Digitale Optionen für den Eigenvertrieb von Kurzfilmen – eine Übersicht

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Digitale oder digitalisierte Filme online zu vermarkten und zu vertreiben ist heute technisch kein großes Problem mehr, da man auf Erfahrungen mit Video- und Einreichplattformen zurückgreifen kann. Die Tools, mit denen Filme via Internet Protocol angeboten werden können, sind weit verbreitet und fast überall verfügbar.

Inzwischen gibt es auf diesem Gebiet auch spezialisierte Unternehmen und Plattformen, die verschiedene Leistungen anbieten und unterschiedliche Konzepte verfolgen. Von Do-it-yourself bis zum Full-Service ist der Eigenvertrieb von Kurzfilmen im Internet deshalb in vielen Varianten möglich geworden.

 

Der erste Schritt: das digitale Portfolio

Die einfachste Form der Online-Vermarktung ist die Einrichtung einer eigenen Website. Viele Filmemacher nutzen diese Möglichkeit bereits und haben Internetseiten eingerichtet, auf denen sie sich und ihre Werke vorstellen. Typischerweise bestehen solche Seiten aus einem Verzeichnis der Filme mit Inhaltsangabe, Stabangaben und Abbildungen oder einem Trailer – ergänzt durch eine Biographie und eine Liste der Festivalteilnahmen. Gegebenenfalls auch die Wiedergabe von Kritiken und die Nennung von  Auszeichnungen, die ein Film bekommen hat, sowie andere Referenzen.

Dies ist im Grunde eine digitale Version des Modells Portfolio oder Arbeitsmappe, wie es zum Beispiel bei Bildenden Künstlern üblich ist. Man zeigt seine gesammelten Arbeiten und hofft, dass sich jemand dafür interessiert. Eine solche Website ist allerdings nur ein erster, kleiner Schritt zum Vertrieb. Viel mehr als einen Trailer oder eine Version in niedriger Auflösung als Teaser wird man der Netzöffentlichkeit nicht preisgeben wollen. Wenn sich auf diesem Weg ein Interessent oder Käufer gefunden hat, muss man seinen Film dann anschließend in guter Qualität an den Abnehmer übermitteln können.

Einen Film in voller Länge auf die eigene Homepage oder gar bei YouTube einzustellen kann zwar der Promotion dienen, ist aber für professionelle Vertriebsgeschäfte kontraproduktiv und meist qualitätstechnisch nicht ausreichend. Um einen Film als Screener für potentielle Käufer bereit zu halten, ist es eleganter ihn auf einer Cloud-Computing-Platte zu speichern. Damit entlastet man den eigenen Server und kann den Zugang über eine Verschlüsselung kontrollieren und bei Bedarf individuell freigeben. Wem auch das zu aufwändig oder umständlich ist, kann die Übermittlung komplett auslagern: Ähnlich den Kurierdiensten in der realen Welt bieten Medienexpress-Firmen die digitale Zustellung und deren Verwaltung als Dienstleistung an.

Eine weitergehende Option bieten Verkaufsplattformen wie CreateSpace, von denen Filme nach selbst festgesetzten Preisen zum Download oder als DVD-on-Demand angeboten werden können. Die Lieferung und Abrechnung übernimmt – gegen eine prozentuale Kommission – der Plattformbetreiber. Im Falle von CreateSpace gibt es, da es ein Tochterunternehmen von Amazon ist, noch den Vorteil automatisch beim Mutterkonzern und beim Schwesterunternehmen IMDb gelistet zu werden.

Damit werden im Vergleich zur traditionellen Verwertungskette Verleih oder Vertrieb übersprungen. Der Filmhersteller erreicht als Einzelkämpfer potentielle Endverbraucher direkt. Von Nachteil ist allerdings, dass mit dieser Methode die Branche nicht erreicht wird. Außerdem wollen oder können viele Filmemacher nicht „šnebenher‘ auch noch als ihr eigener Vermarkter auftreten. Auch hierfür gibt es online professionellen Beistand.

Eine Zwischenstufe zwischen Selbstvermarktung und Auftragsvertrieb bilden Plattformen ohne aktiven Vertrieb, die aber mit der Szene und der Branche gut vernetzt sind. Häufig sind es Festivaleinreichplattformen, die diesen Sektor für sich zu entdecken beginnen und Filmmarkt-Funktionen implementieren.

In diese Richtung geht zum Beispiel Withoutabox, allerdings nicht selbst, sondern durch Weiterleitung an die bereits genannte Plattform CreateSpace. Beide Unternehmen gehören schließlich zum Amazon-Konzern. Diese Branchenriesen – CreateSpace vertreibt auch E-Books für große Verlage – sind aber wohl eher für den Direktvertrieb von DVDs konventionell-populärer Filme interessant. Ob auch unabhängig produzierte und künstlerische Kurzfilme vom Angebot der Amazon-Unternehmensgruppe im Sinne des Long Tail Effekts profitieren können, ist zumindest eine offene Frage.

Unter den spezialisierten Kurzfilmplattformen ist in Deutschland (aber mit internationaler Reichweite) Reelport eine Option. Die Einreichplattform bietet nämlich auch einen separaten Bereich für den Filmhandel an. Für Reelport selbst ist dies eine Möglichkeit Mehrwert aus dem Aufwand für die Speicherung des stetig wachsenden Pools tausender Festival-Sichtungskopien zu schlagen. Für Einkäufer sind die große Auswahl und Suchfunktionen solcher Plattformen von Vorteil. Und für Filmemacher, die bereits Reelport nutzen, um ihre Filme bei Festivals einzureichen, verursacht es keinen großen Mehraufwand den Film auch zum Vertrieb im virtuellen Filmmarkt anzubieten. Als zusätzliche Dienstleistung bietet Reelport außerdem Käufern an, im Auftrag der Hersteller, die Rechte auszuhandeln. Die Gestaltungsmöglichkeiten der Präsentation des eigenen Films oder Portfolios sind aber eingeschränkt.

Ähnlich arbeitet Spotrights in Japan. Spotrights.jp ist der einzige Online-Filmmarkt in Japan und hat sich aus dem Filmmarkt des Sapporo Kurzfilmfestivals entwickelt. Die Plattform verwaltet mit mehr als 6.000 Titeln inzwischen weit mehr Filme als die Einreichungen zum Festival in Sapporo. Filmemacher können auf dieser Plattform ihr Portfolio mit Hilfe von Administrationstools selbst verwalten. Festivals bietet die Spotrights – ähnlich Reelport – die Abwicklung von Filmeinreichungen an. Einkäufer können Filme recherchieren und online sichten, sich über Rechte informieren und mit den Anbietern in Kontakt treten. Außerdem bietet Spotrights die persönliche Beratung bei Verhandlungen mit japanischen Filmemachern an. Die Plattform ist auf Japan und andere asiatische Länder spezialisiert, steht aber auch internationalen Filmen offen.

 

Auf dem Weg zur Full Service Vertriebsplattform

Der neueste Trend sind spezialisierte Plattformen, die anders als die datenbankähnlichen Einreichplattformen, verfeinerte und individualisierte Präsentationsmöglichkeiten bieten. Ein Pionier auf diesem Gebiet ist der australische Filmemacher Andrew Goode mit seinem Unternehmen Short Film Central. Die schon seit Jahren bestehende Plattform wurde kontinuierlich weiterentwickelt. Filmemacher können dort ihr Portfolio hochladen und den Preis, die Lizenzbestimmungen und die Vertriebsform ihrer Filme selbst festlegen. Die Plattform hat Kontakte und Schnittstellen zu Festivals, Einkäufern, Produzenten und Vertrieben.  Außerdem bietet Short Film Central den Direktverkauf von DVDs an. Alle Verkäufe werden von Short Film Central abgerechnet und überwacht, für den Versand und die Lieferung ist aber der Filmemacher noch selbst zuständig.

Noch einen Schritt weiter geht Ouat Media. Das 2006 in Toronto, Canada, gegründete Unternehmen versteht sich als Multiplattform Content Aggregator. Von Haus aus schon lange im Vertriebsgeschäft, kümmert sich Ouat Media aktiv um den Verkauf von Filmen. Als Content-Aggregator bedient das Unternehmen nicht nur die „šklassischen‘ Kanäle wie Kino und Fernsehen, sondern auch die neuen Märkte im Internet- und Mobilsektor. Anders als die meisten oben genannten Plattformen, muss man aber seinen Film einreichen, das heißt Ouat Media wählt aus, was für den Vertrieb interessant erscheint. Einmal aufgenommen, ist dies ein Vorteil, insofern Einkäufer mehr Vertrauen in solche Unternehmen haben als in Plattformen, auf denen jeder Film automatisch aufgenommen wird. Ouat Media arbeitet damit nach dem klassischen Vertriebsmodell und ist keine Selbstvermarktungsplattform. Im Spektrum der Möglichkeiten ist dieses Modell am Weitesten vom Do-it-yourself-Vertrieb entfernt.

 

Alternativen

In vielen Ländern stellen sich zurzeit Unternehmen, aber auch nicht-gewerbliche Initiativen und Organisationen mit Online-Vertriebsangeboten auf. Viele davon befinden sich noch in den Anfängen, wie etwa Marvin&Wayne in Spanien. Andere Projekte, auch von Filmemachern und Filmgruppen, sind im Entstehen begriffen.

Statt auf die ideale Online-Vertriebsplattform für Kurzfilme zu warten, die es vielleicht nie geben wird, können alternativ die Leistungen verschiedener Plattformen kombiniert werden. So gibt es bereits heute viele interessante Initiativen, die bestimmte technische oder inhaltliche Bereiche abdecken und modular für den Online-Vertrieb von Kurzfilmen genutzt werden können.

In Deutschland und Europa gibt es zum Beispiel einige Projekte, die sich der Dienstleistungen der Onlinefilm AG bedienen. Mit Hilfe der Onlinefilm AG wurde unter anderem das Arabshorts.net eingerichtet (siehe unser Bericht vom März 2010). Derzeit in Entwicklung ist auch eine Internetseite, die in den Webauftritt der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen eingebettet wird. Dort sollen in Zukunft Filme, die auf dem Festival liefen, als Video-on-Demand angeboten werden.

Die Onlinefilm AG entstand ursprünglich als Initiative der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm, um die Verbreitung von deutschen Dokumentarfilmen zu unterstützen. Onlinefilm AG kooperiert mit dem deutschen Kulturserver, der auf seinem Kulturportal übrigens auch eine öffentliche und offene Filmdatenbank anbietet. Für den Kulturserver wurden in Kooperation mit Onlinefilm AG Software-Module entwickelt („CultureBase“). Darunter befinden sich auch Module, die eine Administration durch die Nutzer selbst erlauben. So können offene Präsentationsplattformen genau so bespielt werden, wie Projekte mit redaktionell genau definiertem Content oder geschlossene Bereiche, die nur für den B2B Sektor erstellt wurden.

Vielerorts sind außerdem Plattformen in der Entwicklung, die sich auf andere Bereiche des Filmvertriebs spezialisieren. In Wien entsteht zum Beispiel die Community-Plattform Filmtiki, die sich auf die Online-Vermittlung zwischen Filmemachern und Publikum, aber auch Projektfinanzierung und DIY-Marketing spezialisiert. Kernstück ist ein Online-Diagnose-Tool zur Bestimmung der passenden Online- als auch Offline-Vermarktungs- und Distributionskanäle.

 

Mehr Möglichkeiten, aber auch mehr Aufwand und Arbeit

Ein Vorteil der Digitalisierung ist die Option als Filmemacher oder Produzent auf traditionelle Vertriebsstrukturen verzichten zu können und den Vertrieb seiner Filme – wie bei der Produktion – selbst in die Hand zu nehmen und zu kontrollieren. Doch der Eigenvertrieb ist nicht einfach und sehr arbeitsaufwändig.

Angesichts der Vielfalt der Vertriebskanäle, der Zielgruppen und der sich ständig ändernden technischen Möglichkeiten, ist für den einzelnen Produzenten oder Filmemacher eigentlich die Kombination verschiedener Vertriebswege und Partner zu empfehlen. Ein guter Anfangspunkt für die Entwicklung einer passenden Strategie ist zunächst einmal die Aufteilung nach typischen Rechtekategorien, die wiederum Teilmärkten entsprechen. Üblicherweise wird unterschieden in Filmtheaterrechte (gewerblich und nicht-gewerblich), Fernsehen, DVD und VOD beziehungsweise Streaming. Für jeden dieser Bereiche könnte man sich einen eigenen, spezialisierten Vertriebspartner wählen. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass nicht einem Partner die territorialen und sektoralen Exklusiv-Rechte übertragen werden. Einzelne Bereiche, über die man nicht genügend Wissen verfügt, können dann immer noch professionellen Vertriebsunternehmen anvertraut werden.

Auch technisch sind einige Hürden zu nehmen. Für jeden der genannten Lizenzbereich gelten spezifische technische Normen und Qualitätsstandards. So genügt, zum Beispiel, für die Verbreitung auf DVD oder Internet-Streaming eine Auflösung von 720 Pixel, aber schon nicht mehr für Blu-Ray. Und die Auflösung ist nur ein Parameter unter vielen bei der Digitalisierung. Zu beachten sind auch unterschiedliche Anforderungen bezüglich Kompressions-Codecs oder Bittiefe und anderes Technische Innovationen helfen eben nur, wenn man auch weiß wie man sie optimal nutzen kann.

Viel höhere Anforderungen als DVD oder VOD stellen Fernsehen und Kino. Selbst, wenn man eine der oben genannten professionellen Server und Plattformen nutzt, sollte man mit den technischen Parametern wenigstens so weit vertraut sein, dass man beurteilen kann, ob die dort angebotene Bandbreite, Digitalisierungsqualität, verwendete Codecs etc. passen und auf dem aktuellen technischen Niveau sind. Da ein und derselbe Film in jeweils verschiedenen Formaten ausgegeben werden muss, ist der Aufwand dann doch beträchtlich.

Im Low-Budget- und Kurzfilmbereich lohnt die digitale Selbstdistribution – mit technischer Unterstützung durch entsprechende Plattformen – am Ehesten beim Direktvertrieb als Electronic Sell Through (Download-to-burn oder VOD), da beim Direktverkauf die Marge höher ist, also am Ende mehr Geld beim Filmemacher bleibt als über Zwischenhändler. In diesem Bereich können durch zielgruppen-spezifisches Vermarkten die eigenen Filme gut lanciert und Streuverluste vermieden werden.

 

Strukturwandel auch beim klassischen Vertrieb

Die Do-it-yourself-Distribution wird gelegentlich als Demokratisierung des Vertriebs gefeiert. Dabei wird leicht übersehen, dass die Hierarchisierung und Arbeitsteilung beim traditionellen Filmvertrieb gute Gründe hat. Denn, um Filme erfolgreich zu vermarkten bedarf es detaillierter Marktkenntnisse und guter Branchenkontakte, die sich nicht jeder Filmemacher schnell einmal nebenher aneignen kann.

Auf digitale Vertriebswege muss man auch bei der Einbeziehung traditioneller Vertriebe nicht verzichten. Natürlich nutzen heutzutage auch Vertriebe, die nicht für Selbstvermarktung und Eigenvertrieb offen stehen, inzwischen digitale Techniken. So hat die Kurzfilmagentur Hamburg eine Online-Vertriebsdatenbank eingerichtet und bietet im Publikumsbereich Filme als Download-to-burn an, während im Verleihsektor den Kinos Digital Cinema Packages zum Versand auf Festplatten oder zum Download bereitgestellt werden (vgl. auch den Bericht über entsprechende Aktivitäten der Agence du court-métrage in Frankreich).

Die Zeiten in denen ein Film fertig ist, wenn er beim Kopierwerk abgeliefert wurde und überall vorführbereit ist, wenn er das Kopierwerk verlässt, sind für immer vorbei.

 

„Gelbe Seiten“
Einige Links zum Thema (die Nennungen stellen keine Geschäftsempfehlungen dar;-)

Dieser Text basiert auf einem Artikel, der im Short Report 2010 der AG Kurzfilm erschien.

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