Deutsche Kurzfilme auf DVD

Report

Angebot mit Lücken: deutsche Kurzfilme auf DVD

Die DVD hat nicht nur als Vorführformat die Verbreitung des Kurzfilms im Kino, auf Festivals und mobilen Spielstätten erheblich vereinfacht, sie hat den Kurzfilm auch den Wohnzimmern dieser Republik erheblich näher gebracht. Seit mittlerweile rund fünf Jahren buhlen zahlreiche Anbieter um die Gunst des Home-Entertainment-Markts und bringen Monat für Monat neue Bildträger auf den Markt. Zeit für eine erste Zwischenbilanz.

 

Keine Frage: die DVD hat die Bereitschaft, Kurzfilme auf den Markt zu bringen, erheblich gesteigert. Die DVD ist zwar in der Herstellung technisch etwas aufwendiger, dafür aber leichter und kostengünstiger kopierbar und dank dem Internet auch einfacher unter die Leute zu bringen. Selbst für kleine Anbieter lohnt sich auf diesem Wege der Vertrieb von Kurzfilmen auf DVD. Das bessere Image, die höhere Bildqualität, Menüs, mit denen die Filme direkt angewählt werden können – die DVD erweist sich als das komfortablere Medium gegenüber der VHS.

Doch was für den Langfilm eine Boombranche war und ist, stellt f«r den Kurzfilm – analog der Präsenz im Kino und TV – einen noch längst nicht profitablen Verwertungszweig dar. Wie auch dort sind die Gründe in zwei Bereichen zu suchen: erstens die fehlenden Marketingmöglichkeiten und zweitens die geringe öffentliche Aufmerksamkeit in der Presse.

 

STAPLERFAHRER KLAUS ist wohl weiterhin das große Vorbild: weit über 250.000 verkaufte Videos dank flächendeckender Präsenz in Mediamärkten und gut laufendem Online-Shop. Für alle im Fahrwasser des Staplerfahrers den Erfolg suchenden Kurzfilmanbieter haben sich die Hoffnungen allerdings nicht erfüllt.

Schlecht sieht es vor allem für die Single unter den DVDs aus. Dies liegt nicht nur an fehlendem Marketing, sondern auch an dem schwachen Angebot. Sucht man bei amazon nach einzelnen Kurzfilmen, blättern dem Nutzer nicht etwa die Preisträger der großen Festivals wie MEINE ELTERN, FLIEGENPFLICH FÜR QUADRATKÖPFE oder RAIN IS FALLING entgegen, sondern stattdessen weitgehend unbekannte Titel wie SCHATTENSPIELE oder IM DUNKELN. Dass solch eine undurchsichtige Angebotslage nur wenig Kaufreize bietet, liegt nahe.

Qualitativ sinnvollere Angebote finden sich hingegen auf Kompilationen, die von festivalnahen Verleihen und Vertrieben angeboten werden. Die Kurzfilmagentur Hamburg (KFA) und interfilm Berlin sind dabei seit mehreren Jahren die wichtigsten Protagonisten, die regelmäßig mit Kompilationen den Markt bereichern. Die KFA hat sich diesbezüglich besonders hervorgetan, da sie neben einer eigenen DVD-Edition einen Internetshop betreibt, in dem einige Eigenproduktionen, aber vor allem DVDs anderer Labels als Reseller angeboten werden. Der Shop demonstriert allerdings auch, dass sich das qualitativ ernstzunehmende Angebot in den letzten Jahren in einem doch sehr überschaubaren Rahmen hält. Nur sporadisch erscheinen Kompilationen, wie die „Surprise“-DVD mit 12 Kurzfilmen von Veit Helmer oder „Neulich 1-5“ von Jochen Kuhn. Offenbar ist insbesondere die Bereitschaft von etablierteren Kurzfilmemachern, ihre Werke zum Konsum im Home Entertainment-Bereich zur Verfügung zu stellen, nur gering ausgeprägt – ein elementarer Unterschied zum Langfilmbereich, wo der DVD-Vertrieb von Beginn an Teil des Businessplans ist.

Auffällig ist die hohe Zahl an DVD-Kompilationen, die in lustigem Englisch wie „Sick and Twisted – Revenge of the Evil Shorts“ für die darauf zu findenden Genre-Filme werben. Manchmal kommt es hierbei sogar zu Schnittmengen mit deutschen Majors, wie beispielsweise die Kooperation zwischen 13th Street und Concorde Home Entertainment, die 13 Kurzfilme aus der Reihe „Shocking Shorts“ auf einer DVD versammelten, beweist. Hauptanbieter in diesem Segment sind KurtsFilme. Dank einer nicht abreißenden Publikationswelle ist das DVD-Angebot nun um eine Vielzahl an qualitativ recht unterschiedlichen Genre-Kompilationen reicher. Splatterfilme, schwarzer Humor, Komödien und passend zum WM-Jahr 2006 eine Reihe von Fußballfilmen mit den Titeln „Gangster & Fußball“, „Fußballfieber“ oder „Helden 06“ verdanken wir dem mittlerweile stärker mit dem Vertrieb von Langfilmen liebäugelnden Anbieter aus Berlin. Besonders mit der DVD zum Lego-Film DIE HELDEN VON BERN, der wohl neben STAPLERFAHRER KLAUS zu den bekanntesten deutschen Kurzfilmen zählen dürfte, wird weiterhin ausgiebig geworben. Auch andere Anbieter wie die KFA haben auf Fußball gesetzt und mit „Short Kicks“ unter anderem eine Auswahl der „Flotten Dreier“ – Beiträge zum Thema Fußball auf einer DVD versammelt.

 

Dass der künstlerische Kurzfilm dennoch als deutlich sichtbares Programmsegment dem Trash gegenüber bestehen kann, verdankt er sicherlich seinem hohen Renommee in Deutschland – auch wenn DVDs wie die der Kurzfilmtage Oberhausen, die im vergangenen Jahr für den DVD-Sampler „loop pool ping pong“ 69 internationale K«nstler, VJs und Regisseure von A wie Sookoon Ang bis Z wie Cora von Zezschwitz 62 Endlosschleifen haben produzieren lassen, eher eine Seltenheit darstellen.

So werden mittlerweile historische Super8-Filme aus den 80ern auf Samplern wieder zugänglich oder – wie die von Maike Mia Höhne editierte DVD „von politik, sex und anderen dingen“ mit 24 Filmen aus der Hochschule für Bildende Künste Hamburg – als Filmhochschulgeschichte sichtbar gemacht. Diese beiden DVDs setzen wichtige Impulse zur Herstellung eines „historischen Ged«chtnisses des Kurzfilms“, wie es bislang lediglich Retrospektiven auf Festivals vorbehalten war.

Anbieter im Ausland sind diesbezüglich deutlich weiter: Die Medienwerkstatt Wien und die österreichische Organisation sixpackfilm haben in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria und der Universität für angewandte Kunst Wien die DVD-Reihe „Index“ herausgegeben, die auf 15 DVDs Werke zunächst österreichischer KünstlerInnen versammelt, ergänzt von einer Broschüre, die filmische Analysen zu den Werken enthält. Hoffnung, dass so etwas auch in Deutschland m«glich wird, birgt die 2006 eingeführte Verleihsparte „arsenal experimental“ der Freunde der deutschen Kinemathek. Sie plant auch eine Reihe „edition arsenal experimental“, die DVDs und andere Publikationen umfassen soll.

 

Von der Möglichkeit, auch nur einen repräsentativen Ausschnitt der aktuellen, aber auch historischen Kurzfilmproduktionen auf DVD zu erhalten, ist der normale Konsument daher auch heute noch weit entfernt. Hier zeigt sich zudem auch ein Nachteil der Kompilationen:  Wer erwartet schon auf einem Sampler mit dem Titel „Daydreams“ (hrsg. von interfilm Berlin) den preisgekrönten Animationsfilm „Fenster mit Aussicht“ oder den vor zwei Jahren für den deutschen Kurzfilmpreis nominierten Spielfilm „Zur Zeit verstorben“? Und selbst wenn man nach langer Suche den Film auf dem Sampler schließlich ausfindig gemacht hat: welcher verwöhnte DVD-Käufer ist schon gewillt, zehn Filme, an denen er erst einmal überhaupt nicht interessiert ist, für mehr als 10 € zu erwerben? Von einem Hohelied auf die Möglichkeiten der DVD ist man in solchen Momenten jedenfalls weit entfernt.

 

(MJ)

Original Page