Der Deutsche Kurzfilmpreis 2004

Report

Die Verleihung des Deutschen Kurzfilmpreises, die in diesem Jahr am 4. November in Berlin stattfand, gehört traditionell zu den wichtigsten Treffpunkten der Kurzfilmszene Deutschlands. Parallel zum Internationalen Kurzfilmfestival Berlin interfilm lud Kulturstaatsministerin Dr. Christina Weiss in das Kino in der Kulturbrauerei, um dort die vermeintlichen Höhepunkte des Kurzfilmjahres 2004 zu prämieren.

Auch wenn roter Teppich und Goldene Lolas in Übermannsgröße dies nahe legten, war die diesjährige Preisverleihung weit vom Glamour des großen Bruders entfernt. Beim Deutschen Kurzfilmpreis dominiert bekanntermaßen weniger das Blendwerk der Unterhaltungsindustrie, hier stehen die Inhalte im Vordergrund. Das wurde schon zu Beginn der Veranstaltung deutlich, als Staatsministerin Weiss im Interview mit 3sat-Kultur-Anchorman Gert Scobel zu aktuellen Problemen der Filmpolitik Stellung beziehen durfte und dabei das Publikum mit Fachkenntnis und netten Überraschungen unterhielt. So plant die Kulturstaatsministerin im nächsten Jahr, das Preisgeld für den deutschen Kurzfilm weiter aufzustocken und künftig statt zehn 15 und 2006 gar 20 Kurzfilme zu nominieren. Gerade den Bereichen Animation und Dokumentarfilm, die sich bisher mit zwei Nominierungen begnügen müssen, ist eine solche Aufwertung zu wünschen.

Eher für Verwirrung sorgte hingegen die Ankündigung, die Verleihungszeremonie auf Wanderschaft zu schicken: ab nächstem Jahr wird die Preisverleihung nicht mehr in Berlin, sondern an den Standorten der großen deutschen Filmhochschulen stattfinden – zuerst wagt man sich ins nahe gelegene Potsdam. Ob dies zu einer Aufwertung der Veranstaltung insbesondere in Bezug auf ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit beiträgt, ist zweifelhaft. Für Beruhigung sorgte die Nachricht , dass die Filmakademie mit der Verleihung der Kurzfilmpreise nichts zu tun hat und auch künftig die Preise von paritätisch besetzten Juries vergeben werden.

Die Preisverleihung an sich war gewohnt kurzweilig und durchwachsen. Ein Gutes taten die Dramaturgen des Abends, zu Beginn die Innovationspreise und anschließend die mittellangen und kurzen Dokumentarfilme auszuzeichnen. Hier spürte man eine erfrischende Neugierde und sah Filme, die außergewöhnliche Bilder aufspürten und dabei unkonventionelle Dramaturgien nutzten. „Nome Road System“ des Autorenfilmers Rainer Komers (Deutscher Kurzfilmpreis in Gold für einen Dokumenarfilm bis 30 Minuten) war so ein Film, der, wie die Jury es treffend formulierte, „ein uns fremdes soziales System durch eine starke visuelle Sprache“ portraitiert. Auch „Die Daumendreher“ von Alexandra Gulea (Sonderpreis für einen Film bis 78 Minuten) ist ein beeindruckendes Zeugnis der Möglichkeiten des Dokumentarfilms.

Der Vielschichtigkeit und visuellen Brillanz von Komers „Nome road system“ konnten selbst die Animationsfilme kaum etwas entgegenhalten. Nachdem im letzten Jahr dort anspruchsvollste Animationen wie „Yo lo vi“ von Hanna Nordholt und Fritz Steingrobe zu den Nominierten zählten, gab sich die Jury in diesem Jahr mit Nominierungen für Michael Klöfkorn brachialer Konsum- und Warenweltkritik „3.48 EUR/min“ und Felix Gönnerts niedlicher 3-D-Animation „Lucia“ zufrieden. Dass Klöfkorns ästhetisch und dramaturgisch wenig fesselnde Fleißarbeit – er animierte hunderte von Produktverpackungen und lässt sie durch einen real gefilmten Supermarkt schwirren – neben der Prämie für die Nominierung auch noch den Hauptpreis gewann, stieß beim Publikum auf wenig Begeisterung. Doch auch die computeranimierte Krankengeschichte des Potsdamer Animationsstudenten Gönnert bediente eher das Image des Kurzfilms als „Visitenkarte“ und überzeugte vor allem durch die gekonnte Anwendung aktueller Animationsprogramme.

Lässt sich die etwas dürftige Auswahl an Animationsfilmen noch mit einem schwachen Jahrgang entschuldigen, so wirkte die Auszeichnung von „Full stopp“ als Preisträger für den besten Kurzspielfilm unter sieben Minuten wie ein Missgriff. Der hessische Nachwuchsregisseur Caspar Arnhold versucht sich in seinem Fünf-Minüter an der Konfrontation von Hochglanzbildern und sozialer Kälte, kommt dabei aber nicht über das Niveau eines routinierten Videoclips hinaus. Der mutige „Trumpet for love“ von Carsten Aschmann, der in Oberhausen für Furore sorgte, hatte dabei bedauerlicherweise das Nachsehen. Offenbar zog hier die Jury die visuelle Konvention dem Sperrigen vor.

Zurückhaltend aufgenommen wurde auch die letzte Entscheidung des Abends: Tom Tykwers „True“ erhielt den Kurzfilmpreis in Gold (für einen Spielfilm bis 30 Minuten). Der bereits als Vorfilm von „Was nützt die Liebe in Gedanken“ viel beachtete Kurzspielfilm überzeugte die Jury durch seinen perfekten Rhythmus von Musik und Bildern. Trotz starker Konkurrenz aus der Nachwuchsecke entschied sich die Jury mit Tykwer für einen „etablierten“ Filmemacher und setzte sich über das offenbar auch im BKM verbreitete Klischee hinweg, Kurzfilmpreise hätten zwanghaft auch etwas mit Förderung des filmischen Nachwuchses zu tun. Auch wenn die Prämie nun an den Hersteller X-Filme und damit an eine der großen Adressen der deutschen Produktionslandschaft geht, hat die Entscheidung auch etwas Gutes: Sie steht für ein gewachsenes Selbstvertrauen des Kurzfilms und belohnt den Wechsel zwischen den Formaten. Schade nur, dass „True“ alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist.

(mj)

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