Filmfestivals im Kinoprogramm großer Städte – ein neues globales Geschäftsmodell

Mack Sennett diskutiert seinen Film „Mabel’s Dramatic Career“ (1913), Photo courtesy Orange County Archives (Public Domain)

Im ersten Teil der Recherche ging es um betrügerische Festivalausschreibungen und um Pseudo-Festivals, die außerhalb der Öffentlichkeit stattfinden. In Verbindung mit der wachsenden Anzahl an Kurzfilmen, die an die Öffentlichkeit drängen – und damit ist in der Regel immer noch das Kino gemeint – entstehen aber auch Festivalmodelle, die sich mitten in unseren Städten an die klassische Öffentlichkeit wenden. Um solche Veranstaltungen neuen Typs geht es in diesem zweiten Teil des Artikels.

Es geht um Veranstaltungen, die sich als Festivals bezeichnen, aber nicht den Vorstellungen von einem klassischen Filmfestival entsprechen. Vielmehr sind es Kinoprogramme, die sich unterstützt von Algorithmen und globaler Vernetzung zwar einige Merkmale von Festivals aneignen, nicht jedoch deren sozialen und kulturellen Komponenten. Mit der Geschwindigkeit ihrer raschen Ausbreitung täuschen sie das Publikum und verändern die bestehende Festivallandschaft.

 

Während es vor gar nicht so langer Zeit in jedem Land nur ein oder zwei repräsentative Filmfestivals gab, finden heute in jeder größeren Stadt Festivals statt. In manchen Großstädten sind es bis zu 100 Veranstaltungen pro Jahr, die sich Festival nennen.

 

 

Zahl der Filmfestivals

 

Wie viele Filmfestivals es gibt, weiß niemand genau zu sagen. Gute Anhaltspunkte geben die Einreichplattformen. Denn fast jedes Festivals nutzt ihre Dienste, auch wenn die größeren und bedeutenderen Festivals nie dabei waren und andere inzwischen wieder aussteigen und eigene Verfahren entwickeln.

 

Gegenwärtig verzeichnen die gewerblichen Marktführer FilmFreeway 6.649, Festhome 1.800 und Withoutabox 1.409 Filmfestivals. Setzt man bei der Festivalsuche den Filter „short“, bleiben bei FilmFreeway 5547 und bei WAB 1.171 Veranstalter (Stand 8.6.18).

Das sind viele und sehr viele mehr als noch vor zehn Jahren. Withoutabox hatte 2006, also zu einer Zeit als es die einzige Plattform war, ingesamt ‘nur‘ 500 Festivals unter Vertrag.

 

 

Definitionssache: „Filmfestival“ ist kein geschützter Begriff

 

Was diese Zahlen nicht verraten, sind der Charakter, die Seriösität und die Bedeutung dieser auf Einreichplattformen registrierten Veranstaltungen. Die Selbstdarstellungen auf den Plattformen klingen alle ähnlich. Untersuchungen gibt es kaum. Leider ist „Festival Studies“ ein noch relativ junges Forschungsgebiet, das sich dem Kurzfilm noch nicht zugewandt hat. Deshalb kann ich nur Vermutungen anstellen, die auf den wenigen bekannten Zahlen, Selbstdarstellungen von Festivals und eigenen Recherchen beruhen.

 

Um die Strukturen besser zu verstehen, macht es Sinn von einer Idealdefinition ausgehend Veranstaltungen, die sich selbst als Festival bezeichnen, nach Typen zu unterscheiden. Als Idealtyp lassen sich Merkmale aus dem Code of Ethic der International Short Film Conference und dem Ehrenkodex der AG Kurzfilm als Kriterien anwenden.

 

Legt man die Schnittsumme dieser Kriterien als Maßstab an und berücksichtigt außerdem noch Festivalverzeichnisse von vertrauenswürdigen Institutionen und Verbänden, ergibt sich eine Positiv-Liste von etwa 300 bis 400 Kurzfilmfestivals weltweit, die der Definition eines richtigen Kurzfilmfestivals entsprechen. Was ist aber mit den übrigen 5.000 Festivals, die auf FilmFreeway etc. annoncieren und Filme suchen?

 

Zunächst gehe ich davon aus, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der „Plattform-Festivals“ überhaupt nicht real existiert (fakes). Ein weiterer Teil sind „Pseudo-Festivals“, die zwar real stattfinden, aber ohne Screenings in einem Kino beziehungsweise nur mit nicht-öffentlichen Screenings vor eingeladenen Teilnehmern. Auch diese zielen auf die Entry Fees ab, bedienen aber immerhin noch die Eitelkeit der teilnehmenden Filmemacher. Beispiele für diese beiden Festivaltypen habe ich im ersten Teil dieses Artikels beschrieben.

 

Eine relativ große Gruppe sind „Publikums-Festivals“, die von geförderten kulturellen Initiativen in Kinos und alternativen Spielstätten veranstaltet werden und auf ein lokales Publikum zielen. Eine weitere, bezüglich der lokalen Orientierung ähnliche Gruppe bilden Open-Air-Vorführungen oder One-off-Festivals sowohl von gewerblichen als auch nicht-gewerblichen Veranstaltern.

 

 

Gewerbliche Kinoprogramm-Festivals als neuer Festivaltyp

 

In jeder größeren deutschen Stadt, aber auch in ‚Kurzfilmländern‘ wie Spanien und Frankreich, gibt es sie: Kurzfilmprogramme in Kinos, die vom Veranstalter als Festival bezeichnet werden. Oft sind es nur ein- bis dreitägige Events, die mit einem Festival nur gemeinsam haben, dass die Filme eingereicht wurden und eine Auswahl in einem Wettbewerbsprogramm öffentlich in einem Kino gezeigt werden. Im Unterschied zu lokalen Publikumsfestivals kultureller Initiativen, werden diese „Festivals“ von Unternehmen ausgerichtet. Die Betreiber sind selbständige Unternehmer oder kleine Firmen (wie GbRs, Ltd.) und immer häufiger internationale Konsortien.

 

Die Festivalprogramme werden nicht vom Kino selbst, sondern Shop-in-Shop vom Festivalbetreiber organisiert, der hierfür das Kino anmietet. Üblich sind Vereinbarung für eine pauschale Miete und/oder Anteile an den Eintrittseinnahmen. Die Leistung des Festivalbetreibers liegt in der Auswahl und Vermittlung der Filme. Die Kopien selbst werden in der Regel direkt – meist als Datentransfer – an das Kino geleitet. Der Festivalveranstalter ist somit nur verwaltend tätig.

 

Die Leistungen des Kinobetreibers bestehen aus der Reservierung von Programmzeit, dem Beistellen des operativen Personals (Kasse, Einlass, Projektion) und der Bewerbung der Veranstaltung über die hausüblichen Kanäle (Presse, Programmseiten im Internet). Für Kinobetreiber können solche Veranstaltungen ein lukrativer Nebenverdienst sein, da die Filmmiete entfällt und bei Vermietungen die Einnahmen nicht vom Kassenerfolg abhängen.

 

Die meisten Veranstalter solcher Festivals arbeiten verdeckt. Das heißt sie nutzen die Anonymität, die ihnen gewerbliche Einreichplattformen gewähren. Noch nie war es so einfach, anonym von einem beliebigen Standort aus virtuell ein „Festival“ zu gründen, weltweit bekannt zu machen und Gebühren für die Einreichung zu kassieren. Es ist typisch für solche Veranstalter, dass in der Online-Ausschreibung nur die Adresse des gemieteten Veranstaltungsortes angegeben wird. Fast immer fehlen Angaben zur Rechtsform des Veranstalters. Oft fehlt sogar der Name einer verantwortlichen Person. Und nur die Buchhaltungsabteilungen der Plattformen kennen Klarnamen und Bankverbindung …

 

 

Das Geschäftsmodell (bitte nicht nachahmen!)

 

Der Verzicht auf ein Auswahlkomitee, das alle Einreichungen sichtet, spart Honorare oder Aufwandsentschädigungen. Das Programm wird aus Empfehlungen von Festivalagenturen ausgewählt oder der Festivalveranstalter lädt bereits bekannte Filme oder Filmemacher direkt ein.

Auf eine Jury wird verzichtet. Die Veranstalter bestimmen die Preisträger im Hinterzimmer selbst oder überlassen dies ‚demokratisch‘ dem Publikum. Alternativ wird auf Preise verzichtet. Stattdessen erhalten alle Teilnehmer ein Zertifikat und ein JPEG mit Lorbeeren.

Auf eine Moderation des Programms und eine Diskussion mit Filmemachern wird verzichtet – das reduziert den zeitlichen Aufwand und senkt die Kinomiete.

Der Veranstalter muss, falls er/sie in einem anderen Land lebt, nicht selbst anwesend sein. Alternativ wird ein lokaler Moderator, z.B. ein Schauspieler oder eine Schauspielerin angeheuert. Das vermeidet Reisekosten.

Das selbe Programm oder ein rotierender Teil davon wird in Kinos anderer Städte und Länder wiederholt beziehungsweise in neuen Kombinationen erneut eingesetzt – muss also nur einmal besorgt und betreut werden.

Die Lieferung von Filmkopien (meist Downloads, nur in Ausnahmefällen und dann auf Kosten der Absender physisch) wird von den FilmemacherInnen und das Erstellen von Playlists (aus Files) vom Vorführpersonal im Festival-Kino erledigt.

Texterstellung und redaktionelle Betreuung oder der Druck von Publikationen sind nicht erforderlich. Filmtitel und Autoren werden ohne Stabangaben und Synopsen schnell online publiziert. Akkreditiertenlisten und Kataloge sind in Ermangelung von Fachbesuchern überflüssig.

Wichtig sind aber: eine Fotowand für das Preisträger-Foto und regelmäßige Posts auf Facebook und Twitter – das muss im Etat drin sein!

 

 

Beispiel Berlin – ein kleines Who is Who der globalisierten Berliner Festivallandschaft

 

Kinoprogramm-Festivals, wie ich sie hier genannt habe, gibt es weltweit in allen Metropolen und Großstädten. Genaue Zahlen aber nur selten. In Canada hat die Stadtverwaltung von Toronto (City of Toronto) mehr als 100 aktive Filmfestivals gezählt. Keine Zahlen gibt es aber aus Montréal, die Stadt in Kanada mit der höchsten Festivaldichte.

 

Die Universität Berkely hat 27 Festivals in der Bay Area gezählt. Der Bundesstaat California nennt auf einer Selbstdarstellungseite 169 Festivals. Aus eigener Recherche für den ersten Teil dieses Artikels weiß ich aber, das es allein im Raum San Diego/La Jolla mehr als 80 Veranstaltungen gibt, die sich Festival nennen – etwa 50 davon sind übrigens Kurzfilmfestivals.

 

In Deutschland ist vermutlich Berlin die Stadt mit der höchsten Festivaldichte. Dort finden schätzungsweise knapp 100 Festivals statt, die Kurzfilme zeigen. Aber nur wenige darunter erfüllen Mindestanforderungen eines richtigen Festivals wie etwa: mehrtägige Veranstaltung, offene Einreichung, transparente Auswahlprozesse, unabhängige Jury, Begegnungen und Diskussionen mit den Filmemachern, Programmdokumentationen und Informationen über die Veranstalter …

 

Die meisten dieser Festivals finden in den Kinos Babylon und b-ware! Ladenkino, im Acud oder Moviemento, aber auch im Arsenal und in Kulturzentren statt. Sie haben so illustre Namen wie (Kino, Entry fee in Klammern): „Around International Film Festival“ (Acud, $30 – $40), „Berlin Lift-off Festival“ (Union, $15 – $100), „Capital Filmmakers Festival“ (IL Kino, €45-55€), „German United Film Festival“ (b-ware!, $35 – $75), oder ganz einfach „Berlin Short Film Festival“ (Babylon, $45 – $55) und „Berlin Independent Film Festival“ (Babylon, £25 – £95).

 

Was ich selbst auf den ersten Blick übersehen habe, aber durch die Recherche zum „International Filmmaker Festival of World Cinema Berlin“ lernte, ist, dass es sich bei den meisten dieser Festivals um ‚chain stores‘ handelt! Das heißt, sie sind keine lokalen Festivals, sondern Teil von Festival-Netzwerken, die von den jeweils gleichen Unternehmen oder Personen in vielen Städten der Welt nach dem gleichen Muster veranstaltet werden. Dies herauszufinden ist schwierig, weil die meisten verdeckt operieren und online keine Informationen veröffentlichen. Auch ist es mit einem Host in den USA oder Australien offenbar okay, kein Impressum, geschweige denn eine Datenschutzerklärung zu haben. Und da selbst die Inhaber der IP-Nummer in vielen Fällen über Anonymisierungsdienst verschleiert werden, ist mir bei meiner Recherche vieles im Dunkeln geblieben. Im Folgenden ein kleiner Ausschnitt der Ergebnisse.

 

Mit gleich drei Festivals in Berlin – alle im Kino Babylon – ist eine internationale Kette bereits seit längerem gut in der Stadt vertreten: Das „Berlin Short Film Festival“ vom 28.6. – 1.7.. Das „European Short Film Festival“ zuletzt vom 1. – 4.10.17. Und das „Berlin Independent Film Festival“ nächstes Jahr vom 13.2. – 19.2.2019, das bei den Einreichern mit seiner Nähe zur Berlinale und entsprechenden Networking-Vorteilen wirbt.

 

Diesen Festivals gemeinsam ist die manchmal als Kuratorin, mal als Festivaldirektorin und vom Babylon mit Magistertitel genannte Schauspielerin Claudine Biswas-Mackenzie. Gleichwohl man auf Schauspiel-Portalen alles über ihre Fähigkeiten und vieles mehr erfahren kann, ist nichts über ihre fachlichen oder geschäftlichen Beziehungen zu den Festivals (selbständige Inhaberin? Teilhaberin eines Unternehmens? Frontfrau?) in Erfahrung zu bringen. Auch in der Festival- und Kurzfilmszene ist sie unbekannt. Gleichwohl steht ihr Name als Verantwortliche auch noch unter folgenden Festivals: „Paris Independent Film Festival“ und „Paris Short Film Festival“. Außerdem gibt es, wegen verschwundener Internetseiten und URL-Änderungen, nicht mehr zu entwirrende frühere Beziehungen zu „European Film Festivals“ in Stockholm, Athen, Moskau und London und dem „Cannes Short Film Festival Nizza„, nicht zu verwechseln mit dem „Cannes Short Film Festival„, das möglicherweise zu einem anderen Ring gehört, aber vielleicht auch zur gleichen Firma (mit Mary Symmons und Erich Schultz, die nicht in Berlin vertreten sind).

p.s. zum Thema Cannes Short Film Festival siehe diesen Beitrag im Cannes Guide.

 

Im Programm der Festivals von Claudine Biswas-Mackenzie des letzten Jahres ist mir aufgefallen, das es acht Filme gab, die auch im Programm der anderen Festivals auftauchten. Außerdem ist ein nicht ganz unbekannter Regisseur/Videokünstler, Ira Schneider, regelmäßig auf diesen Festivals vertreten und erhielt zwischen 2015 bis 2018 auf jedem der Festivals Auszeichnungen (11 insgesamt), was er übrigens auf seiner eigenen Website nicht erwähnt. Dies wirft ein gewisses Licht auf die Preisfindung, aber auch auf die Berücksichtigung von Filmen, deren Einreicher ja mit ihren Gebühren die Veranstaltung bezahlen.

Übrigens war in einem der ganz seltenen, vermutlich platzierten Presseberichten zu diesen Events zu lesen: »The anonymous jury is composed of carefully selected industry professionals from around the world.«

 

 

Zu einem anderen Ring gehört „ARFF Berlin // Around international Film Awards“ mit gleichen Events in Barcelona, Paris und Amsterdam.

 

✈ Berlin ✈ Manchester ✈ Tokyo ✈ New York ✈ Toronto ✈ Los Angeles ✈ Amsterdam ✈ Paris ✈ Sydney ✈ London

Weiterhin sind in Berlin jetzt auch die Lift-off-Festivals unterwegs, die von einem großen Unternehmen ausgerichtet werden. Das Lift-off Global Network mit Sitz in den Pinewood Studios (UK) veranstaltet weltweit in 10 Metropolen Festivals. CEO ist der Filmproduzent James Bradley. Zum Firmenimperium gehören neben der Festival-Abteilung außerdem noch die Geschäftszweige Distribution und Productions, die alle miteinander ’synergetisch‘ verbunden sind (z.B. können Einreicher sich um eine Produktion bewerben, die ggf. auf den Festivals getestet und bei Erfolg anschließend in den Verleih genommen werden).

 

Sehr self-made geschäftig, manchmal etwas kurios, muten die Aktivitäten von Adis Venero an, die hinter dem Berliner „Capital Filmmakers Festival“ (»Any year of production is accepted«), das auch noch in Budapest, Lissabon, Madrid, Valletta und Wien stattfindet, dem „Courage Film Festival“ (Motto: „Dream, Inspire, Courage, Harmony“ ), dem „180‘ Berlin Filmfest“ (3 Minuten Micro Filme) und dem „Meraki Film Festival“ (»labour of love«) steckt. Die umtriebige Kubanerin bietet außerdem noch ihre Dienste als Software Business Development Manager an, handelt mit HiTech Küchengeräten und vertickt auch mal für eine weitere Firma auf Alibaba einen halben Mercedes Benz Truck. Und ja, sie hat natürlich auch ein eigenes „Festival International Cannes„.

 

 

Noch nicht richtig recherchiert habe ich drei Festivals, die merkwürdig anmuten, obwohl sie im renommierten Arsenal stattfinden oder dies vorgeben:

Das „Berlin Motion Picture Festival“ gab 2017 das Arsenal als Venue an. Nach Auskunft vom Arsenal gab es einen Kontakt, aber kam kein Vertrag zustande. Dennoch nennt der anonyme Veranstalter auf FilmFreeway immer noch die Potsdamer Straße 2 als Kontakt. Das nächste Festival findet aber vom 14 – 15.12.18 offenbar im IL Kino statt – mit zehn Deadlines und neben Film-Awards auch Preisen in den Kategorien Musik, Drehbuch und Fotografie.

Auch das „Grace! International Film Festival“ gibt das Arsenal an, obwohl das Kino selbst bis zu meiner Anfrage nichts davon wußte. Das „Grace! International Film Festival“ möchte an nur einem Tag im Oktober Wettbewerbe mit Drohnenfilmen, Musikvideos, Experimentalfilmen, Animation Shorts, Narrative Shorts und Documentary Shorts veranstalten und gibt auf seiner Website überhaupt keine Hinweise auf den anonym bleibenden Veranstalter.

Bereits am 1. Oktober geht das „Sunlight International Film Festival“ – laut eigenen Angaben mit einem zweiten Standort in Moskau – im Arsenal an den Start. Die Ansage, an einem einzigen Tag Wettbewerbe mit Preisen in über 20 verschiedenen Kategorien inklusive abendfüllender Filme von Best Drone Film über Best Timelapse bis zu Best Human Rights und Best German-Language Feature zu zeigen und am Abend noch eine pompöse Awards-Gala zu veranstalten, würde ich als sportlich bezeichnen. Hinweise auf ein gleichnamiges Festival in Moskau konnte ich übrigens nicht finden …

 

Sabotage!

 

Auf die ersten „BIFA Berlin Independent Film Awards“ mussten die Filmemacher und die Berliner im April leider verzichten. Das Kino Babylon sagte die Veranstaltung kurz vorher ab. Der Veranstalter warf auf seiner Internetseite dem Kino »Sabotage« vor und attackierte den Kinoleiter Timothy Grassmann heftig persönlich.

Hintergrund für die Absage war, dass die Kinomitarbeiter nicht alle Filme im Programm downloaden konnten. In der Auseinandersetzung kam auch zu Tage, dass die Veranstalter Links zu Files in nicht-kinotauglichen Formaten schickten.

 

Diese Geschichte wirft ein erhellendes Licht auf die Arbeitsweise solcher Veranstalter, die an drei Abenden ein „Filmfestival“ veranstalten zu können vorgeben und von deren mangelndem Verständnis von Mindeststandards der Projektionsqualität eines Festivals. Kein Wunder, denn typischerweise sind die Organisatoren dieser ‚Festivals‘, soweit man sie überhaupt identifizieren kann, Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse im Festivalgeschäft und sind in der Branche und Kurzfilmszene unbekannt. Zugleich zeigt sich aber auch die Fragwürdigkeit der Programmpolitik eines Kinos, das keine Gelegenheit auslässt, solche Festival-Veranstaltungen aufzunehmen.

 

 

Meinen Recherchen zufolge gibt es nicht zig, sondern hunderte, ja möglicherweise eine 4stellige Anzahl solcher ‚Festivals‘. Im Vergleich zu den Kosten, die ‚richtige Festivals‘ aufwenden, tendieren deren Investitionen gegen Null. Filmemacher, die auf ‚richtigen Festivals‘ keinen Erfolg haben, sollten vielleicht doch einmal abwägen, was ihnen eine Aufführung ihres Films unter solchen Vorzeichen, die ja richtig Geld kostet, Wert ist und auch mal einen Gedanken darauf verschwenden, welche Strukturen sie damit fördern und welchen existierenden Strukturen sie damit vielleicht schaden.

 

Reinhard W. Wolf

 

In einem folgenden, dritten Teil soll es um ökonomische und festivalpolitische Fragen gehen. Vor allem um Schlussfolgerungen aus dieser Entwicklung und Folgen für die bestehende Festivallandschaft – mit Vorschlägen für Filmemacher, Festivalmacher, Kinomacher und last not least für die Kulturpolitik

 

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