„Wir bereiten den Film gut vor“

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Filmagenturen agieren als Vermittler zwischen Filmemachern und den Filmfestivals. Was aber bringt das? Über eine noch junge Branche im Filmbusiness.

 

FELIX © Anselm Belser, Paul Ohmert

 

Es sind 42 Sekunden zum Erfolg. Der Film FELIX, in dem ein kleiner Junge im Supermarkt seinem Vordermann in die Hacken fährt, lief auf weit über 100 Filmfestivals. Dabei hatte Produzent Paul Ohmert den Film nie persönlich an die Festivals geschickt. So wie Ohmert hatte auch Matthias Becker keine Zeit für die Festivalauswertung. „Einen Film einzureichen, bedeutet viel Arbeit.“ Im vergangenen Jahr stellten er und Lena Geller ihren ersten Film fertig. Jahrelang hatten sie an ihrem 97minütigen Roadmovie, das in zehn Ländern gedreht wurde, gearbeitet. Die beiden kannten sich von der Kunsthochschule in Kassel, hatten gemeinsam mehrere Kurzfilmprojekte realisiert. Ihr erster Langfilm nun sollte sie in die deutsche Filmszene katapultieren. Aber wie?

Eine Premiere auf einem renommierten Festival ist unverzichtbar wenn ein Film Erfolg haben will. Doch welches Festival kommt in Frage? Rund 4500 Filmfestivals weltweit vergeben mittlerweile Preise in verschiedenen Kategorien: Animation, Fiktion, Dokumentarfilm oder Musikvideo. Dabei hat jedes seine eigenen Regularien, Einreichfristen und Programme. Um herauszufinden welcher Film zu welchem Festival passen könnte, muss man viel Zeit in die Recherche investieren. Und gerade für Kurzfilme ist eine Festivalauswertung enorm wichtig, bleibt doch die offizielle Kinoauswertung, und damit der kommerzielle Erfolg oft, aus.

Weil Becker und Geller aber mit ihrer Arbeit als Filmemacher und der neu gegründeten Filmproduktionsfirma genug zu tun hatten, suchten sie nach Unterstützung. Freunde empfahlen ihnen Aug&Ohr, eine in Berlin ansässige Agentur. Paul Ohmert kannte Agenturinhaber Markus Kaatsch schon persönlich. Kaatsch, der die Agentur 2006 mit damals 19 Jahren gründete und als Einmannfirma startete, versammelt heute ein großes Team hinter sich. 23 Mitarbeiter arbeiten daran, Filme zu sichten und in die Welt hinaus zu schicken. 900 Filme haben er und sein Team bisher betreut.

Diese Agenturarbeit, also die Zwischenstation eines Films vor Auswertung, ist in Deutschland ein relativ junges Phänomen. Aug&Ohr zählt zu den wenigen Playern, die sich ausschließlich auf die Festivaleinreichung spezialisiert haben. Zwar gibt es lang bewährte Institutionen wie German Films, die AG Kurzfilm, die sich um die Vermarktung, Verbreitung vor allem im Ausland kümmern. Auf Verleih und Vertrieb von Kurzfilmen sind beispielsweise die KurzFilmAgentur Hamburg (KFA), interfilm Berlin oder die Agence du court métrage in Frankreich ausgerichtet, doch einen Festivalservice bietet keiner von ihnen an.

Im Ausland haben Einreichagenturen eine längere Tradition. Einer der Pioniere in der Filmvermittlung ist die spanische Agentur Promofest: 1992 gegründet, gewannen die Filme, die sie einreichte, bislang mehr als 5.000 Preise. In den rund 25 Jahren baute sie eine riesige Datenbank mit Informationen zu internationalen Festivals auf. Die portugiesische Kurzfilmagentur Curtas existiert seit 1999. Ihre Tätigkeit vereint den Verleih, Vertrieb und das Einreichen von Kurzfilmen. Gleichzeitig ist sie an ein Festival angegliedert. Ebenfalls seit 1999 agiert die spanische Agentur Marvin & Wayne, die als Verleih und eben auch als Festivalagentur auftritt.

In vielen Länder gibt staatlich geförderte Film-Institutionen – so das Eye Film Institute in den Niederlanden, das Norwegian Film Institute oder das Swedish Film Institute. Diese kümmern sich um den Erhalt und die Verbreitung der Filmkultur. Wie auch die meisten anderen Agenturen, haben sie viele unterschiedliche Funktionen und reichen Filme höchstens auf Anfrage ein.

Aug & Ohr hingegen hat sich als privatwirtschaftlicher Dienstleister allein auf den Festivalservice spezialisiert. „Wir bereiten den Film gut vor“, erklärt Markus Kaatsch. Nach der Sichtung des Films, berät der 29-Jährige in einem ausführlichen Gespräch den Filmemacher über eine mögliche Festivalstrategie. Wenn es zu einer Zusammenarbeit kommt, reicht Aug & Ohr direkt bei den Festivals ein.

Auch beim FILMFEST DRESDEN trudelten in den letzten Jahren immer mehr Filme über die Berliner Agentur ein. Katrin Küchler, eine der Festivaldirektorinnen und Programmerin, aber sieht die Sammeleinreichungen über eine Agentur auch skeptisch. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei der Masse jeder Film genau angeschaut werden kann“, sagt Küchler. „Es kam auch schon vor, dass Filme, die bei uns auf dem Festival liefen im nächsten Jahr wieder in unserem Entry-Pool waren.“ Da entstünden unnötige Kosten. Deshalb rät sie Filmemachern, sich genau zu überlegen, wohin sie mit dem Film wollen. Denn die Verantwortung eines Dienstleisters sei groß: „Wissen über die persönliche Arbeit und die Kurzfilmszene national wie international sind unbedingt Voraussetzung.“

Expertise erlangte Markus Kaatsch durch seine Arbeit für Filmproduktionen. Zudem realisierte er Kurzfilme, studierte in Berlin Filmproduktion. Sein Bewerbungsfilm MEIN SASCHA lief weltweit auf über 80 Filmfestivals. Mit den Jahren haben sich seine Kontakte zu Festivals vervielfacht, so wie sein Arbeitsaufwand für die Agentur. Derzeit betreut Aug&Ohr 180 Filme, darunter viele Kurzfilme, egal welches Genre. Oft verschicken Kaatsch und sein Team ganze Filmpakete an Festivals. Einige von ihnen gewähren ihm mittlerweile Rabatte, wenn er mehrere Filme gleichzeitig einreicht. Das sei ein Vorteil für die Filmemacher, so Kaatsch, denn normalerweise kostet jede einzelne Einreichung Gebühren. Diese Rabatte, so Lina Dinkla, Programmkoordinatorin beim Festival für Dokumentar- und Animationsfilm in Leipzig, werden immer individuell gewährt, je nach Anzahl der Filme. Auch sie bemerkt neben den steigenden Einreichzahlen – in Leipzig waren im vergangenen Jahr 500 Filme mehr in die Auswahl als 2014 – die vermehrte Einreichung über Agenturen. Im Grunde aber sei es egal, wer die Filme einreicht. „Ob ein Film für das Festivalprogramm ausgewählt wird, hat zuallererst mit der Qualität des Films zu tun und nicht damit, wer eingereicht hat“, sagt Lina Dinkla.

Für Filmemacher, die mit Aug&Ohr zusammenarbeiten, entstehen zusätzlich zu den Filmeinreichgebühren bei Festivals noch Agenturkosten. Wie viel allerdings die Betreuung des Films genau kostet, aber will Markus Kaatsch nicht verraten. „Das entscheiden wir für jeden Film individuell, je nach Länge und Produktionsbudget.“

Petra Wille hingegen informiert auf ihrer Webseite „Büro für Filmangelegenheiten“ transparent über ihre Finanzen. Eine Liste mit 30 ausgewählten Festivals lässt Kosten von 150 Euro entstehen. Die Einreichung pro Festival kostet zwischen 13 und 20 Euro. Auch auf Plattformen wie reelport, ShortfilmDepot, Filmfestivallife oder Withoutabox meldet sie ihre Kunden an. Kostenpunkt: 35 bis 40 Euro. Im Gegensatz zu Markus Kaatsch arbeitet Wille allein. Die studierte Medienwissenschaftlerin arbeitete für die AG Kurzfilm und für diverse Festivals bevor sie sich selbstständig machte. „Ich habe gemerkt, dass befreundete Filmemacher oft an der Auswertung der eigenen Kunst scheiterten und ihre Filme kein Publikum bekamen.“ Seit 2011 bietet sie ihren Festivalservice an, schaut sich die Filme genau an bevor sie loslegt, und betreut immer nur eine kleine Auswahl. „Ich will den Film nicht verbrennen und die Festivals in der richtigen Reihenfolge auswählen.“

Ähnliche Beweggründe trieben Rebekah Louisa Smith an. Sie betreibt seit 2008 die Agentur The Film Festival Doctor in London und Los Angeles. Für eine Festival- und Auswertungsstrategie verlangt sie 275 Pfund, für ganze Filmmanagement-Pakete 1.500 Pfund.

In einer Welt, in der immer mehr Filme produziert werden, ist es notwendig die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen. Wer seinen Film also auf die Leinwand bringen will, muss abwägen, ob er sich selbst durch die Einreichregularien der Festivals kämpft oder eine Agentur beauftragt, die Geld kostet. „Wir sind zufrieden mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis“, sagt Matthias Becker. Er und Lena Geller zahlen eine monatliche Pauschale an Aug&Ohr. Ihr Film YOU ARE EVERYTHING lief mittlerweile auf 16 Filmfestivals, unter anderem auf den Hofer Filmtagen. Für Becker ein Erfolg. Ob der nun aber direkt mit der Festivalvermittlung durch die Agentur zu tun hat, weiß er allerdings nicht. Auch Paul Ohmert war mit der Auswertung seines Kurzfilms FELIX sehr zufrieden, „einen Karrieresprung gab es danach aber nicht.“ Der Erfolg eines Filmemachers hängt eben an vielen Faktoren, die Anzahl der Festivals, auf denen der Film gezeigt wurde, ist nur einer davon.

 

www.augohr.de

www.promofest.org

www.curtas.pt

www.marvinwayne.com

www.buerofuerfilmangelegenheiten.de

www.thefilmfestivaldoctor.com