B-Side muss aufgeben

Wagniskapitalgeber steigt aus: B-Side muss nach 5 Jahren Erfolgsgeschichte aufgeben

Vor etwa einem Jahr erwähnten wir hier auf shortfilm.de die Geschäftsidee der in Austin ansässigen Filmvertriebsfirma B-Side. Entsprechend dem Firmenmotto „the audience is never wrong“ (*siehe unten) aggregierte B-Side Filmbewertungen von Festivalbesuchern. Die so gewonnen Einschätzungen dienten als Entscheidungshilfe für die Auswertung von Filmen. Das heißt Filme, die im Ranking des Publikums ganz oben stehen, bekommen die Chance auf einen Vertrieb. Diese Methode wurde zuerst, noch in der Zeit der Dotcom-Euphorie, von Atom Films als Geschäftsidee umgesetzt.

Im Unterschied zu Vorläufern und ähnlichen Projekten – in Deutschland zum Beispiel das MEDIA-geförderte Unternehmen Moviepilot –  konzentrierte sich B-Side auf den Independent-Filmsektor, also auf Filme, die es besonders schwer haben ins Kino zu kommen und ein großes Publikum zu finden. Neu war auch die Idee von B-Side hierbei mit Filmfestivals zusammenzuarbeiten. Im Tausch für Dienstleistungen, wie zum Beispiel eine kostenlose Festivalwebsite oder Tools für die Festivalverwaltung, erhielt B-Side Zugang zu Filminformationen und zum Publikum (und dessen Vorlieben) der betreffenden Festivals.

Der erste große Erfolg gelang mit dem Vertrieb des Dokumentarfilms „Super High Me“, der bereits in den ersten Tagen seines Starts mehr Zuschauer erreichte als je zuvor ein konventionell vertriebener Dokumentarfilm. Und zwar nicht im Kino, sondern in Grass Roots DVD-Vorführungen, durch DVD- Verkäufe und VOD-Angebote. Bei einem Einsatz von weniger als $10.000 für das Marketing, erwirtschaftete der Film auf diese Weise mehr als zwei Millionen Dollar Bruttoeinnahmen!

In der Folge kooperierten immer mehr Festivals mit B-Side, die sich offenbar auch nicht daran störten, dass B-Side aus deren Vorarbeit Profit schlug. Als es mehr als hundert Festivals waren, kündigte B-Side auch noch eine eigene Einreichplattform, in Konkurrenz zu Withoutabox, das inzwischen Amazon gehört, an. Im Unterschied zu Withoutabox, das davon profitiert, dass Filmemacher ihre Filme bei sehr vielen Festivals einreichen und entsprechend Anteile von Einreichgebühren zurückfließen, drehte B-Side das System um. Ihre Einreichplattform „Submission 2.0“ sollte es Festivals und Kuratoren erlauben, unter den registrierten Filmen selbst nach geeigneten Filmen zu suchen und diese direkt zur Sichtung einzuladen.

Das bislang erfolgreichste Projekt von B-Side ist der Festival Genius. Festival Genius ist ein Internet-Tool, das vordergründig Festivalbesucher dabei hilft ihre Filmauswahl zu treffen und einen Zeitplan für ihren Festivalbesuch zu erstellen, um zum Beispiel zeitliche Überschneidungen von Vorstellungen zu vermeiden. Dem Festivalveranstalter bietet B-Side den Vorteil eines Online-Festivalkatalogs, der teilweise von den Filmemachern selbst erstellt wird. Außerdem unterstützt das Tool die Verwaltung der Filme, den Ticketverkauf und die Organisation der einzelnen Vorstellungen bis zu Prognosen über zu erwartende Besucherzahlen.
Dabei ermöglicht es Festival Genius den Nutzern gesehene Filme anderen Festivalbesuchern zu empfehlen und fragt damit nebenbei die Bewertung der Filme ab, was wiederum für das Marketing und den Vertrieb einzelner Filme nach dem Festival wichtige Informationen liefert.

Ende 2009 hatte B-Side mit seiner Festival-Technologie weltweit mehr als 220 Filmfestivals als Partner gewonnen. Zuletzt stieß 2010 auch das renommierte Sundance Festival hinzu. Doch dann fiel plötzlich und unerwartet die letzte Klappe. Am 22. Februar 2010 teilte Chris Hyams, Gründer und CEO von B-Side, mit, dass die Wagniskapital-Investoren, die B-Side bislang unterstützten, ihre Finanzierung zurückgezogen haben. Die Private Equity Investoren, die seit 2006 mehr als 7 Millionen Dollar in B-Side gesteckt haben, glaubten offenbar nicht mehr an einen Geschäftserfolg oder sind wegen der Wirtschaftskrise ins Schlingern gekommen. Jedenfalls sieht sich Hyams, wie er auf seinem Blog mitteilte als Opfer der Wirtschaftskrise, zumal es in dieser schwierigen Zeit nicht gelang ersatzweise andere Investoren zu gewinnen.

Während das ursprüngliche Kerngeschäft von B-Side, der Vertrieb, mit dem Rückzug der Investoren zusammengebrochen ist, hat sich für das Festival Tool ein Interessent gefunden. Festival Genius wird nun von der New Yorker Non-profit Organisation IFP gemeinsam mit dem Medienunternehmen Slated fortgeführt.

rww

Neue B-Side URL: http://bside.com/

*Fußnote: Dieser berühmte Ausspruch stammt von Billy Wilder. Es lohnt sich aber das Zitat in seiner ganzen Länge zu goutieren: „An audience is never wrong. An individual member of it may be an imbecile, but a thousand imbeciles together in the dark – that is critical genius.

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