Fünf Fragen an Borbála Nagy

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LAND OF GLORY – Gewinner Deutscher Kurzfilmpreis 2020 © Borbála Nagy / DFFB

Am 25. November wurde Borbála Nagy für ihren Kurzfilm LAND OF GLORY mit dem Deutschen Kurzfilmpreis 2020 in der Kategorie Kurzspielfilm von 10 bis 30 Minuten Länge ausgezeichnet. Wir haben im Vorfeld mit der Regisseurin gesprochen.

 

shortfilm.de: Du hast Ungarn 2011 aus politischen Gründen verlassen und 2012 angefangen an der DFFB in Berlin zu studieren. LAND OF GLORY ist dein achter Kurzfilm und für den Deutschen Kurzfilmpreis 2020 nominiert. Nach MINDEN RENBEN (Everything Alright) ist es bereits deine zweite Nominierung für diesen Preis.

Würdest du sagen, dass die Themen, die du in deinen Filmen verarbeitest, etwas verbindet? Wenn ja, wie könntest du es beschreiben? Und welche Rolle spielt dabei deine ungarische Herkunft?

Borbála Nagy: Nachdem ich nach Deutschland emigriert war, brauchte ich Jahre um zu verstehen, dass ich Ungarn nicht nur als Heimat, sondern auch als Thema nicht loslassen kann. Von Berlin aus habe ich eine ganz andere Perspektive auf Ungarn gewonnen. Dieser Abstand ist ausschlaggebend. Aber ich will mich in meinen Filmen nicht nur mit den Problemen Ungarns auseinandersetzen. Mich interessieren politisch relevante Inhalte, ich möchte in meinen Filmen auf unsere Gesellschaft reflektieren und Fragen stellen, damit der/die Zuschauer*in angeregt wird, über bestimmte Aspekte unserer Realität nachzudenken.

 

shortfilm.de: Welche Rolle hat die DFFB gespielt, diese Inhalte in Bewegbild zu verarbeiten?

Borbála Nagy: Es war und ist ein großes Geschenk, dort studieren zu können. Die DFFB ist für mich ein Labor, in dem ich sehr frei arbeiten und experimentieren kann. Die Zeit, die man an der DFFB bekommt – im Vergleich zu anderen Filmschulen studieren wir da alle relativ lang – ist ein großes Geschenk, und ich hoffe sehr, dass es weiterhin so bleibt. Das nimmt den Druck von den Studenten weg, weil man nicht schon im zweiten Jahr mit einem perfekten Film raus gehen muss. Genau deswegen sind die Filme, die an der DFFB entstehen, so besonders. Eine bunte Mischung aus Formen, Genres und Kulturen.

 

shortfilm.de: Du bereitest gerade deinen ersten Langspielfilm NOTHING TO SEE HERE vor. Worum geht es? Fügt sich das Thema in die Reihe deiner vorherigen Filme? Oder ist es etwas ganz anderes?

Borbála Nagy: Die Handlung von NOTHING TO SEE HERE basiert auf wahren Begebenheiten: 2018 hat jemand ein Video auf YouTube gepostet, in dem die Leitung einer ungarischen Schule mit Hitler und seinen Generälen verglichen wird, die gerade den Krieg verloren haben. Das Video ging viral und die Folgen waren so gravierend, dass am Ende staatliche Institutionen, wie die Polizei, das Ministerium für Bildung und das Jugendamt mitreingezogen wurden, und dadurch wurde das Leben mindestens einer Person verändert – eines Schülers, der gezwungen wurde, sich zu bekennen. Der neue Film ist also thematisch-stilistisch die Fortsetzung und Erweiterung von LAND OF GLORY: er zeichnet das gesellschaftliche Porträt eines Landes und funktioniert als Kritik an zwei dysfunktionalen Machtsystemen: Politik und Schule.

 

shortfilm.de: Welche Rolle spielt das Format Kurzfilm für dich in deiner professionellen Entwicklung?

Borbála Nagy: Wegen seiner Länge hat der Kurzspielfilm eine andere Verantwortung als der Langspielfilm – nicht nur aus finanziellen und zeitlichen Gründen, sondern auch dramaturgisch. Daher bietet die kurze Form eine Plattform fürs Experimentieren und fürs Lernen. Ich habe das Gefühl, dass die Zuschauer viel schneller als bei einem Langfilm akzeptieren, wenn ein Kurzfilm nicht immer eine Geschichte erzählt. Der Kurzfilm kann vieles sein: ein Portrait, ein Gefühl, eine Atmosphäre. Genau deshalb lerne ich viel von dieser Form, weil sie mich immer wieder daran erinnert, dass Film nicht nur die Geschichte ist, sondern eine audiovisuelle Kunstform. Und eben diese auditive und visuelle Seite muss noch stärker erforscht werden. Da jedes Thema eine bestimmte Form braucht, würde ich nicht ausschließen, nach meinem Debüt nochmal Kurzfilme zu machen.

 

shortfilm.de: Wo siehst du dich beruflich in 10 Jahren? Welche Art von Filmen machst du dann? In welchem Land wirst du leben?

Borbála Nagy: Berlin ist meine zweite Heimat geworden, und ich kann mir vorstellen, dass ich in zehn Jahren immer noch hier wohne. Aber wenn das Leben mich in eine andere Richtung verschlägt, bin ich auch dafür offen. In Ungarn sehe ich mich nicht, zumindest solange, bis die politische Situation sich nicht verändert, und sich eine menschenwürdige Gesellschaftsordnung entwickelt. Aber egal, wo, ich hoffe, dass ich dann mit meinem dritten Langspielfilm beschäftigt bin. Außerdem habe ich vor, Filmemachen mit meinem originären Beruf zu kombinieren, und Film zu unterrichten. Es ist essentiell, dass Menschen schon in einem jungen Alter lernen, Filme, aber auch generell Kunst zu genießen, damit Kunst außerhalb des Mainstreams in Zukunft öfter gesehen und breiter verstanden wird.

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