Tournee in Auftrag. Die Untersuchung, unterstützt durch die Auswertung von Fragen, die Kinos und Kuratoren zugesandt wurden, sowie von Gesprächen mit Vertretern der beiden Gruppen, zielte nicht nur darauf ab, die aktuelle Situation für Filmtourneen darzustellen, sondern auch darauf einige der Herausforderungen aufzudecken, mit denen sowohl die Gestaltung als auch das Abspiel solcher Programme konfrontiert werden.

Der folgende Text ist eine bearbeitete Version des Untersuchungsberichts. Es sollte bedacht werden, dass der ursprüngliche Kontext der Kinosektor im Vereinigten Königreich ist. Während einige der hier beschriebenen strukturellen Probleme auf das gleiche Fachgebiet auf dem europäischen Festland angewendet werden können, gibt es solche, die für das Vereinigte Königreich spezifisch sind und deshalb im Licht dieses Umstandes verstanden werden sollten.

 

Kinomacher

Die Herausforderungen, vor denen die Kinomacher stehen, sind auf Schlüsselressourcen wie Geld, Zeit und Wissen zurückzuführen. Druck in einem dieser Bereiche beeinflusst die anderen. Inwieweit alternative Programme erfolgreich sind oder scheitern – beziehungsweise überhaupt als eine Option berücksichtigt werden – hängt von der relativen Stärke oder Schwäche dieser Ressourcen ab. Während nicht zwangsläufig alle drei robust sein müssen, damit Tourprogramme funktionieren, diktiert die Stärke jedes einzelnen, in welchem Ausmaß externe Programmmacher sich aktiv an der Unterstützung gebuchter Filmaufführungen beteiligen müssen.

Kinomacher müssen ständig mit dem Marktdruck, direkt oder indirekt, umgehen. Häufig, insbesondere bei subventionierten Programmen, ist das unmittelbare finanzielle Risiko sehr niedrig, doch Marktregeln bewirken, dass Programmzeit monetarisiert ist. Ein Tourprogramm kostet vielleicht nur eine geringe oder gar keine Gebühr, aber wenn es im Zeitplan Platz beansprucht, der einer gewinnbringenden Mainstream-Filmaufführung gewidmet werden könnte, reduziert es effektiv die Gewinnspanne des Kinos und ist die nachteilige Auswirkung besonders zu Hauptvorstellungsterminen potenziell sehr groß.

Die bloße Schwemme an Filmstarts, die sich in nur wenigen Jahren verdreifacht hat, bewirkt, dass nicht nur Geld, sondern auch Zeit knapp ist und Kinobetreiber nur selten ’schwierige‘ oder kommerziell riskante Programme und Programmierungen in Betracht ziehen, weil dies einfach mehr Zeit beansprucht. Selbst, wenn sie mit solchen Inhalten sympathisieren, verbinden sich die Anforderungen ihres regulären Programms an ihre Arbeitszeit zusammen mit dem Mangel an Klarheit, mit der Kurzfilmprogramme sich präsentieren können, oft zu dem Effekt, das eine ausreichende Beschäftigung mit den Programmen, um sie annehmen zu können, verhindert wird.

Natürlich, dies ist eine nur kurzfristige Abwägung. Langfristig könnten aber Strategien der Programm-Diversifikation und Publikumserschließung mithilfe alternativen Programmierens schließlich zu einem künftigen wirtschaftlichen Erfolg führen, indem sie ein breiteres Publikum anziehen.

Unter unabhängigen Kinos gibt es eine Tendenz die Verhaltensweise großer unmittelbar kommerzieller Bedenken nachzuahmen, indem sie ‚Sonderprogramme‘ (die Bezeichnung offenbart die Haltung) offensichtlich als  Programme, die durchfallen, auflegen. So, als müssten sie eine Logik belegen, die in den etwa letzten zehn Jahre dazu führte, dass ihre Aktivitäten ziemlich ununterscheidbar von Mainstream-Kinos wurden. Dies ist eine sich selbst erfüllende Vorhersage. Wenn ‚andere‘ Filmvorführungen programmiert werden, sind es oft drittrangige Programmplätze, denen keine zusätzliche Werbung oder Zielgruppenarbeit gegönnt wird. Es mag pervers erscheinen, aber es erfüllt nachhaltig die Funktion, das normale Programm des Veranstaltungsortes zu bestätigen, und gewiss auch die innere Logik des ganzen Modells, an das es sich anlehnt.

Der Druck auf die Verfügbarkeit von Ressourcen schränkt stärker ein als nur der Kinokassenumsätze alleine. Während in der Vergangenheit die relative Großzügigkeit der Kulturförderungen in der Subventionierung von unabhängigen Kinos bedeutete, dass die Kinomacher oft über großes Filmwissen verfügten, sind Personalwechsel inzwischen hier viel häufiger als in anderen Bereichen. Deshalb kommen offenbar viele Kinomacher gegenwärtig nicht mehr aus einem Umfeld mit Erfahrungen in Programmgestaltung. Dies – gepaart mit dem ständig wachsenden kommerziellen Imperativ – bedeutet, dass die kulturelle Basis der unabhängigen Kinos erodiert und durch ein Business-only-Modell ersetzt wird.

In Anbetracht der beschränkten Verhältnisse bei den Kulturförderungen, sind die hauseigenen Marketingressourcen auch stärker belastet als je zuvor. Insofern alternativen Programmen nur ebenso viel Raum in der Kinowerbung eingeräumt wird wie Spielfilmen, denen mehrere Millionen Pfund schwere PR-Kampagnen den Weg bahnen, haben alternative Programme von dem Moment an, wenn Kino-Flyer in Druck gehen, meist keine Chance mehr. Es ist keine Überraschung, dass das Publikum, wenn es ohne zusätzliche Erläuterungen vor die Wahl gestellt wird zwischen der Aussicht auf einen Spielfilm, der an einem Freitagabend eine bekannte Größe ist, und einem ’schwierigen‘, unbekannten Programm künstlerischer Filme an einem Montag, sich für Ersteres entscheidet.

Um dieser Falle zu entgehen, ist bei Kuratoren von Tourprogrammen einen Ansatz erforderlich, der den gefühlten oder echten Druck, dem Kinomacher ausgesetzt sind, anerkennt und dabei berücksichtigt, dass für sie letztendlich nur das Streben nach Gewinn zählt.

 

 

Kuratoren

Die Motivation von Kuratoren beim Erstellen von Tourprogrammen ist regelmäßig der von Kinomachern diametral entgegengesetzt: sie sind am wenigsten vom Streben nach Gewinn, sondern vielmehr von künstlerischer Integrität angetrieben. Dies erklärt teilweise weshalb sie oft so schlecht zueinander finden. Und das stellt ein echtes Problem dar: Wie kann man beide Seiten so in Einklang bringen, dass im Ergebnis mehr alternative Programme ihren Weg in die Kinos finden?

 

Eine wesentliche Herausforderung ist auch die fehlende Tragfähigkeit von Filmprogrammen mit künstlerischen Arbeiten – oder genauer gesagt das Versäumnis, ihren eigenen Wert und die tatsächlichen Kosten für die Präsentation solcher Arbeiten aufzuzeigen. Einerseits müssen die Programme zwangsläufig dem Finanzmodell, mit dem Kinobetreiber arbeiten, angepasst werden: Niemand wird 500 € für ein einmaliges künstlerisches Filmprogramm bezahlen – gleich wie gut es sein möge. Andererseits besteht die Gefahr, das Niveau der ohnehin brüchigen Abhängigkeit von Kulturförderungen auf eine vollständige Subventionierung des Kuratierens anzuheben. Aus diesem Grund bieten Kuratoren gewöhnlich ihre Programme zu oder unterhalb der üblichen Mindestgarantie für Mainstream-Spielfilme größerer Verleihe an. Somit als direktes Tauschangebot gegenüber kommerziellen Filmstarts präsentiert, entsteht ein unrealistischer und unhaltbarer Eindruck vom unabhängigen, insbesondere experimentellen Kino. In einer Marktwirtschaft, in das Verbreiten von Filmen offen und freimütig ein rein kommerzielles Vorhaben ist – kontrolliert von mächtigen Vertrieben, gestützt vom US-amerikanischen Studiosystem – beruht der anerkannte Wert ausschließlich auf ökonomischen Kennziffern. Der Kinospielfilm ist letzten Endes eine standardisierte Einheit und die Box-Office-Zahlen für Film A können, um den relativen Marktwert zu ermitteln, zuverlässig mit denen von Film B verglichen werden. Filme, die sich in Form und Herstellung unterscheiden, die aus abweichenden Zusammenhängen ins Kino gelangen und andere Fragen an ihre Publikum stellen, können aber nicht ernsthaft auf die gleiche Weise beurteilt werden. Unbeachtet bleiben dabei die Kosten eines Ein-Mann-Unternehmens, das einzelne Künstler bezahlt, den Filmverleih organisiert, den Transport und oft noch die Werbung sowie die zusätzlichen Aufwände für ein Programm, das aus zehn oder mehr Filmen besteht, bezahlt.

 

Das Ergebnis ist, dass die wahren Kosten für ein Kurzfilmprogramm auf Tournee für viele Kinomacher unsichtbar bleiben. Angesichts eines scheinbar vergleichbaren Geschäftsangebots zum selben Preis – für einen Spielfilm, der sich wahrscheinlich verkaufen lässt oder für ein Tourprogramm mit experimentellen Animationsfilmen – ist es unwahrscheinlich, dass Kinobetreiber sich für Letzteres entscheiden. Jedoch, so wie die tatsächlichen Kosten von Programmen mit unabhängigen Arbeiten verschleiert werden, so bleiben auch die Vorteile verborgen. Der Ökonomie der wichtigsten Erfolgsindikatoren der Kinos, die auf der Monetarisierung von Kinoerlebnissen basiert, fehlt die Fähigkeit, Werte wie Zuschauerbildung, kulturelle Diversität oder Filmerziehung einzukalkulieren – alles Faktoren, die geeignet wären, insbesondere in kleineren Städten, direkt zu einem wirtschaftlichen Erfolg einzuleiten.

 

Doch im Einzelnen betrachtet gibt es Vieles, was getan werden kann, damit künstlerische Bewegtbilder und Animationsfilme gezeigt werden. Und sie auf eine Leinwand zu bekommen, ist ein wichtiger erster Schritt auf dem Weg zu einer größeren bereichsübergreifenden Sichtbarkeit und Allem, was daraus folgt.

 

Experimentelle, unabhängige Arbeiten der kurzen Form können – wie bereits erörtert – nicht mit Mainstream-Spielfilmen verglichen werden: weder finanziell, künstlerisch, noch in Bezug auf die Zuschauerrezeption. Jedoch gibt es Möglichkeiten diese Arbeiten als Alternative zu vermarkten. Denn ihre Unterschiedlichkeit ist ihre Stärke. Natürlich können thematische Verknüpfungen zwischen Tourprogrammen und aktuellen Spielfilmstarts hilfreich sein und Kinomacher brauchen Anleitungen bei der Einschätzung ihrer Relevanz für sie und ihr Publikum – aber ihre Angleichung an den Mainstream-Film wäre letztlich selbstzerstörerisch.

 

Die Lösung, um sowohl den inneren Wert (und die Kosten) der Programmierung alternativer Arbeiten geltend zu machen, als auch einen größeren Erfolg bei den Kinomachern sicher zu stellen, besteht für Kuratoren darin, sich mit ihren Vorführungen so weit wie möglich von der gängigen Erfahrung eines Kinobesuch zu distanzieren. Dies bedeutet auf den Unterscheidungssinn zu setzen und auf die Chance solcher Filmvorführungen in Begegnungen, die neue Zusammenhänge erschließen – sei es in Diskussionen und Künstlergesprächen, in Live-Elementen und als Ereignis oder in der Kooperation mit lokalen Organisationen. Es ist außerdem Aufgabe der Kuratoren zu lernen mit den Kinomachern auf eine Art und Weise zu kommunizieren, die jenen vertraut ist, das Vorhaben genau zu erklären und Informationsmaterial in einer bestmöglichen Qualität zu liefern.

 

Während es normalerweise die Aufgabe der Kinomacher ist, den Einsatz von Begleitmaterial zu verbessern, ist es in Wirklichkeit unwahrscheinlich, dass sie für die Buchung und Bewerbung einmaliger Tourprogramme zusätzliche Recherchen durchführen und viel Zeit dafür aufwenden. Ein Großteil der Arbeit fällt daher auf den Programmmacher oder Kurator zurück. Dennoch wäre zu berücksichtigen, dass Veranstaltungsorte oftmals eine Marketingabteilung oder Spezialisten haben – wenn auch mit wenig Zeit – die Zugang zu Social Media Profilen und zu Auswertungen von Reservierungsvorgängen haben. Dies sind bereits vorhandene Daten der Zuschaueranalyse und von Einspielergebnissen, die, falls sie geteilt werden, ohne besonderen Aufwand helfen, ein Publikum zu finden und die Filmvorstellungen zu bewerben. Dies sind auch Hebel, die Kuratoren helfen Kooperationen mit lokalen Organisationen zu sichern, welche für den Erfolg von kuratierten Programmen äußerst wichtig sind.

 

 

Die Checkliste eines Kurators

 

  1. Wähle den Veranstaltungsort mit Bedacht aus

Die Größe, die Lage und die Demografie einer Stadt, seine Verkehrsinfrastruktur, das Vorhandensein anderer kultureller Aktivitäten, Hochschulen, passende Organisationen, Vereine oder Gruppen sowie das Profil des Veranstaltungsortes selbst, werden alle Einfluss darauf haben, wie gut die Filmvorführung funktioniert und wer sie besucht. Es ist keineswegs gesichert, dass ein Publikum in einer gut vernetzten, großen Universitätsstadt mit einer beträchtlichen bürgerlichen Einwohnerschaft irgendwie leichter zu erreichen sei als Menschen in einer relativ armen, ländlich, isoliert liegenden Kleinstadt. Doch die Art der Ansprache wird jeweils ganz anders sein müssen, ebenso wie die Zeit, die man aufwenden muss, um ein Publikum zu finden. Das sollte man bedenken, wenn man an Veranstaltungsorte herantritt.

 

  1. Denke an Dein ideales Publikum

Weshalb dieses Programm und warum jetzt? Für wen gestaltest Du es? Wen hoffst Du damit zu erreichen? Richtest Du es an Leute, die weitgehend mit solchen Stoffen oder ihrer Form vertraut sind, oder an Menschen, die keine Vorkenntnisse über diese Art von Arbeiten haben? Wie wird dieses Programm den Künstlern, die es vorstellt, helfen?

 

  1. Erforsche Dein existierendes Publikum

Das kann viele Formen annehmen, aber es wäre sinnvoll (a) bereits bestehende Zuschaueruntersuchungen und/oder einschlägige Einspielergebnisse zu finden und auszuwerten und (b) eine Befragung des Publikums, das Deine Vorführungen besucht, durchzuführen. Verkaufe letzteres dem Kinomacher als Zusatznutzen – nämlich, dass die Filmvorstellung auch in einem zweckdienlichen Sinn als Mittel zur Publikumserschließung fungieren kann. Künstlerische Filmarbeiten mögen zwar keine direkte Anziehungskraft auf den Kinomacher ausüben, doch die Aussicht auf neue Zuschauerschichten sollte es schon. Falls Du mit dem Veranstaltungsort zusammenarbeiten kannst, schlage vor, Deine Untersuchung in die Veranstaltung des Kurzfilmprogramms einzubinden, so dass die Zuschauer gleich ein Beispiel zum Mitmachen haben. Wer kommt zu was? Warum kommen sie? Ist das Verhalten vorhersehbar? Was würde sie überzeugen sich mehr Kurzfilme anzuschauen? Kommt jemand nur einmal und dann nie wieder?

 

  1. Erkunde das Publikum, das Du noch nicht hast

Du kannst Dich an diejenigen wenden, die bereits Interesse an Alternativ-/ Kurzfilm-Programmen gezeigt haben, aber damit wird kein neues Publikum erreicht. Denke vielmehr allgemeiner: welche Arten von Menschen leben und arbeiten in der Nähe – und welche von ihnen besuchen das Kino am betreffenden Ort nicht? Warum nicht? Wen würde der Kinomacher gerne anlocken und wie denkst Du, dass Deine Programme dabei helfen könnten? Thematische Programme eignen sich dafür besonders gut, denn sie erfordern keine Fokussierung auf die formale Gestaltung oder die Hintergründe der Arbeiten selbst, was oftmals für ein nicht spezialisiertes Publikum irritierend und hermetisch unzugänglich anmutet. Es könnte sich sogar lohnen, ganz von Begriffen wie ‚Künstlerfilm‘ oder ‚experimentelle Animation‘ Abstand zu nehmen – Begriffe, die für die Sache der Publikumserschließung nachteilig sein können.

 

  1. Denke an Kooperationen

Vereinbare Partnerschaften mit lokalen oder regionalen Organisationen, deren Profil und/oder Reichweite helfen könnten. Erwäge gemeinsame Ereignisse mit Partnern, da sie dem Publikum signalisieren, dass es sich lohnt, teilzunehmen (weil mindestens zwei Organisationen dies sagen). Und: Beschränke Dich nicht nur auf Organisationen. Wenn Du Schlüsselpersonen einbinden kannst, die bereit sind, bei der Bewerbung Deiner Veranstaltung zu helfen – vielleicht für ein (sinnvoll ausgegebenes) Honorar – kann dies oft einen großen Unterschied machen. Mundpropaganda ist einflussreicher als jede andere Form der Werbung.

 

  1. Werbung

Denke sorgfältig über Werbung nach. Bist Du zufrieden, dass die ausleihenden Veranstalter ganz die Werbung für Dich übernehmen? Auch unter den angenommenen Umständen, dass es nur eine kleiner Bestandteil in einem ansonsten überfüllten Monatsprogramm ist, das hauptsächlich, wenn nicht komplett, aus Mainstream-Spielfilmen besteht? Wenn Du dazu in der Lage bist, erwäge, Deine eigene Werbung herzustellen und den Veranstaltern zu schicken, damit sie es ihren hauseigenen Materialien beilegen.

Eine unverwechselbare Gestaltung wird helfen Dein Projekt herauszuheben. Mache es den Veranstaltungsorten nicht nur leicht, Deine Vorführungen zu bewerben, mache es ihnen unmöglich dies nicht zu wollen! Die Präsenz in Sozialen Medien und eine engagierte Kampagne helfen auch. Diesbezüglich lohnt es sich zu berücksichtigen, dass im Unterschied zu Printmedien dort oft ein anderer Informationsweg eingeschlagen wird: das Publikum schaut erst beim Veranstaltungsort nach, um Dein Programm zu beurteilen. Also, während es sinnvoll ist mit Deinen eigenen Kanälen in den Sozialen Medien das Fachpublikum, das Du erreichen kannst, zu kontaktieren, solltest Du darüber nachdenken, wie Du es dem Veranstaltungsort so einfach wie möglich machst, sich an Deiner Stelle beim allgemeinen Publikum einzusetzen

 

  1. Mache es zu einem Ereignis

Erwäge vom bekannten Format der Filmvorstellung zum Format eines Events zu wechseln. Mache die Veranstaltung zu einem Erlebnis. Wie kann man aber gewährleisten, dass es an jedem Veranstaltungsort funktioniert? Helfe dem Kinomacher die Filmvorstellung in etwas Besonderes zu verwandeln: seien es Getränkeangebote in der Bar, die Leute dazu animieren, zu bleiben, oder etwas Live-Musik, ein Rundgang mit Filmemachern oder Kuratoren, eine Publikumsdiskussion oder eine Frage-und-Antwort-Runde mit einem Künstler. Finde Wege zu signalisieren, dass dies etwas Besonderes ist und nur an einem einzigen Abend stattfindet. Berücksichtige, dass harte Kosten wie Künstlerreisen und Unterbringung unweigerlich von Dir gedeckt werden müssen (wobei manche Veranstaltungsorte günstige Vereinbarungen mit lokalen Hotels haben, was sich zu erfragen lohnt), es aber viele Maßnahmen gibt, wie etwa Getränke-Promotions, die nichts kosten müssen.

 

  1. Zuschauererschließung ist ein langwieriger Prozess

Es braucht viel Zeit, um neue Publikumsschichten zu erschließen, besonders für Filme, die als ’schwierig‘ gelten, unbekannt und anders oder schwer zu beschreiben sind. Zuschauer können übervorsichtig sein, und sind oft nicht bereit sich auf etwas einzulassen, das aus heiterem Himmel unerwartet als einmaliges Ereignis daherkommt. Dies gilt auch für Kinomacher. Wenn möglich, sollte man eine gewisse Stetigkeit anbieten – nicht notwendigerweise ein monatliches Programm, aber eine Präsenz für alternative Programme, die eine konkrete Form haben und anfangen sich im Bewusstsein des Publikums zu verankern. Schlage ein erstes Programm als Pilotprojekt vor und sichere es mit einem Entwicklungskonzept für weitere Filmvorstellungen und Events ab. Wenn das Publikum fühlt, dass es etwas ist, das der Veranstaltungsort selbst schätzt, sind sie eher bereit, dies auch zu tun.

 

  1. Nachhaltigkeit

Versuche die Projekte nachhaltig zu machen. Kannst Du Dir Mittel und Wege vorstellen, wie Veranstaltungsorte wiederholt Zuschauer als Stammgäste gewinnen können? Bezahle die Künstler ordentlich, biete ihnen, wenn möglich, die Teilnahme an Diskussionen an und zolle ihnen Anerkennung in Deinen Publikationen. Diese Aufmerksamkeit wird in Zukunft belohnt werden.

 

 

Schlüsselfragen

 

Warum ist dieses Programm wichtig? Es muss klar sein, warum Du das überhaupt wolltest und was Du Dir davon erwartest. Überlege was Du erreichen willst und wie Du, davon ausgehend, es einem potenziellen Publikum vermitteln wirst.

 

Warum sollte dieser bestimmte Kinomacher es buchen? Kuratoren sollten sich in die Denkweise der Kinomacher versetzen. Die erfolgreichsten externen Programmmacher sind hartnäckig und dickhäutig.

 

Was sagt es aus und wie tut es das? Überlege im Umgang mit Kinomachern – aber auch mit dem Publikum, zumindest bis man es für sich eingenommen hat – ob eine grobe Vereinfachung des Programms und der beteiligten Filmemacher, hilfreich sein kann, auch wenn sich diese Darstellung für Dich reduktiv anfühlt. Mit welchen universellen oder aktuellen Themen kann das Programm verknüpft werden? Wie weit kannst Du das Programm auf seine wesentlichen Bestandteile ‚herunterkochen‘ ohne seinen künstlerischen Gehalt aus den Augen zu verlieren?

 

Wer sollte zur Vorstellung kommen? Der Mangel an Sichtbarkeit alternativer Formen ist der Hauptgrund, weshalb es so schwierig ist, alternative Arbeiten zu präsentieren. Wie bereits ausgeführt: Was bleibt noch als Attraktion um Zuschauer zu gewinnen, wenn anzunehmen ist, dass sie über keine Vorkenntnisse über die Filme und ihre Macher verfügen oder gegebenenfalls überhaupt nicht mit künstlerischen Filmen und experimentellen Animationsfilmen vertraut sind? Wie kann man jene überzeugen, die sich abschrecken lassen,  von denen Du aber das Gefühl hast, dass sie mit Gewinn an einer Filmvorstellung teilnehmen könnten?

 

 

Einige Schlussfolgerungen

 

So wie es nicht nur die eine Fragestellung gibt, nach der Tourprogramme mit künstlerischen Filmen und experimentellen Animationen gestaltet, wie sie vorgestellt werden oder wie viel sie kosten, so gibt es offenkundig auch nicht die eine Lösung der Probleme bei ihrer Umsetzung und Verbreitung. Die Errichtung eines festeren Fundaments für diese Art von Arbeiten hängt zum Teil von der Basisarbeit der einzelnen Kuratoren und Kinomacher und zum Anderen von der Branche selbst ab. Auf der branchenweiten Ebene sind angemessene Förderungen, Sichtbarkeit und Ausbildung auf dem Gebiet des unabhängigen und experimentellen Films erforderlich, damit das Gleichgewicht fairer auf jene Aktivitäten verschoben wird, die sich nicht in der Manier des kommerziellen Kinos finanzieren lassen. Insofern unbestritten ist, dass der alternative und unabhängige Film gefördert werden muss, um überhaupt hergestellt und verbreitet zu werden, dann ist auch klar, dass ein großer Teil der existentiellen Probleme mit denen diese Arbeiten konfrontiert sind von strukturellen Widersprüchen und hausgemachten Ungereimtheiten über ihren Status rühren, was in Großbritannien ganz konkret auf die Politik von Förderinstitutionen zurückverfolgt werden kann.

 

Die Trennung zwischen ‚film‘ und ‚visual arts‘ und ihre Anwendung durch den Arts Council England und mehreren Generationen an Filmförderinstitutionen, die kamen und gingen, ist mit Abstand der einflussreichste Faktor für die Situation, in der wir uns jetzt befinden. Kuratoren befinden sich in einer Lage, in der sie mit immer mehr List die Abgrenzungen dieser Träger und Verwaltungen umgehen müssen, indem sie die Stärken jedes einzelnen Projekts den strategischen Prioritäten der Förderer entsprechend ausspielen.

 

Aus den Umfragen und den Interviews der Studie geht hervor, dass die Kuratoren viel mehr tun könnten, um sich klar und überzeugend mit den Kinomachern zu verständigen, und, dass die Kinomacher weiter gehen könnten, in dem sie die Vorteile für die Publikumsgewinnung – ganz zu schweigen von der programmatischen Diversifikation – erkennen, die sich aus der Präsentation von künstlerischen und experimentellen Filmen ergeben.

 

Wenn Filmveranstaltungen dieser Art gedeihen sollen, muss die Verbindung zwischen dem Spielfilmeinheitsstandard und Tourprogrammen mit Kurzfilmen aufgelöst werden, und es muss für ihren Wert als eine hilfreiche Leistung eingetreten werden, die in der Erschließung neuer und zuvor unerreichbarer Zuschauersegmente und der Etablierung neuer und einzigartiger Partnerschaften besteht. Dies erfordert von Seiten der Kinobetreiber eine gewisses Maß an Aufgeschlossenheit. Es wird aber hauptsächlich den Kuratoren die Aufgabe zufallen, die Filmarbeiten, denen sie zum Erfolg verhelfen wollen, wirksam zu ihrem Ausdruck zu verleihen und so zu verbreiten, dass der Schwellenwert überschritten und eine kritische Masse erreicht wird.

Adam Pugh ist Autor, Designer und Kurator mit Sitz in Norwich, UK, http://adampugh.co.uk


¹Animate Projects

Animate Projects wurde 2007 von Abigail Addison und Gary Thomas gegründet und arbeitet seither mit über 100 Animatoren, Filmemachern und Künstlern zusammen, um außergewöhnliche und preisgekrönte Arbeiten zu schaffen.

Die Organisation kooperiert mit einer Reihe von Partnern in einer Vielzahl von Zusammenhängen – und in der Einbindung von Zuschauern in Galerien, Kinos, Museen, öffentlichen Räumen, Online und im Fernsehen. Zu den Partner gehören Wellcome Trust, The Photographers’ Gallery, QUAD Derby, Channel 4, Vivid Projects Birmingham, Art on the Underground, Phoenix Leicester, BFI Southbank, Flatpack Festival Birmingham, London Sinfonietta, FACT Liverpool and the National Trust. Von Animate Projects in Auftrag gegebene Arbeiten haben zahlreiche Auszeichnungen erhalten – unter anderem bei den British Animation Awards, den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen und beim Chicago Underground Film Festival.
URL: www.animateprojects.org

 

²Move It

„Move It“ war eine Initiative von Animate Projects rund um das Zeigen und Sehen unabhängiger, experimenteller Animationsfilme. Im Jahr 2016 bot das Projekt folgende vier neue Tourprogramme an:

GBA: Great British Animation mit einer Auswahl aus 25 Jahren Preisträger der McLaren Awards beim Edinburg International Film Festival.

Parts & Labour: eine internationale Auswahl an innovativen Arbeiten von Animatoren und Künstlern.

Colour Box: Animationsfilme für junge Leute, kuratiert vom Flatpack Film Festival

Document Differently: animierte Dokumentarkurzfilme, kuratiert von Animated Documentary.

Die Federführung von „Move It“ lag bei Animate Projects in Kooperation mit QUAD Derby, the Centre for the Moving Image, Edinburgh, FACT Liverpool, Tyneside Cinema and Gallery and Dundee Contemporary Arts..
URL: www.moveit.org.uk