Werkstattgespräch in Hamburg: Kurzfilm im öffentlich-rechtlichen TV und Online oder: warum ist es so schwer Kurzfilme im Fernsehen zu programmieren?

Analyse

 

Kurzfilm im Fernsehen / Screenshot vom 15.11.2019

Am 20. November fand in Hamburg am Rande der Verleihung der Deutschen Kurzfilmpreise auf Einladung der AG Kurzfilm und des MDR ein Werkstattgespräch zum Thema Kurzfilm im öffentlich-rechtlichen Fernsehen statt. An der Runde nahmen, neben FilmemacherInnen und VertreterInnen von Filmschulen und Vertrieben, KurzfilmredakteurInnen fast aller Landessender und von ARTE teil. Ich selbst war, mit einem Referat zur Frage wo und wie Kurzfilme online zu sehen sind, beteiligt.

 

Ohne einen Bericht abgeben zu wollen oder ein Resümee zu verfassen, möchte ich ein paar Überlegungen anstellen und Einschätzungen geben, die sich mir bei der Beschäftigung mit dem Thema aufgedrängt haben.

 

Hintergrund und Motiv der Veranstaltung war die Verbesserung der Präsenz von Kurzfilmen im Fernsehen und den Mediatheken der Sender. Wie kann es sein, dass Kurzfilme auf allen Kanälen verbreitet und gesehen werden können, aber im Fernsehen immer noch ein Schattendasein fristen? Bevor ich versuche darauf eine Antwort zu geben, erst einmal ein paar denkwürdige Fakten.

 

Die Abfrage nach der Zahl der Kurzfilme im Programm von Öffentlich-Rechtlichen, die online Zahlen liefern, erzielte im November, bei der ARD nur 54 und bei 3sat nur 27 Treffer. Unter den Treffer waren nicht nur einzelne Kurzfilme, sondern auch Programme und Magazinen zum Thema Kurzfilm – etwa Festivalberichterstattungen.

 

Zugleich gibt zu denken, dass Dutzende Online-Kurzfilm-Plattformen, die Anfang dieses Jahrhunderts gegründet wurden, längst nicht mehr bestehen. Warum?

Es gab sicherlich externe Gründe, wie die Finanzkrise und Monetarisierungsprobleme. Es könnte aber auch sein, dass es am Format selbst liegt und vor allem an der Art und Weise, wie Kurzfilme präsentiert werden. Diesen Plattformen gemeinsam ist, dass sie ein großes Sammelsurium an Kurzfilmen verschiedenster Stile, Ästhetiken und Themen ungeordnet anboten und die Abonnenten bei der Suche nach ‚guten‘ Filmen, die sie selbst interessant finden, alleine ließen. Heute machen das Video-on-Demand-Plattformen wie Netflix & Co. ähnlich …

 

Anspruchsvolle und ambitionierte VoD-Plattformen melden aber Erstaunliches. Kurzfilme sind populär und werden gerne gesehen (s.a. mein Artikel[1]). Das Geheimnis des Erfolgs lautet Kuratieren und Programm machen. Auf allen von mir befragten Plattformen, werden Kurzfilme gerne und häufig gesehen, wenn sie in einen thematischen Kontext gestellt präsentiert werden. Dabei spielt neben den Themen vor allem auch das Vertrauen in die Auswähler und Kuratoren eine große Rolle.

 

Die gleiche Erfahrung mache ich im Kino. Während vor Jahren noch ein bunter Kurzfilmabend (‚tutti frutti‘), etwa nach dem Motto ‚Kurz und gut‘, ein Selbstläufer war und große Zuschauermengen zog, ist das heute nicht mehr der Fall. Erfolg haben aber Programme mit einer sorgfältigen Zusammenstellung und Auswahl an Filmen, die inhaltlich begründet ist. Dabei greift die Beschreibung ‚thematisch kuratiert‘ vielleicht zu kurz, vielmehr ist (auch) ein gutes Konzept gefragt. Dabei ist es gar nicht nötig, akademisch zu werden.

 

Ähnlich funktioniert es nicht nur bei Film und Fernsehen, sondern zum Beispiel auch im Musiksektor. Beyoncé war außerordentlich erfolgreich mit ihrem Visual Album „Lemonade“ – ein Konzeptalbum mit Kurzfilmen, Texten und natürlich Musik, übrigens auf Vinyl erschienen[2]. Ähnlich die Konzeptalben von PJ Harvey, die auch auf Vinyl erschienen.

 

Aprópos Trägermedium und Endgeräte: So wie heute Schallplatten erfolgreicher sein können als selbst oder fremd erstellte Playlists, ist möglicherweise die Verbreitungstechnik und das Endgerät überhaupt nicht so wichtig, wie vielfach angenommen. Insbesondere Fernsehleute scheinen schon ein gewisses Entschuldigungs- oder Schamgefühl für ihr so altmodisches Medium zu entwickeln (schuld ist möglicherweise ein weit verbreitetes Fernseh-Bashing, insbesondere wenn es um Öffentlich-Rechtliche geht). Nichtzuletzt deswegen steht vielleicht ein gewisser Digitalismus auch bei den Fernsehanstalten so hoch im Kurs.

 

Die Technik selbst ist nicht für so manche Malaise im Fernsehprogramm verantwortlich. Der Fernseher im Wohnzimmer ist ohnehin kein Fernsehempfangsgerät mehr, sondern als Smart-TV ein Datenterminal. Allein aber die non-lineare Konfektionierung von Programminhalten für mobile Endgeräte ist nicht per se ein Erfolgsrezept. Es sind gerade die linear kuratierten Programme, die erfolgreich sind (siehe Kurzfilmprogramme im Kino und auf VoD-Plattformen, die inzwischen auch linear live senden, oder die genannten Konzeptalben).

 

Zum Schluss noch ein anderer Aspekt: Kurzfilm hat es – nicht nur im Fernsehen – so schwer, weil er leider fast nur über seine Länge definiert wird. Vom Werbefilm und Industriefilm bis zur künstlerischen Arbeit kann Kurzfilm alles sein, was Film überhaupt ist – inklusive sämtlicher Genre und Gattungen. Bezogen auf das Fernsehen und seine Formatierungen bezüglich Sendeplätze und Programmformate, haben wir da ein Problem! Andererseits könnte aus dem gleichen Grund der Kurzfilm in alle Sparten und Rubriken eines Programmanbieters (Nachrichten und Berichte, Kultursendungen, Verbraucherberatung, Unterhaltung, Sport, Gesundheit etc.) integriert werden. Tatsächlich ist er das aber schon längst, wenn man Kurzfilm nur über seine Laufzeit definiert – man denke nur an die berühmten 1′:30’‘!

 

Wir müssten genauer definieren welchen Kurzfilm wir meinen, um stärker im Fernsehen präsent zu werden. Nur über die Laufzeit definiert, sind wir mit einer unfassbar großen Menge an Kurzfilmen konfrontiert, die niemandem – auch keiner Fernsehredakteurin und keinem Redakteur zumutbar ist.

 

Die öffentlich-rechtlichen Kurzfilmredaktionen, die zur Zeit jeweils nur ein Format unter vielen (z.B. die Magazinform) betreuen, könnten dann zu Kompetenzzentren entwickelt werden, die anderen Redaktionen mit Filmvorschlägen beraten und kuratorisch beistehen könnten. Wobei wir wieder – A und O – beim Thema Auswählen, konzeptionellem Programmachen und Kuratieren wären!

 

Quelle Beitragsbild: Screenshot von Guy Ducker’s blog „Tales from the Cutting Room Floor“

[1] Kurzfilmfestivals und Video-on-Demand: https://www.shortfilm.de/kurzfilmfestivals-und-video-on-demand-teil-2-kooperationen-mit-vod-anbietern/

[2] hierzu ein interessanter Artikel im Magazin Das Popfenster: http://popfenster.com/lemonade-konzeptalbum-auf-hoechster-stufe/

 

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