Filmfestivals für Webserien – zaghafte Anfänge

Webfest Berlin 2018: Q&A mit dem Team von „Klicknapped“ (funk) © NORTHFAB / Pressefoto

Die deutschen Zuschauer lieben Serien. Gleich auf welchem Distributionskanal, ob im Fernsehen oder als Internetstreaming, stehen sie in den Rankings unmittelbar hinter den Sportereignissen ganz oben. Während es für fast jede Filmgattung und jedes Filmgenre spezialisierte Festivals gibt, werden aber so gut wie keine Filmfestivals für Serien veranstaltet. Es gibt allenfalls Sidebars auf Fernsehfilmfestivals oder einmalige Specials – wie kürzlich „Shayne“ von bboksz und „Club Splendida“ von der UdK Berlin in Oberhausen – jedoch kaum Wettbewerbe.

 

Der Grund liegt auf der Hand und ist natürlich physischer Natur. Zumindest für Episodenserien gilt, dass sie in Staffeln gesehen und beurteilt werden sollten. Echte Serienjunkies sehen sowieso komplette Staffeln in einem Rutsch. Binge-Watching ist aber als Format nicht mit Festivalwettbewerben kompatibel. So gibt es zwar Filmmärkte und Messen wie die L.A. Screenings und die New York Upfronts, auf denen aber keine kompletten Serien gezeigt werden, sondern meist Backdoor-Pilots mit fast abendfüllender Überlänge.

 

Dennoch gibt es einzelne Veranstalter, die sich auf Serien spezialisiert und eine andere Lösung gefunden haben. Zu ihren Wettbewerben können die erste oder die ersten beiden Folgen einer Serien in Kurzfilmlänge eingereicht werden.

 

Zu diesen Festivals gehört „die Seriale“ im mittelhessischen Giessen, die gerade zu Ende gegangen ist (13. bis 16. Juni 2019). Das viertägige Festival in der hessischen Provinz fand bereits zum fünften Mal statt. Dieses Jahr wurden 60 Serien beziehungsweise Pilots aus 18 Ländern vorgestellt. Fünf international besetzte Juries beurteilten die Beiträge in den bemerkenswert aufgefächerten Wettbewerben „Series“, „Animation“, „Documentary“ und „Pilot“.

 

Wie auf anderen Filmfestivals gab es in Giessen Q&As und Paneldiskussionen. Was die Seriale besonders auszeichnet, ist ein Konferenzprogramm („The Educational“) zu Formatfragen digitaler Serien und ein Filmmarkt („Digital Market Giessen“) für Professionelle aus der Branche.

 

Die Seriale ist Teil eines lockeren internationalen Netzwerks, in deren Mittelpunkt die italienische Bloggerin Chiara Bressa steht, die in Giessen unter anderem in einer Jury war. Zu diesem internationalen Netz gehören zwei weitere deutsche Festivals: das Hamburger Webserien-Festival „Wendie“, das erstmals 2017 und dann 2018 im Coworking Space FilmFabrique stattfand, aber bislang nicht mehr fortgesetzt wurde, und das zweitälteste deutsche Festival Webfest Berlin.

 

Das diesjährige Webfest Berlin steht noch bevor und findet ebenfalls zum fünften Mal statt. Es ist etwas stärker marktorientiert als das Festival in Giessen und hat als Alleinstellungsmerkmal einen Wettbewerb für „Branded Series“ ausgeschrieben, also für Serien mit typischerweise sehr kurzen Episoden, die für Produkte oder Unternehmen werben.

 

2018 stellte das Webfest Berlin 60 digitale Kurzfilm- beziehungsweise Webserien aus über 20 Ländern vor. Es wurden jeweils stellvertretend 3 bis 6 einzelne Episoden in Programm-Slots von nur 45 Minuten gezeigt wurden. Neben Paneldiskussionen bot das Festival außerdem die exklusive Premiere von „Klicknapped“ von funk (ARD/ZDF) und einen Digital Short Form Series Pitch Contest der Deutschen Telekom, die den Gewinner (Kim Nguyen für das Projekt „Feline Dion“) mit 20.000 Euro Entwicklungsförderung ausgezeichnet hat.

 

Das Webfest Berlin, letztes Mal noch zweitägig, findet 2019 vom 12. bis 14. September unter dem Motto „Powerup“ statt. Das Programm steht ab 28. Juni online.

 

 

Links

die Seriale Giessen https://www.die-seriale.de/

Webfest Berlin https://www.webfest.berlin/

Eine gute Adresse für weitere, internationale Webserien-Festivals ist der erwähnte Blog https://www.worldwidewebserie.com