Der Deutsche Kurzfilmpreis in Potsdam

Report

Ein Spitzenpreis für die „Provinz“ – Der Deutsche Kurzfilmpreis geht nach Potsdam

Das Jahr 2005 ist für den Deutschen Filmpreis von besonderer Bedeutung: Erstmals seit seiner Einführung im Jahre 1951 wurde der höchste deutsche Filmpreis nicht von einer Kommission, sondern von der Deutschen Filmakademie vergeben. Diese besteht bekanntermaßen aus fast allen bisherigen Preisträgern des Deutschen Filmpreises. Von solch einschneidenden Änderungen in der Vergabepraxis ist der Deutsche Kurzfilmpreis nicht betroffen. Er wird auch weiterhin von einer paritätisch besetzten Jury vergeben. Trotzdem  bringt die diesjährige Veranstaltung einige Neuerungen – nach vier Verleihungen in Berlin geht der Preis wieder in die „Provinz“: Am 4. November wird der Deutsche Kurzfilmpreis in Potsdam an der Hochschule für Film und Fernsehen vergeben.

Bereits seit 1990 hat der Kurzfilmpreis ein „Eigenleben“ entwickelt. Parallel zum Verschwinden aus den Kinos wurde der Kurzfilm auch aus der Verleihungszeremonie des Deutschen Filmpreises ausgegliedert. Er erhielt eine eigene, eher öffentlichkeitsarme, Preisverleihung in Bonn und wurde dort in die Verleihung des Kinoprogrammpreises integriert. Die Zeremonie sollte damit nach Wunsch des Bundesministerium des Innern (BMI)  etwas attraktiver gemacht werden. Der Einsatz des Kurzfilms als Schmankerl für die vorfilmmüden Kinobetreiber stieß zwar auf Kritik, die Gespräche mit dem BMI zu einer Rückkehr des Kurzfilms in den Schoß des Deutschen Filmpreises blieben aber ergebnislos.

Die Ausgliederung ging zudem anfangs mit einer Mittelkürzung einher, die sich mittlerweile aber in ihr positives Gegenteil gekehrt hat. Von einst 230.000 DM im Jahre 1989 (und einem Tiefstand von lediglich 170.000 DM im Jahre 1994) wuchs das Budget des Bundes für den Spitzenpreis auf mittlerweile über 200.000 €. Insbesondere die drei bisherigen Beauftragen für Kultur und Medien stellten immer wieder klar, dass für sie der Kurzfilm ein elementarer Bestandteil der Filmförderung des Bundes ist.

Dies verbesserte zugleich die öffentliche Wahrnehmung. Besonders der Umzug nach Berlin im Jahre 2001 bescherte dem Preis eine wesentliche höhere Aufmerksamkeit sowohl von der Presse als auch von der politischen und kulturellen Öffentlichkeit. Der Kurzfilmpreis wurde zum Branchentreff, wo die oft recht homogene Kurzfilm-Community die ihr sonst häufig verwehrte Aufmerksamkeit genoss.

Daher stößt die Ankündigung der Staatsministern für Kultur und Medien Dr. Christina Weiss aus dem letzten Jahr, die Verleihung des Preises in den kommenden Jahren von Filmhochschulen austragen zu lassen, auf wenig Verständnis.

Befürchtet wird in der Szene unter anderem, dass durch den Wegzug aus der Haupt- und Filmstadt Berlin in andere Städte wie etwa Potsdam und Ludwigsburg, der Preis wieder ein Stück Öffentlichkeit verliert. Die zeitliche Parallelität zum interfilm-Festival, die bei den Verleihungen in Berlin zu bewusst gesetzten Synergieeffekten geführt hat, wird bei einer Verlagerung eher negative Folgen haben: spätestens wenn im nächsten Jahr der Preis an der Filmakademie in Ludwigsburg vergeben wird, könnte die räumliche Distanz für beide Veranstaltungen zum Problem werden. Auch das umstrittene Image des Kurzfilms als Experimentierfeld des Filmemachernachwuchses wird durch die Anbindung an die Hochschulen eher unterstrichen. Zum Selbstbewusstsein des Genres, das sich auch durch erfolgreiche Lobbyarbeit der AG Kurzfilm Bahn gebrochen hat, trägt dies nicht unbedingt bei.

Statt der Umzugspläne wäre es wohl angebrachter gewesen, weiter am Reglement zu arbeiten, das zuletzt 2002 verbessert und den Bedürfnissen der Kurzfilmszene angepasst wurde. Damals erweiterte das BKM den Kreis der Preiswürdigen deutlich und bereitete der „Vorfilm-Doktrin“ ein Ende. Der Kurzfilm war aus Sicht des Bundes bis dahin ein Film, der die sieben Minuten-Grenze nicht überschritt. Reinhard Wolf stellte noch 2001 fest:

„Sowohl nach den Richtlinien der Filmförderungsanstalt als auch nach denen des Deutschen Kurzfilmpreises darf ein Kurzfilm eine Vorführdauer von höchstens 15 Minuten haben. Seit 2001 gibt es beim Deutschen Kurzfilmpreis auch noch die zusätzliche Kategorie des „kurzen“ Kurzfilms, der maximal 7 Minuten lang sein darf. Da sich der Preis als Filmförder-Prämie versteht, dürfen die Geldprämien wiederum nur für die Produktion eines Max-15- oder Max-7-Kurzfilm verwendet werden … damit dreht sich das Filmförder-Karussell im Kreis!“

Das hat sich seither verändert: 2002 wurde die Maximallänge auf 30 Minuten erweitert und neben 16 mm und 35 mm auch Beta-SP und Digi-Beta als Ausgangsmaterial zugelassen. Zusätzlich wurden Preise für den Animations- und Dokumentarfilm eingeführt und ein fakultativer Sonderpreis für Filme bis 78 Minuten geschaffen. Der Produzent darf seither das Preisgeld auch für die Herstellung eines Langfilms verwenden. Damit hat sich der Deutsche Kurzfilmpreis den Produktionsrealitäten von Nachwuchsproduzenten angenähert.

Doch Diskussionsbedarf ist weiterhin vorhanden, denn noch immer ist der Deutsche Kurzfilmpreis ein Produzentenpreis. Falls es sich nicht um eine Hochschulproduktion handelt, fließen die Gelder hundertprozentig an den Hersteller. Was bei Langfilmen sinnvoll scheint, ist beim Kurzfilm verfehlt. Die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Zusammenarbeit zwischen Regisseur und Produzent ist zumeist gering, zudem übt der Regisseur als geistiger Urheber einen viel stärkeren Einfluss auf das Endprodukt aus, als dies beim Langfilm der Fall ist. Eine Aufteilung der Preisgelder zwischen Hersteller und Regisseur wäre ratsam. Der kleine Nachbar Schweiz macht es vor: Beim Schweizer Filmpreis (http://www.admin.ch/ch/d/sr/4/443.116.de.pdf) werden die Preisgelder der ausgezeichneten Filme je zur Hälfte an die Produktion und an die Regie ausbezahlt. Die deutsche Praxis, den Kurzfilmregisseur mit einer Urkunde und seinen Produzenten mit der Prämie zu belohnen, geht von einem im Kurzfilmbereich nur selten existierenden ökonomischen Modell aus.

Ein weiteres Beispiel: Selbst für regelmäßige Kurzfilmfestivalbesucher sind Nominierungsverfahren und Preisträger häufig nicht nachzuvollziehen. Filme, die mit großem Erfolg auch auf internationalen Festivals liefen, tauchen in den Nominierungslisten teilweise überhaupt nicht auf, stattdessen werden Filme ausgezeichnet, die kaum ein Festival für projektionswürdig hielt. Sollte das Angebot der Spielfilme unter sieben Minuten tatsächlich so schwach sein, wie es Nominierungen und Preisträger des letzten Jahres vermuten lassen, dann läge es künftig nahe, auf die Kategorie zu verzichten und, wie in einem normalen Kurzfilmwettbewerb, die 30-Minüter mit den 4-Minütern zu vergleichen. Vielleicht ließe sich dieser unvermeidliche Streitpunkt auch beheben, indem man die Entscheidungen auf ein breiteres Fundament – beispielsweise in Form einer Deutschen Kurzfilmakademie – stellt oder Einreichungsverfahren und Jurybesetzung noch transparenter gestaltet.

Über diese Detailfragen hinaus scheint dennoch eine grundsätzliche Diskussion über den Stand des Kurzfilms überfällig. Ende Juli erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel, der unter der Überschrift „Qualität als Galatauglichkeitstest“ verwundert über die Ausgrenzung des Kurzfilms reagierte. Die Qualität des deutschen Kurzfilms verlange nach Aufmerksamkeit – „auch solcher, die man durch Galas erlangt.“ Warum ausgerechnet der Kurzfilm kein Teil des Deutschen Filmpreises sein solle, verweise auf die ungerechtfertigte Abwertung des Kurzfilms als Talentprobe auf dem Weg zur Königsdisziplin Langfilm. Der Weg nach Potsdam ist der Imagekorrektur daher wenig dienlich.

(mj)

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