Filmfestivals, Kinos und die Krise

Thema

Der Aufwärtstrend bei den Produktionszahlen von Kurzfilmen ist weltweit ungebrochen. Festivals, wie die Kurzfilmtage Oberhausen, ergreifen bereits Maßnahmen, um den Ansturm der Einreichungen zu begrenzen, weil die Kapazitätsgrenzen bei Sichtung und Auswahl längst erreicht sind. Manche Langfilmfestivals nehmen aus dem gleichen Grund den Kurzfilm aus dem Programm oder stocken notgedrungen den Mitarbeiterstab auf. Dies belegt, dass die Erhöhung der Kurzfilmproduktion nicht nur der zusätzlichen Nachfrage und Verbreitungsmöglichkeiten im Internet geschuldet ist. Denn, der Ansturm zielt ja auf die Kinoleinwände.

Die Chancen mit einem Kurzfilm ins Kino zu kommen nehmen jedoch gleichzeitig ab. Das hat viele, sehr unterschiedliche Gründe und wirft Fragen auf. Wie und wo kommen heute Filme auf eine Kinoleinwand? Welche Hindernisse gibt es? Wie entwickelt sich die Kinolandschaft? Wie reagieren die Festivals? Um diese Fragen zu beantworten, muss das Thema aus verschiedenen Richtungen angegangen werden …

 

Das Kino starb am 31. September 1983

In seinen provokanten Vorträgen zum Thema Zukunft des Kinos sagt Peter Greenaway: „Das Kino starb am 31. September 1983, als auf der ganzen Welt die Fernbedienung Einzug in die Wohnzimmer hielt“ (Lettre International 72, 2006). Dies ist sicherlich nicht richtig (der September hat nur 30 Tage:-), doch er legt seine Finger auf eine Wunde. Probleme gibt es an allen Ecken und Enden!

Inzwischen wird überall vom Kinosterben gesprochen. Stimmt das? Laut dem von Media Salles veröffentlichten Jahrbuch 2007 blieb im vergangenen Jahr die Zahl der Kinos in Westeuropa zumindest durchschnittlich stabil, während sie in Osteuropa und im Mittelmeer-Raum sogar leicht stieg. Alles halb so schlimm?

Doch, wenn man näher hinschaut und die Verschiebungen und Umgewichtungen in der Verteilung der verschiedenen Kinotypen betrachtet, kann von Entwarnung keine Rede sein. Es sind Veränderungen, die vor allem für den Kurzfilm, aber auch alle anderen Filmformen jenseits des Mainstreams relevant sind und hart treffen können.

So stellt die Media-Salles-Studie fest, dass im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr lediglich die Zahl der Multiplex-Kinos gestiegen ist und zwar um 4,3%, also überdurchschnittlich. Vor dem Hintergrund, dass die Welle der Multiplex-Neueröffnungen schon hinter uns liegt und die Zahl der Filmtheater insgesamt stagniert, belegt dies in einem anderen Sektor ein Kinosterben: Filmtheater mit wenigen Leinwänden und insbesondere Einzelhäuser. Dies ist alarmierend, weil es meist diese Kinos sind, die Filmkultur pflegen. Auch Kurzfilme sehen nur ganz selten das Licht einer Multiplex-Leinwand.

 

Kinoprogramm – was so läuft …

Mit seiner provokanten Aussage zum Tod des Kinos verband Greenaway die Einschätzung, der klassische Unterhaltungsfilm sei tot und das narrative, illusionistische Kino habe seine besten Zeiten hinter sich. Doch, welche Filmformen haben aktuell weltweit auf Kinoleinwänden noch Erfolg?

Die zehn weltweit umsatzstärksten Filme waren 2007 „Pirates of the Carribbean: At World’s End“, „Harry Potter and the Order of the Phoenix“, „Spider-Man 3“, „Shrek the Third“, „Transformers“, „Ratatouille“, „I am Legend“, „The Simpsons Movie“, „300“, „National Treasure: Book of Secrets“.

Auffällig ist zunächst wie gleichgeschaltet die Kinoprogramme weltweit sind. Ein Blick auf das aktuelle Kinoprogramm irgendeiner beliebigen Stadt, gleich auf welchem Kontinent, würde sicherlich auch heute Abend eine Schnittsumme von mindestens fünf selben Filmen aufweisen, von denen der eine oder andere eine Chance hat in die Liste der Topfilme 2008 zu kommen – eine Monokultur, die maßgeblich zum Kinosterben beiträgt, gleichwohl sie profitabel ist.

Auffällig ist auch der hohe Anteil „durchnummerierter“ Filme unter den Boxoffice-Hits. Der Vorteil solcher Fließband- und Serienproduktionen liegt auf der Hand. Ein einmal erfolgreiches Konzept wird immer wieder neu aufgelegt. Das spart Kosten – bei der Herstellung wie beim Werbebudget – und stärkt das Branding. Serien waren aber bisher ein Merkmal des Fernsehprogramms und sind es inzwischen auch im Internet. Langfristig verliert Kino damit ein Alleinstellungsmerkmal und erleidet einen Imageschaden.

 

Ein weit verbreiteter Irrtum 1: Kinos verdienen ihr Geld durch den Verkauf von Eintrittskarten, also mit Filmen

Sicherlich ist der Umsatz, der mit den Tophits gemacht wird, nicht unerheblich. Jedoch bringen fast überall auf der Welt die jeweils zehn besucherstärksten Filme mehr Umsatz als alle anderen, gleichzeitig gestarteten Filme zusammen, von denen die meisten defizitär sind. Hinzu kommt, dass von den Eintrittseinnahmen dem Kinobetreiber weniger als 60% vom Brutto bleiben und für manche Blockbuster die Verleiher mehr als 50% der Einnahmen direkt abkassieren.
Deshalb wird ein beträchtlicher Teil des Gewinns von Filmtheatern, die noch profitabel arbeiten, längst nicht mehr aus dem Verkauf von Kinokarten, sondern an der sogenannten Concessions-Theke, also mit Popcorn, Süßwaren und Getränken gemacht. Auf jeden Fall ist die Gewinnspanne bei den Concessions deutlich höher als beim vermeintlichen Kerngeschäft. „Popcorn ist 1000% Profit aus heißer Luft“ sagte Edgar Reitz einmal. Das wäre an und für sich nicht schlimm, doch wies Reitz zu Recht auf die Folgen für die Kinokultur: immer mehr Filme werden nur mit dem Ziel produziert, um genau diesen Konsum an der Theke zu stimulieren. So sind Popcorn und Kino für viele Zuschauer (aber nicht alle!) bereits untrennbar miteinander verbunden. Das spezifische ursprüngliche Ambiente eines Lichtspieltheaters geht damit ebenso verloren, wie die Qualität der Filmerfahrung selbst (man denke nur an knisternde Verpackungen und knabbernde Sitznachbarn).

Alle Kinos, die keine langen Theken und Tresen haben und die Top-10-Filme nicht spielen wollen oder nicht können, weil sie sie vom Verleih nicht bekommen, bleiben dabei auf der Strecke. Und damit nicht nur Kinokultur, sondern Filmkultur insgesamt – inklusive Kurzfilme versteht sich!

 

Ein weit verbreiteter Irrtum 2: Die Filmindustrie verdient ihr Geld im Kino

Für die großen Studios und Medienunternehmen ist die Auswertung von Filmen im Kino nur noch ein kleiner Teil in einer Mischkalkulation. Dem Filmabspiel im Kino kommt dabei die Aufgabe zu Aufmerksamkeit für Produkte zu wecken, die anschließend in immer kürzer werdenden Zeitfenstern auf DVD, im Fernsehen oder im Internet verwertet werden. Auch das Merchandising-Geschäft rund um die Filme geht am Kino vorbei.

In diesem Umfeld haben alle Unternehmungen unter einer gewissen Grösse – sei es bezüglich Produktion, Distribution oder Abspiel – keine Chance sich am Markt und beim Publikum durchzusetzen. Schafft sich das Kino also selbst ab? Gewissermaßen ja, aber Kino ist nicht gleich Kino: monokulturelles Mainstream-Kino schafft Filmkultur ab. Langfristig unterminiert dieses Kino zwar auch sein eigenes Fundament, doch bis dahin wird noch gut verdient. Und vor allem: lange bevor börsennotierte Multiplex-Ketten in andere Sektoren investieren und innerstädtische Bauruinen hinterlassen, werden die anspruchsvollen Kinos, kleinen Filmverleihe und unabhängige Produzenten verschwunden sein …

 

Kulturelle Verarmung

Das filmkulturelle Erbe wird meist nur noch in den Hauptstädten – in einem Kinomuseum – gepflegt. In dem bereits zitierten Vortrag sagt Greenaway, „für mich ist es einfacher, ein unbedeutendes Gemälde von Caravaggio in einer kleinen umbrischen Stadt zu sehen als Kubricks 2001 in einem Kino, das diesen Film so zeigen würde, wie er konzipiert wurde“. Diese kulturelle Verarmung hat weitreichende Folgen, da sie einerseits als gesellschaftliche „šEntwöhnung‘ direkt ins Popcorn-Kino führt und in zweiter Linie den Erfahrungshorizont einengt, also pädagogisch ausgedrückt, einen eklatanten Bildungsmangel verursacht. Ein Defizit an Kenntnissen über audio-visuelle Kultur, das längst auch die Bildungseinrichtungen selbst erreicht hat – vom Klassenzimmer bis in die Hauptseminare an den Universitäten.

Zweifellos gibt es medienpädogische und didaktische Initiativen, um dies aufzufangen, doch meist steht Film an sich – immerhin ein Leitmedium unseres Jahrhunderts – dabei hintenan. Medienpädagogische Maßnahmen fokussieren allzu oft nur auf den Umgang mit den sogenannten Neuen Medien und sind meist nicht mehr als Technikworkshops. Die verantwortlichen Bildungspolitiker sind auch nicht davor gefeit auf den jeweiligen technologischen Hype hineinzufallen. So ist es leichter Mittel etwa für Workshops im Bloggen zu bekommen, obwohl dies Schüler meistens schon besser können als ihre Lehrer, als Mittel zur Förderung von echter, inhaltlicher Medienkompetenz und ästhetischer Bildung.

Und, so lobenswert die wenigen filmorientierten Initiativen – wie etwa in Verbindung von Schule und Kino – sind, so fragwürdig ist es jedoch, wenn nicht viel mehr dabei herauskommt als mit einer Schulklasse einen Blockbuster zu besuchen und sich bei einer anschließenden Kinoführung als Highlight die Popcorn-Maschine erklären zu lassen.

So nimmt es auch kein Wunder, dass selbst in der Filmausbildung an Hochschulen eklatante Defizite an filmkultureller Bildung zu Tage treten. In einem Gespräch anlässlich der diesjährigen Berlinale haben so unterschiedliche Filmemacher wie Rosa von Praunheim, Doris Dörrie und Luigi Farloni übereinstimmend dieses Defizit in der gegenwärtigen Generation der Filmstudenten beklagt. Auf die Frage, „Und kennen Ihre Studenten die Filme von Fellini?“, antwortete Doris Dörrie: „Diese Frage stelle ich nicht mehr. Ich traue mich nicht mehr, sie zu stellen, denn die Antwort ist so deprimierend, dass ich sofort anfange zu weinen“ („Man muss sie an den Haaren ins Kino ziehen“, FAZ , 07.02.2008)

 

Filmfestivals als Retter der Filmkultur?

In vielen Regionen und immer öfter auch in großen Städten findet Filmkultur, wenn überhaupt, nur noch als gelegentliches Event statt, während ein dauerhaftes und nachhaltiges filmkulturelles Angebot fehlt. Internationale Filmkultur, die Auseinandersetzung mit aktuellen ästhetischen und inhaltlichen Entwicklungen, aber auch die Auseinandersetzung mit Filmgeschichte, etwa in Retrospektiven, werden meist nur noch – einmal im Jahr – auf Festivals öffentlich angeboten und vermittelt.

Filmfestivals sind eigentlich Veranstaltungen für die Branche von der Branche. Unter kommerziellen Gesichtspunkten vergleichbar mit Industriemessen und unter kulturellen Aspekten Foren und Plattformen für Diskussionen und den Erfahrungsaustausch der kreativen Kräften. Im Kurzfilmsektor erfüllen nur wenige, weltweit vielleicht ein Dutzend Festivals diese Kritierien. Die meisten Kurzfilmfestivals sind reine Publikumsveranstaltungen. Auch die großen Spielfilmfestivals sind inzwischen Publikumsfestivals, allerdings nicht ausschließlich. Als solche nehmen sie Ersatzfunktionen für eine fehlende, lokale filmkulturelle Infrastruktur wahr.

Ersatzfunktionen nehmen Festivals auch an Orten wahr, an denen es noch filmkulturelle Institutionen oder anspruchsvolle Kinos gibt, die aber unterfinanziert sind. Kinos, die sich aus finanzieller Not bestimmte Programme im alltäglichen Programmbetrieb nicht mehr leisten können, erfinden und gründen Festivals. Denn viele Veranstalter mussten erfahren, dass es leichter ist öffentliche Mittel für Events als für kontinuierliche kulturelle Aktivitäten zu bekommen.

Inzwischen sind aber wegen der massiven Zunahme solcher Events auch in diesem Sektor die öffentlichen Mittel so knapp geworden, dass die Politik restriktiv einschreitet. Die betreffende Strategie, die Schließungen oder unsinnige Veranstaltungsfusionen erzwingt, heißt Leuchtturm-Politik. Zu dieser Leuchtturm-Politik gehört auch die Evaluation von Veranstaltungen nach zweifelhaften, weil nicht inhaltlich orientierten, Kriterien wie etwa der Grad der medialen Aufmerksamkeit oder die finanzielle Potenz durch Einwerbung von Drittmitteln (z.B . Sponsoring).

Für kleine, lokale Veranstalter schließt sich damit ein Teufelskreis. Ihnen bleibt meist nur die Möglichkeit Programme als „Festivals“ zu bewerben, die weder überregional ausstrahlen noch Fachbesucher haben – im Grunde also Fakes sind!

Für Kurzfilmemacher bietet die Vielzahl kleiner Festivals, von denen es allein in Deutschland etwa 80 gibt, die meist einzige Möglichkeit ihre Filme auf einer Kinoleinwand zu zeigen. Der Nachteil ist, dass sie so gut wie keine ökonomische Vorteile von solchen Veranstaltungen haben. Es besteht allenfalls die Chance auf einen meist eher niedrig dotierten Preis. In vielen Ländern müssen sie sogar noch eine Anmeldegebühr bezahlen, um überhaupt teilnehmen zu dürfen.

Auch zahlen Filmfestivals keine Leihmieten – ein System, das sich insofern kaum ändern lässt, da es wesentlich zur immanenten Ökonomie insbesondere der kleineren Events gehört. Solche Veranstaltungen existieren, weil die Veranstalter auf diesem Weg Programme machen können und Filme bekommen, die sie sonst nicht bezahlen und zeigen könnten. Da zeigt sich dann die wechselseitige Bedingung dieser Ökonomie des Mangels, denn hätten die veranstaltenden Institutionen das entsprechende Budget, wäre es nicht nötig die ganze Veranstaltung in die Form eines Festivals zu kleiden.

Zu den Randerscheinungen dieses Systems gehören leider auch völlig unakzeptable Auswüchse, die dem Tatbestand des Betrugs nahe kommen, wenn sich nämlich Event-Veranstalter mit kostenlosem Content versorgen, am Eintritt einen Überschuss verdienen und damit nur ihre eigene Struktur finanzieren. Diese Masche trifft aber häufiger auf Wettbewerbe im Internet zu als auf Kurzfilmwettbewerbe „˜in real life‘ …

 

Festivalfilme = Regalfilme?

„Tatsache ist, dass jedes Jahr mehr Filmfestivals ins Leben gerufen werden und eine immer größere Zahl von Festivalfilmen in ihr Programm aufnehmen, die anschließend in der Versenkung verschwinden und sich keine Hoffnung auf einen Verleih machen dürfen“, meint Peter Greenaway. Nun, im Langfilmsektor, der hier angesprochen ist, gibt es ja wenigstens noch die Hoffnung auf einen Verleih. Beim Kurzfilm sieht dies jedoch anders aus, weil es bis auf die wenigen Ausnahmen – wie etwa in Frankreich und Deutschland – überhaupt keine Kurzfilmverleihe gibt.

Deshalb sind Festivals für Kurzfilme oft die einzige Möglichkeit überhaupt auf eine Kinoleinwand zu kommen. Die meisten Kurzfilmfestivals, also die kleinen lokalen Ereignisse, erfüllen dabei tatsächlich die Funktion einer parallelen Abspielstruktur.

Wenn man sich die Festivalkarrieren einzelner, erfolgreicher Filme anschaut, stellt man fest, dass Kurzfilme durch Festival-Hopping eine erstaunliche geografische Reichweite und beachtliche Zuschauerzahlen erreichen können. Anders als Spielfilme im Kinoverleih, haben sie dafür eins bis zwei Jahre Zeit. Auf dem Kinomarkt hingegen werden die meisten Filme bereits nach einer Woche vom Programm abgesetzt. Und auch die erfolgreicheren Titel bleiben nur wenige Wochen sichtbar. Entweder müssen sie nachfolgenden Neustarts weichen oder werden aus der Zirkulation genommen, weil das Zeitfenster der Kinoauswertung bis zur DVD- oder Fernsehauswertung immer kleiner wird. Die Kopien landen dann, anders als die Festivalfilme, nicht im Regal, sondern spätestens ein Jahr nach Start im Shredder – leider auch jene Filme, die vielleicht noch für die Nachwelt oder als kulturelles Erbe von Interesse wären…

Eine Auswertung im wirtschaftlichen Sinn ist das Ersatz-Abspiel auf Festivals aber auch für Kurzfilme nicht. Dafür müssten die Veranstalter finanziell so gut ausgestattet werden, dass sie Leihmieten zahlen können. Und selbstverständlich müsste es noch viel mehr Festivals geben als jetzt schon …

 

Kann Bayreuth die Opernhäuser ersetzen?

Es ist kaum vorstellbar, dass Filmfestivals eine tragfähige Ersatzlösung für eine kulturelle Kinostruktur bieten oder gar eine nachhaltige Perspektive für die Erhaltung der Filmkultur eröffnen könnten. Filmfestivals sind zwar unverzichtbarer Teil dieser Filmkultur, doch können sie Kinos schon aus dem banalen Grund nicht ersetzen, weil sie Kinos brauchen, um überhaupt stattfinden zu können. Und im Kurzfilmbereich existieren viele Filmfestivals überhaupt nur, weil sie von Kinos initiiert und veranstaltet werden.

Wenn die Grundversorgung an Kinos, die ihr Programm unter kulturellen Gesichtspunkten gestalten, weg bricht, wird auch den Filmfestivals und der Filmkultur insgesamt der Boden entzogen. So wie Bayreuth keine Sänger hätte, gäbe es nicht die städtischen Opernhäuser. Nicht nur das: es gäbe langfristig auch kein Publikum mehr, wenn – um im Bild zu bleiben – die musische Bildung aus den Lehrplänen verschwände und in der Fläche musikkulturellen Einrichtungen die Förderung entzogen würde.

Wenn es eine Krise des Kinos und der Filmkultur gibt, dann ist es keine Krise der Filmwirtschaft, sondern schon eher eine Krise der Kulturpolitik. Landauf, landab werden öffentliche Mittel gestrichen – nicht nur für kulturelle Kinos, sondern auch für Filmfestivals. Selbst im einstigen Wunderland der Cinéphilie, in Frankreich, stehen die Zeichen auf Sturm seit die neue Regierung Errungenschaften aus der Ära Jack Lang abzuwickeln beginnt.

Ungemach droht aber noch von einer ganz anderen Seite: wie sollen kulturelle Kinos und Filmfestival den medientechnologischen Wandel konzeptionell bewältigen und die dafür notwendigen Investitionen finanzieren?
Konzeptionell muss man ja nicht gleich der These von Greenaway folgen, der hier noch einmal etwas unfair als Boxsack dient, das Kino müsse interaktiv werden und „sich selbst nur als Teil eines kulturellen Multimedia-Abenteuers sehen“.

Allein für die Umstellung auf E- oder D-Cinema gibt es noch keine tragbare Lösung, geschweige denn für die Präsentation digitaler Netzmedien oder Greenaways Multimedia-Abenteuer. Auch dies betrifft Kino wie auch Filmfestivals gleichermaßen. Aber dies ist ein anderes, spannendes Thema!

Bereits jetzt gibt es ein Problem, wenn etwa ein Filmstudent mit seiner MPEG-Datei in der Hand an die Festival- oder Kinotür klopft und sich wundert, dass sein Kurzfilm nicht gezeigt werden kann. Wenn es sich um den selben Studenten handelt, der in dem obigen Zitat Fellini nicht kennt und Acetylcellulose für eine Krankheit hält, darf man ihm – sarkastisch gesagt – vielleicht empfehlen, doch lieber eine Popcorn-Tüte und einen Kasten Bier zu kaufen, um dann den Film mit ein paar Freunden im Heimkino 5.1 zu gucken. Aber so einfach ist es nicht!

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