Future Shorts – die internationale Verbreitung eines Veranstaltungsmodells als Franchise-Marke

In diesem Frühjahr wurde durch eine Gegendarstellung auf der deutschen Internetseite von Future Shorts eine Auseinandersetzung in der deutschen Kurzfilmszene publik, in deren Mittelpunkt die Praktiken der Future Shorts Initiative stehen. Konkreter Anlass war ein Kurzfilmprogramm, das Future Shorts Deutschland hiesigen Kinos und anderen Veranstaltern anbot. Zum Future Shorts Programm gehörten Filme, die beim renommierten Deutschen Kurzfilmpreis ausgezeichnet wurden und an denen deutsche Verleihe und Vertriebe wie die Kurzfilmagentur Hamburg und interfilm Berlin teils exklusive, teils nicht-exklusive Filmtheaterrechte halten.

Die Initiative von Future Shorts überschnitt sich zeitlich mit der offiziellen Tournee „Deutscher Kurzfilmpreis unterwegs“, die von dem nationalen Kurzfilmverband AG Kurzfilm in Kooperation mit der Kurzfilmagentur Hamburg und dem Bundesverband kommunale Filmarbeit gestartet wurde. Zum Tourneeprogramm gehören auch die sechs Filme, die von Future Shorts – allerdings nur auf DVD – zum Abspiel angeboten wurden.

Damit gab es nicht nur ein Konflikt über Lizenz- und Aufführungsrechte, sondern auch ganz allgemein eine Auseinandersetzung über verschiedene Modelle und Geschäftspraktiken bei der Verbreitung von Kurzfilmen. Insofern dies kein Einzelfall ist, und, weil Future Shorts inzwischen international auftritt, nehmen wir den Fall zum Anlass das Projekt Future Shorts einmal etwas detaillierter vorzustellen.

Gegründet von Filmemachern und Kurzfilmanhängern begann Future Shorts 2003 in London einzelne Kurzfilmevents mit Party-Charakter zu veranstalten. Das Konzept unterhaltsame Filme in beliebten Clubs und Szenelokalen – meist in Verbindung mit Shows und Auftritten von Bands oder DJs – zu zeigen war sehr erfolgreich. Future Shorts verbreitete das Modell der Filmveranstaltungen mit Eventcharakter für ein überwiegend jugendliches Publikum bald landesweit. Die Filmvorführungen finden in der Regel im Rahmen anderer Events, wie zum Beispiel Film- oder Musikfestivals, statt. Parallel versuchte Future Shorts monatlich wechselnde Kurzfilmprogramme auch auf die Leinwände von Filmtheatern zu bringen.

Future Shorts Programme bestehen aus einem bunten, abwechslungsreichen Genre-Mix aus Animations-, Spiel- und Dokumentarfilmen. Obwohl bei Future Shorts jedermann Filme einreichen kann, gehören zum Repertoire doch überwiegend Filme, die bereits Preise erhalten haben oder zuvor auf renommierten Festivals ausgezeichnet wurden. Vertreter von Future Shorts bereisen inzwischen auch Festivals, um dort direkt Filmemacher anzusprechen und zur Teilnahme einzuladen.

Sehr früh begann die Future Shorts Ltd., eine britische Firma mit Sitz in London, ihre Aktivitäten auch ins Ausland auszudehnen und international anzubieten. Diese Aktivitäten werden durch die Kooperation mit lokalen Partnern und von Sponsoren unterstützt. In einer aktuellen Selbstdarstellung spricht Future Shorts von 30 Standorten („sites“). Über das formale Verhältnis zwischen der Zentrale in London und den regionalen Future Shorts Dependancen sowie dem rechtlichen Status dieser Gruppierungen gibt es keine öffentlich zugänglichen Informationen.

Transparenter beziehungsweise offensichtlicher sind die Geschäftsbeziehungen zu Sponsoren, wie in der Vergangenheit etwa Stella Artois, oder zu Marketingpartnern, wie Nokia oder Seagate, mit denen Wettbewerbe oder Werbekampagnen veranstaltet werden. Ein Beispiel ist die Werbekampagne von Seagate: Käufer eines mobilen Laufwerks erhalten gratis ein frei wählbares Kurzfilmpaket aus dem Future Shorts Repertoire.

Heute besteht Future Shorts im Wesentlichen aus den Geschäftsbereichen: Abspiel, Verleih, Vertrieb und neuerdings auch Produktion. Hierzu gehören Veranstaltungen in Kinos, das Online-Angebot auf einem eigenen YouTube-Channel und der Verkauf von Filmen auf DVD. Außerdem empfiehlt sich Future Shorts noch unter dem Label „Future Cinema“ als Event-Dienstleister.

Im Bereich Abspiel (exhibition) betont Future Shorts gegenüber den Filmemachern es handele sich um eine nicht-gewerbliche Initiative (non profit initiative). Das Ziel sei es für den Kurzfilm ein möglichst großes Publikum zu gewinnen. Demnach werden Filmemachern auch Verträge angeboten, die nur die Abgabe der Aufführungsrechte, aber keine Gegenleistung wie die Zahlung von Lizenzgebühren vorsehen. Die Nichtgewerblichkeit endet aber spätestens an der Kinokasse. Denn selbstverständlich wird Eintritt erhoben und müssen die Kinobetreiber das Programm bezahlen.

Zum Konzept gehört ein monatlich wechselndes Programm, das landesweit in Partnerkinos läuft. Hierbei arbeitete Future Shorts mit der Kinokette Picturehouse zusammen. Aktuell gibt es aber nur noch gelegentliche Aufführungen in einzelnen Arthouse Kinos. Der monatliche Programmwechsel wurde beibehalten, doch finden in vielen Ländern die Vorstellungen nicht in Kinos, sondern als „šFestival‘ bezeichnet in Clubs und anderen Event Locations statt.

Die Kurzfilmprogramme werden in der Regel nicht auf Film, sondern auf DVD geliefert. Hierfür wird ein Pauschalpreis erhoben – gelegentlich auch ein prozentualer Anteil, wenn die Einnahmen die Mindestgarantie übersteigen. Also, eine Praxis, die einer ganz normalen gewerblichen Kinoauswertung entspricht. Gleichwohl bewertet Future Shorts diese Vertragsbeziehungen anders. Zumindest in Deutschland wird die Position vertreten es handele sich nicht um einen Verleih oder eine kommerzielle Auswertung von Filmen, sondern um die Veranstaltung eines Festivals (das quasi gegen Gebühr ausgeliehen wird). Anders als im traditionellen Verleihgeschäft üblich werden die Veranstalter nämlich auch verpflichtet, Werbung der Sponsoren zu präsentieren. Insbesondere gibt es aber Auflagen in Bezug auf die Präsentation der Marke „Future Shorts“.

Future Shorts bezeichnet sich selbst als „Label“ – in Anlehnung an Labels in der Musikbranche. Damit wurde ein branchenfremder Begriff gewählt, der weit genug ist, um alle möglichen Aktivitäten abzudecken ohne sich eindeutig festlegen zu müssen. Mithilfe des Labels als überspannender Schirm aller Veranstaltungen versucht Future Shorts den Festivalcharakter zu manifestieren.

2006 hatte Future Shorts während des Kurzfilmfestivals in Clermont-Ferrand einen weltweiten Vertrieb von Kurzfilmen aus dem Repertoire der Tourprogramme angekündigt. In der Folge wurden unter anderem DVDs herausgebracht und ein Vertriebskatalog veröffentlicht. Der aktuelle Katalog, Distribution Catalogue 2010, enthält mehr als 200 internationale Filmtitel. Darunter so aktuelle und erfolgreiche Filme wie „Please say something“ von David O’Reilly. Der Katalog gibt allerdings – anders als bei professionellen Vertrieben – keine Auskunft über die Art und den Umfang der Rechte, die Future Shorts an den Filmen hält. Es ist auch unklar, ob es sich dabei um einen Verleih- oder Vertriebskatalog handelt und an welche Abnehmer sich der Katalog eigentlich wendet.

In Großbritannien treten Vertreter von Future Shorts bei Branchenveranstaltungen meistens als zuständig für „Sales & Distribution“ auf. Die auf der Website von Future Shorts angekündigten Kooperationen mit Filmproduzenten, Studios und Fernsehanstalten, deuten auch in diese Richtung.

Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit mit der Werbewirtschaft bekannt gegeben und die Gründung von Future Shorts TV angekündigt. Neuerdings tritt Future Shorts auch als Produzent auf. So wurden vier Kurzfilme zum Launch eines neuen Samsung Mobiltelefons hergestellt. Diesen Geschäftsbereich bezeichnet Future Shorts als Consultancy.

Filme im Vertrieb von Future Shorts sind wegen dieser vielfältigen Aktivitäten auf praktisch allen Plattformen und Verbreitungskanälen (Kino, DVD, Internet) weltweit zu sehen. Inwieweit dies nur einzelne, kurzfristig erfolgreiche Projekte sind, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist auf jeden Fall, dass die Verbreitung im Internet weltweit sehr weit fortgeschritten ist. Laut Angaben in einem Bericht zum Jahr 2009 haben bereits mehr als 20 Millionen Menschen Future Shorts Kurzfilme auf FS YouTube angeschaut.

Aufgrund dieses Erscheinungsbildes und dem Bemühen von Future Shorts in allen nur erdenklichen Geschäftsbereichen tätig zu sein, könnte der Eindruck entstehen bei Future Shorts handele es sich um einen globalen Medienkonzern í  la Murdoch – oder vielleicht um ein Start-up-Unternehmen mit solchen Zielen. Spätestens bei solchen Überlegungen werden sich Filmemacher, die sich bei Future Shorts beteiligen, mit Recht die bange Frage stellen mit wem sie da einen Vertrag abgeschlossen haben und wo ihre Filme sonst noch weitervermarktet werden, ohne dass sie nur einen einzigen Cent dafür bekommen.

Das von Future Shorts selbst propagierte Modell sieht natürlich ganz anders aus. Man versteht sich als kollegiale, altruistische Initiative, die es mit innovativen Ideen schafft für den Kurzfilm ein großes Publikum zu gewinnen. Auch gelingt es Future Shorts zumindest gelegentlich und für kurze Zeit dem öffentlichen Auftritt eines Films oder Filmemachers etwas Glamour zu verleihen.

So mancher Filmemacher, der ja in erster Linie möchte, dass seine Filme gesehen werden, geht sicher gerne auf ein solches Angebot ein, auch wenn es keine Einnahmen bringt. Und um so eher, wenn die Alternative ohnehin nur darin besteht, das eigene Werk ins Regal zu stellen und abzuschreiben.

Falls es aber Alternativen zum Regal gibt, wird es jedoch problematisch. Denn für  einen Titel, der – wie bei Future Shorts – bereits weltweit auf YouTube zu sehen, ist, wird sich kaum noch eine Fernsehanstalt oder ein potentieller Video-on-Demand oder DVD-Käufer interessieren. Diesbezüglich schlägt aber auch das Geschäftsmodell von Future Shorts auf deren eigenen Vermarktungsmöglichkeiten negativ zurück. Denn, was nutzt ein Distribution Catalogue mit Filmen, die bereits weltweit kostenlos zu sehen sind oder über andere Verträge auf Leinwänden verbreitet wurden? Und was nützen einfache Verträge über nicht-exklusive Aufführungsrechte, wenn diese Verträge die wichtigsten Detailfragen aussparen. So sind Konflikte, wie jetzt in Deutschland, zwangsläufig die Folge. Auf solch wackeligen Grundlagen wird auch wohl kaum ein seriöser Rechtehändler, Einkäufer oder Filmtheaterunternehmen bereit sein zuzugreifen.

Besonders problematisch sind dabei Vertragsbeziehungen mit den jeweiligen nationalen Dependancen von Future Shorts. So ist zum Beispiel Future Shorts Deutschland bislang nur eine Privatinitiative – man könnte auch Briefkastenfirma sagen. Es gibt keine öffentlichen Hinweise auf eine gewerbliche oder nicht-gewerbliche Rechtsform und zur Zeit auch keine AGB. Das einzige Aushängeschild, die deutsche Future Shorts Internetseite, ist nur eine lokalisierte Versionen der britischen Webpräsenz des Unternehmens, das aber nur in England und Wales als Unternehmen registriert ist.

Den nationalen Initiativen ist allerdings zu Gute zu halten, dass sie wohl aus Engagement für die Sache handeln. Es sind Filmemacher und Leute aus der Kurzfilmszene, die sich von der Londoner Idee haben begeistern lassen. Und das ist ja nicht per se schlecht oder kritikwürdig, zumal die Programme von Future Shorts sich im Vergleich zu ähnlich agierenden Event-Veranstaltern auch noch qualitativ positiv abheben.

Das Problem ist wohl eher, dass hier eine non-konforme Grass-Roots-Initiative in einen Bereich vorstößt, in dem sie ab einer gewissen Größe und ab einer gewissen Aufmerksamkeitsschwelle von Gesetzen und Regeln umgeben ist, die sie nicht mehr so handhaben können, wie man es erwartet. So lässt sich vielleicht erklären, dass zum Beispiel Future Shorts Deutschland viel Wortakrobatik verwendet, um sich mal als nicht-gewerbliche „Marke“ oder „Festival“, aber nicht als „Verleih“ darzustellen, was dann spätestens in Verträgen oder Abrechnungen zu unauflösbaren juristischen Widersprüchen führt. Das dies Akteure verärgert, die für die gleichen Filme präzise Verträge mit Filmemachern geschlossen und Rechte erworben haben, ordentliche Filmabrechnungen erstellen, Steuern und Gebühren abführen etc., ist verständlich.

Dies wird regelmäßig passieren in Ländern, in denen es bereits eine Struktur für den Verleih und Vertrieb von Kurzfilmen oder eine Interessensvertretung der Filmemacher gibt. So ist es sicher kein Zufall, dass Future Shorts bislang nur in Ländern aktiv war, in denen es an solchen Strukturen mangelt. In dieses Bild passt auch umgekehrt, dass die Idee in Großbritannien geboren wurde.

Denn, obwohl das Produktionsvolumen und die Qualität von Kurzfilmen in UK sehr hoch sind, gibt es weder große internationale Kurzfilmfestivals noch Interessensvertretungen oder Organisationen für den Kurzfilm. Außerdem hat sich die öffentliche Kulturförderung in den letzten Jahren immer weiter aus der Förderung von Kurzfilmen zurückgezogen. Da ist es nicht verwunderlich, dass aus frustrierten kulturellen Initiativen heraus Firmen gegründet werden und dabei nicht nur zu neuen, sondern auch, vorsichtig ausgedrückt, unkonventionellen Geschäftsmodellen greifen. Man kann dies auch als eine Folge von Thatcherism und New Labour verstehen.

Was die jeweiligen nationalen Initiativen in anderen Ländern angeht, muss man sich allerdings fragen, ob sich hier nicht gut meinende Enthusiasten etwas allzu naiv auf ein großes Risiko eingelassen haben. Denn im Grunde arbeitet Future Shorts nach dem Franchise-Modell. Nach diesem betriebswirtschaftlichen System stehen die Franchisenehmer in einem Dauerschuldverhältnis gegenüber dem Franchisegeber. Sie müssen die Franchisepakete samt Marketingstrategie übernehmen, die sie dann gegen eine Franchise Fee, die an die Zentrale abzuführen ist, verkaufen dürfen. So ist es auch bei Future Shorts. Die wirtschaftlichen, aber auch rechtlichen Risiken oder steuerliche Folgen verbleiben dabei beim Franchisenehmer, in diesem Fall also den nationalen Dependancen.

Ob in einem solchen Geschäftsmodell auch die Interessen der Filmemacher gewahrt bleiben, ist zumindest zweifelhaft. Bei allem guten Willen die Sache nicht zu eng zu sein, bleibt doch unterm Strich, dass solche Organisationen zwar dazu beitragen, dass der Kurzfilm „šsichtbarer‘ wird, aber Einnahmen erwirtschaften, die sie nur dafür einsetzen ihre eigene Struktur zu finanzieren.

URLs:
http://www.futureshorts.com/

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