Junges Publikum und Kurzfilm

Report

v.l.n.r. Laurence Boyce (Short Film Conference), Fransiska Prihadi (Minikino Film Week), Hidde de Vries (CineKid Festival), Lina Paulsen (Mo&Friese Junges Kurzfilm Festival Hamburg), Fredi Klutas (KUKI Young Short Film Festival), Manon Guérin (Plein la Bobine) © Short Film Conference

Bei der jüngsten Veranstaltung der Short Film Conference ging es nicht nur darum, wie wir das Publikum für Kurzfilme gewinnen, sondern auch darum, warum dies von entscheidender Bedeutung ist. Mit einer großen Anzahl von Filmfestivals (sowohl Kurz- als auch Langfilme), die ausschließlich Kinder- und Jugendfilmen gewidmet sind, ist der Markt für Filme, die sich an Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 18 Jahren richten, sowohl beliebt als auch sehr ausgedehnt.

Auch wenn der Begriff des „Kinderfilms“ in ästhetischer Hinsicht etwas nebulös ist – es gibt unzählige Möglichkeiten, wie ein Film junge Menschen ansprechen kann, so sind sie doch ein integraler und wichtiger Bestandteil der Kurz- und Langfilmwelt.

Ihre Bedeutung geht jedoch über den bloßen Inhalt hinaus. Filme und Festivals, die sich an junge Menschen richten, spielen eine Rolle bei einer der wichtigsten Fragen, die sich die Akteur*innen im Bereich der Vorführung von Filmen immer wieder stellen: Wie können wir eine neue Generation von Zuschauern in die Kinosäle der Welt locken?

Diese Frage stellt sich zwar schon seit der Erfindung des Kinos, aber die großen Veränderungen im Medienkonsum in den letzten zehn Jahren – sowohl in Bezug auf die Technologie als auch auf die jüngste Pandemie – lassen sie aktueller denn je erscheinen.

Eine von der Short Film Conference organisierte Veranstaltung mit dem Titel „Young People and Short Film Audiences“ (Junge Menschen und das Kurzfilmpublikum), die im Rahmen der letzten Ausgabe des Internationalen Kurzfilmfestivals in Clermont-Ferrand stattfand, bot einer Reihe von Filmfestivals, die alle auf Kinderfilme spezialisiert sind, die Gelegenheit, darüber zu diskutieren, wie sie das jugendliche Publikum ansprechen und versuchen, eine neue Generation fürs Kino zu begeistern.

Bei der Veranstaltung diskutierten die Festivalvertreter*innen gemeinsam mit Moderatorin Lina Paulsen vom Mo&Friese Junges Kurzfilm Festival Hamburg, dem langjährigen Kinder-Pendant zum Internationalen Kurzfilmfestival Hamburg. Auf dem Podium sprachen Fredi Klutas vom KUKI Young Short Film Festival, ebenfalls ein Pendant zum jährlichen interfilm Berlin Short Film Festival, und Manon Guérin von Plein la Bobine aus Frankreich. Fransiska Prihadi von der Minikino Film Week in Indonesien und Hidde de Vries vom CineKid Festival in den Niederlanden, beides Festivals, die sowohl Lang- als auch Kurzfilme präsentieren, vervollständigten die Runde.

Alle Festivals betonten die Wichtigkeit, den gesamten Kinobesuch zu einem Erlebnis zu machen. Viele Festivals berichteten von gut besuchten Schulvorführungen, bei denen ganze Schulklassen direkt in die Kinos kommen. Als ebenso wichtig wurde aber auch eine angemessene direkte Einbindung des Kinder- und Jugendpublikums durch Workshops, Jugendjurys und die Möglichkeit, sich an Themen wie der Programmgestaltung zu beteiligen, bewertet.

Dieser Ansatz trägt dazu bei, zwei wichtige Aspekte der Erschließung neuer Publikumsschichten zu berücksichtigen. Erstens: Wer das berühmte Steve-Buschemi-Meme „How do you do fellow kids“ kennt, weiß genau, dass der Versuch, Filme für junge Menschen zu programmieren, ohne dass diese etwas dazu sagen, das Risiko birgt, ein potenzielles junges Publikum herabzuwürdigen und Werke zu programmieren, zu denen es keinen Bezug hat. Auch über Strategien für soziale Medien wurde in ähnlicher Weise gesprochen: Der beste Weg, um zu wissen, wie man ein jugendliches Publikum über die sozialen Medien ansprechen kann, besteht darin, junge Menschen direkt zu fragen, welche sozialen Medien man nutzen sollte.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Betonung des besonderen Charakters eines Festivals, der Freude an der gemeinsamen Gestaltung und der abschließenden Vorführung der Werke. Das Anschauen von Inhalten ist heute ein allgegenwärtiger Teil des Lebens, ebenso wie die kurze Form. Der Kontext, in dem sie konsumiert werden, ist jedoch der Schlüssel zum Engagement. Während das Mainstream-Kino ständig mit 3D und dem „Blockbuster-Erlebnis“ wirbt, um die Menschen in die Kinos zu locken, hebt sich auch die Festivalwelt vom Konsumieren von Filmen auf einem kleinen Bildschirm ab.

 

v.l.n.r. Fransiska Prihadi (Minikino Film Week), Hidde de Vries (CineKid Festival), Lina Paulsen (Mo&Friese Junges Kurzfilm Festival Hamburg), Fredi Klutas (KUKI Young Short Film Festival), Manon Guérin (Plein la Bobine) © Short Film Conference

 

Am Rande der Veranstaltung erläuterte Hidde de Vries von Cinekid die Situation:

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Erlebnis, bei dem es um mehr als nur um Filme geht, ein größeres Publikum anzieht, da das Publikum von Live-Filmveranstaltungen mehr erwartet. Filme ohne ‚Kontext‘ zu sehen, ist etwas, das die Leute immer häufiger zu Hause tun. Deshalb veranstalten wir interaktive Quizrunden, Meet-and-Greets, Frage- und Antwortrunden und festliche Premierenveranstaltungen, damit es eben mehr als nur ein Kinobesuch ist. Wir sehen, dass dies zur Festivalatmosphäre des Erlebens und Entdeckens von Filmen beiträgt“.

Interessant ist die Frage, ob die kurze Form als solche für ein junges Publikum von besonderem Interesse ist. Vor mehr als einem Jahrzehnt war die kurze Form so etwas wie ein Außenseiter, da der kulturelle Mainstream-Konsum entweder der lange Spielfilm oder das Fernsehen war. Doch mit dem Aufkommen von YouTube und TikTok sind kurze (oft ultrakurze) Inhalte für eine junge Generation die Norm und nicht mehr die Ausnahme.

Ich habe mich gefragt, ob sich dieser kulturelle Wandel auch auf die Art und Weise auswirkt, wie ein junges Publikum an Kurzfilme herangeht, und ob dies vielleicht anders ist als in der Vergangenheit. Als ich diese Frage außerhalb der Veranstaltung an Fransiska von Minkino stellte, sagte sie:

„Das Thema interessiert einen meiner Kollegen bei Minikino, Made Birus, den ‚reisenden Festivaldirektor‘, sehr. Seine Hauptaufgabe ist es, während der Minikino-Filmwoche in Dörfer auf Bali zu fahren, um dort das ganze Jahr über Bildungsarbeit zu leisten und Pop-up-Kino zu zeigen. Seit der Popularität von YouTube hat er ein steigendes Interesse daran festgestellt, selbst zum „Macher“ der Inhalte dieses neuen Mediums zu werden. Der eigentliche Katalysator ist jedoch TikTok, weil es so einfach zu benutzen ist. Das junge Publikum hat das Gefühl, dass es ein Macher sein kann und will, und zwar sowohl als Zuschauer als auch als Konsument. Made Birus hat dabei festgestellt, dass der Kurzfilm als solcher selbst nicht verstanden wird: er wird lediglich als Content angesehen, der auf dem eigenen YouTube- oder Social-Media-Konto veröffentlicht werden soll. Das junge Publikum kopiert hier meist nur einen populären Trend: es ist sich kaum bewusst, dass das Medium Kurzfilm auch seinen eigenen Geschichten eine Stimme geben könnte.“

Hidde De Vries gab einen Einblick in seine Sichtweise eines europäischen Publikums:

„Wir stellen einen Anstieg der Besucherzahlen bei unseren Kurzfilmprogrammen fest, aber lange Spielfilme sind immer noch die meistbesuchten Programme auf unserem Festival. Wir sehen aber auch, dass das junge Publikum die Dynamik von Kurzfilmprogrammen mag, zum Beispiel bei Schulvorführungen. Sie sind wirklich an kurze Formate gewöhnt“.

Er stellte auch einen leichten Generationsunterschied in der Wahrnehmung von Kurzfilmen fest:

„Eltern empfinden Kurzfilme teilweise immer noch als etwas, das man kostenlos im Internet finden kann. Sie entscheiden daher sich lieber für etwas, das ihrer Meinung nach ‚das Geld wert‘ ist. Wir sehen aber auch eine Vorliebe für Kurzfilme in Bildungseinrichtungen. Lehrer mögen Kurzfilme, da sie im Zeitrahmen einer Unterrichtsstunde leichter zu behandeln sind“.

Ein weiteres Schlüsselelement in der Diskussion ist die Frage, ob dieses junge Publikum auch im Erwachsenenalter weiter die Festivals besuchen wird. Die Vertreterinnen von KUKI und Mo&Friese, zwei Festivals, die parallel zu den erwachsenenorientierten Festivals stattfinden, berichteten von anekdotischen Beobachtungen über Zuschauer*innen, die aus den Jugendsektionen kommend das Festival nun auch als Erwachsene besuchen. Ebenso gibt es Beispiele, die nach ihren Erfahrungen als Kind oder Jugendlicher auf Filmfestivals nun ihren Weg in die Filmindustrie gefunden haben. Klutas erwähnte als Beispiel die Geschichte eines ehemaligen Teilnehmers der Jugendworkshops, der jetzt verschiedene Aufgaben für die Erwachsenenversion des Festivals wahrnimmt. De Vries erwähnte Milou Gevers, die als Jugendliche das Cinekid besuchte. Im Jahr 2021 erhielt sie einen Student Academy Award für ihren Kurzdokumentarfilm WHY DIDN’T YOU STAY FOR ME?

Kurzfilm war schon immer fortschrittlich, aber selbst das dynamischste Medium muss verhindern, dass die Strukturen, die es umgeben, veraltet und verknöchert sind. Das Ziel, ein junges Publikum mit Kurzfilmen in Kontakt zu bringen, besteht eben nicht nur darin, sie mit einer Vielzahl von erstaunlichen Arbeiten vertraut zu machen, sondern auch darin, das Medium und die Branche, die es umgibt, für die Gegenwart relevant und für die Herausforderungen der Zukunft gerüstet zu halten.

 

Die Veranstaltung Young People and Short Film Audiences kann unter https://www.shortfilmconference.com/events/ angesehen werden.

 

Laurence Boyce ist Vorstandsvorsitzender der Short Film Conference, einer internationalen Organisation, die versucht, die globale Kurzfilmgemeinschaft zu vereinen