Rückblick auf die Kurzfilmpreisträger 2014 – eine kleine Auswertung

WIND © Robert Löbel

WIND © Robert Löbel

Wie in den Jahren zuvor liefern wir wieder einen Rückblick auf die Kurzfilmpreisträger des Vorjahres. Durch die Auswertung entsteht zwangsläufig eine Art Film-Hitparade. Ein solches Ranking kann selbstverständlich nicht zur Beurteilung der künstlerischen Qualität von Filmen herangezogen werden, gibt aber Auskunft über ihre Beliebtheit – gemessen an Voten von Fachjurys und in Publikumsabstimmungen. Letztlich sind dies Marktdaten. Der Umstand der Preisakkumulation lässt sich schwerlich als Ausdruck objektiver Qualitätsurteile interpretieren.

 

Die Untersuchungsbasis

Ausgewertet wurden alle Auszeichnungen und Preise, die auf shortfilm.de in der Rubrik „Auszeichnungen“ im Jahr 2014 veröffentlicht wurden. Dies waren im vergangenen Jahr mehr als 1.600 Nennungen. Berücksichtigt wurden in den Meldungen selbstverständlich nicht alle Preise und Auszeichnungen, die weltweit irgendwo Kurzfilmen verliehen werden.

Regelmäßig registriert werden in unserer Rubrik „Auszeichnungen“ nur die größeren Kurzfilmfestivals mit internationalen Wettbewerben. Ausschließlich nationale Festivals oder regionale Veranstaltungen bleiben in der Regel unberücksichtigt. Nationale Filmpreise, wie in Deutschland der Deutsche Kurzfilmpreis, die Césars in Frankreich oder in Spanien die Goya-Auszeichnungen, werden jedoch erfasst.

In der Regel wurden nur die Hauptpreise registriert. Nur bei wenigen, großen Festivals wurden auch lobende Erwähnungen berücksichtigt. Auch werden, mit Ausnahme bedeutender internationaler Langfilmfestivals mit Kurzfilmwettbewerben wie Cannes, Berlin oder Sundance, nur Auszeichnungen auf Kurzfilmfestivals berücksichtigt. Durchs Raster fallen auch Veranstaltungen die sich Festival nennen, aber wesentliche Kriterien – etwa bezüglich Reglement, Teilnehmerstruktur oder Leistungen – nicht erfüllen, wie zum Beispiel eintägige lokale Veranstaltungen.

Insgesamt liegen uns für 2014 Jury-Entscheidungen von mehr als 300 Festivals und Wettbewerben vor –  knapp 70 davon in Deutschland. Wegen unseres eigenen Standorts sind neben den deutschen, auch europäische Auszeichnungen überrepräsentiert. Jedoch sind alle Kontinente und Weltregionen berücksichtigt.

 

Starke Produktionsländer

Die Preisträger kommen aus 95 Herkunftsländern. Dies sind weniger als 2013, aber eine Steigerung gegenüber den Vorjahren (2013: 102 Länder; 2012: 85). Die mit deutlichem Abstand größte Zahl an Auszeichnungen im Jahr 2014 entfiel auf Filme aus Deutschland (230 Preise), Frankreich (170), USA (153), Großbritannien (126), Spanien (71), Belgien (67) und Polen (62). Reihenfolge und Zahl der Preise änderten sich unter den ersten Fünf gegenüber dem Vorjahr kaum. Auffällig ist, dass im Verlauf der letzten Jahre Filme aus Großbritannien immer weniger Preise erhalten hatten, jetzt aber den alten Status wieder zurückerobern. Neu ist, dass Spanien relativ zurückgefallen ist (2013 waren es noch 100 Preise). Von der Gesamtsumme der Auszeichnungen entfielen wieder mehr als die Hälfte auf Filme aus den sieben oben genannten Ländern (ca. 900).

Unter den kleineren Ländern – bezüglich ihrer Einwohnerzahl oder ihrer Kurzfilmproduktion – waren 2014 insbesondere Belgien und Polen erfolgreich. Während 2013 fast die Hälfte der Preise für eine belgische (Ko-)Produktion von OH WILLY geholt wurden, hat dieses Jahr nur BAGHDAD MESSI Sahim Omar Kalifa mehr als 5 Preise erhalten. Aus Polen holten drei Filme die meisten Preise: JOANNA von Aneta Kopacz, LAZNIA (BATHS) von Tomek Duck und NASZA KLATWA (Our Curse) von Tomasz Sliwinski.

Auch in Ländern mit hohem Produktionsvolumen war die Zahl der Preise 2014, anders als zuvor, nicht so sehr von einzelnen Filmtiteln verursacht. Ausnahmen der Regel waren A MILLION MILES AWAY von Jennifer Reeder (USA) und NASHORN IM GALOPP von Erik Schmitt (D).

Die Herkunftszahlen der Preisträger reflektieren nicht nur das Produktionsvolumen an Kurzfilmen, sondern hängen auch von der Zahl der Festivals im betreffenden Land ab. Denn, insofern einheimische Filme größere Chancen auf Auszeichnungen im eigenen Land haben, hängt die Zahl preisgekrönter Filme auch von der Festivaldichte im eigenen Land ab. Beispiele hierfür sind Deutschland, Frankreich, die USA und Spanien. Wobei die Zahl der Kurzfilmfestivals in Spanien zurückgeht.

Interessant sind auch die Auslandserfolge. Hier ergibt sich folgendes Bild: am Erfolgreichsten im Ausland waren 2014 die Filme aus Frankreich (112 Auszeichnungen), Großbritannien (93), Deutschland (79), USA (63), Belgien (52) und Kanada (43). Dies ist fast dieselbe Reihenfolge wie 2013. Lediglich haben Deutschland und Großbritannien die Plätze getauscht und ist Spanien zugunsten von Kanada abgerutscht.

Unter den Ländern, die keine so ausgeprägte eigene Kurzfilmfestivalstruktur wie Deutschland, Frankreich oder Spanien haben, fallen Polen (40 Auslandspreise) und Kanada mit überproportionalen Erfolgen auf. In Kanada sind es wieder die Produktionen des National Film Board, aber auch unabhängige Produktionen, die weltweit erfolgreich sind. Aus Polen sind insbesondere Filme von Filmschulen maßgeblich vertreten. Auch niederländische Filme punkten überwiegend im Ausland, während es im eigenen Land vergleichsweise wenige Festivals und Wettbewerbe gibt (42 Preise, davon 37 im Ausland).
Auf eine insgesamt gute Kurzfilmstruktur in einem kleinen Land zurückzuführen ist das erfolgreiche Abschneiden von Schweizer Filmen (50 Preise im Jahr 2014, davon 29 im Ausland).

 

Inland- vs. Auslandserfolge

In den vergangenen Jahren erhielten im jeweils eigenen Land Filme aus Brasilien und den USA deutlich mehr Preise als im Ausland. Dies ist auch jetzt noch so, aber der Abstand hat sich verringert. Auch Großbritannien, Spanien und Australien gehörten zu den Ländern, in denen eigene Produktionen in der Heimat mehr Auszeichnungen erhalten als im Ausland. Diese Situation hatte sich 2012 verändert. Abgesehen von Ländern ohne Kurzfilmfestivals oder Filmpreisen gab es keine große Diskrepanzen zwischen In- und Auslandserfolg mehr.
2014 erhielten, neben den USA und Brasilien, nur Filme aus Argentinien, Iran und Deutschland 2014 mehr Preise im In- als im Ausland. Deutschland ist aber statistisch ein Sonderfall, da wir die Preise sehr vieler inländischer, auch kleinerer Festivals registrieren.  Deutsche Kurzfilme holten 2014 im eigenen Land 151 (2013: 172) und im Ausland 79 (76) Preise.

Umgekehrt waren insbesondere Filme aus Frankreich, Großbritannien, Belgien und Japan im Ausland deutlich erfolgreicher als im Inland. Dies gilt auch für Länder ohne Festivalstrukturen wie Ungarn und Argentinien.

Das Verhältnis von Preisträgern aus dem eigenen Land gegenüber Filmen aus dem Ausland war 2014 für Kroaten am Ungünstigsten.

 

Die beliebtesten Produktionsländer in Deutschland

In Deutschland waren im Jahr 2014 am erfolgreichsten Filme aus Großbritannien (24 Preise), Frankreich (22 Preise), USA und Niederlande (je 12), Belgien (9), Österreich und die Schweiz (je 6) sowie Israel (5).
Bezüglich Großbritannien und Frankreich wurde ein langfristiger Trend bestätigt. Auffällig ist, dass polnische Filme dieses Jahr einen schweren Stand in Deutschland hatten. Auch brasilianische und spanische Filme schnitten auf deutschen Festivals unterproportional ab.

 

Ländervorlieben anderswo

Französische Filme erhielten in Deutschland (17), Italien (10) und Spanien (8) die meisten Auslandspreise.
Britische Filme waren – wie 2013 – besonders erfolgreich in Deutschland (19 Preise), USA (12) und in Frankreich (9).
Filme aus den USA erhielten breit gestreut in vielen Ländern Preise, jedoch die meisten in Deutschland (11), Frankreich, Österreich und der Schweiz.

Filme aus den südamerikanischen Ländern erhielten auf dem eigenen Kontinent die meisten Preise – gefolgt von Festivals in Frankreich und Spanien.

Filme aus den nordischen Ländern erhielten, außerhalb der eigenen Region, in den USA und Deutschland die meisten Preise.

 

Internationalität von Jury-Entscheidungen

Von den zehn Ländern, in denen die meisten Kurzfilmpreise verliehen werden, gab es im Vorjahr bezüglich der Internationalität geringfügige Unterschiede. 2014 wurden in Frankreich, Italien, Portugal und der Schweiz jeweils mehr als die Hälfte der Auszeichnungen an ausländische Filme vergeben. Auch in Deutschland wurden dieses Jahr, allerdings knapp, mehr als die Hälfte an ausländische Filme vergeben.
In Spanien, Brasilien und den USA wurden dieses Jahr mehr Preise an einheimische Filme vergeben.

Die größte Bandbreite an Ländern unter den Preisträgern ist in Deutschland (49 verschiedene Länder!) und Frankreich (42), gefolgt von den USA (41), Spanien (31) und Italien (27) festzustellen. Auch in anderen Ländern schreitet die Internationalisierung fort. Am Deutlichsten ist dies in den USA festzustellen, wo jedes Jahr deutlich mehr ausländische Filme ausgezeichnet werden als zuvor. So waren, zum Beispiel, 2010 nur 12 Länder vertreten.
Unter den großen Produktionsländern ist lediglich Großbritannien bezüglich Internationalität von Jury-Entscheidungen mit 9 vertretenen Ländern bei knapp 50 Auszeichnungen eine unrühmliche Ausnahme – dies liegt wohl an der niedrigen Zahl internationaler Kurzfilmfestivals.

 

Die international erfolgreichsten Filme des Jahres

Wie fast immer war auch 2014 der erfolgreichste Film wieder ein Animationsfilm. Die meisten Preise (17) konnte WIND von Robert Löbel (D) einsammeln. In dem gezeichneten Film kämpfen Leute an einem Strand gegen Wind und Wetter an. Löbel erzählt dabei metaphorisch von menschlicher Anpassungsfähigkeit unter ärmlichen, widrigen Lebensbedingungen. Der Film entstand 2012/2013 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg als Abschlussfilm.
In der letzten Aufstellung zum Jahr 2013 lag er schon an vierter Stelle und hatte unter anderem Preise beim Filmfest Dresden und DOK Leipzig erhalten. 2014 setzte der Film seine Festivaltour international fort und nahm auch an vielen kleineren Festivals teil. Die Mehrheit der Auszeichnungen erhielt er auf Animationsfilmfestivals.
URL: http://www.robertloebel.com/WIND

An zweiter Stelle der Rangliste des Jahres 2014 steht mit 13 Auszeichnungen ex aequo der französisch-chinesische Kurzfilm LA LAMPE AU BEURRE DE YAK (BUTTER LAMP) von Hu Wei. Auch dieser Film war 2013 mit 7 Preisen schon gut vertreten. In dem Film, der auf den ersten Blick wie ein Dokumentarfilm erscheint, sind nomadische Tibetaner zu sehen, die für ein arrangiertes Familienfoto posieren und sich vor austauschbaren Bildhintergründen versammeln. Regisseur Hu Wei hat die Szene mit Laiendarstellern inszeniert und zeigt dabei wie moderne Errungenschaften der industrialisierten Welt auf den traditionellen Lebensstil der Dorfbewohner treffen.
Der Film startete seine Karriere eher von der Peripherie (Preise bei Festivals in Griechenland und in der Ukraine) und schaffte 2014 mit einem Grand Prix in Clermont-Ferrand den internationalen Durchbruch.
URL (Produktion): http://www.amaproductions.fr/?p=261

Auch der zweite Film mit 13 Auszeichnungen ist ein ‚alter Bekannter‘: für NASHORN IM GALOPP von Erik Schmitt hatten wir bereits 9 Auszeichnungen im Jahr zuvor verzeichnet.
In dem narrativen Kurzfilm geht es um das Stadtleben und die Architektur von Berlin, vor deren Hintergrund sich eine romantische Liebesgeschichte abspielt. Wie in allen Filmen von Erik Schmitt (und Stephan Müller) brechen dabei Animationen und Objekte aus Pappe symbolhaft für die Gefühle und Gedanken der Protagonisten in die reale Stadtwelt ein.
URL: http://kamerapferd.com/nashorn

An vierter Stelle steht mit zehn Auszeichnungen der Animationsfilm SINFONIA NO. 42 (Symphony No. 42) der deutsch-ungarischen Filmemacherin Réka Bucsi. In 47 Bildern erzählt der Film Episoden aus einer absurden Fabelwelt, in der menschliche Regungen und Verhaltensweisen auf Tiere übertragen werden.
SINFONIA NO. 42 ist übrigens wie RABBIT AND DEER, der letztes Jahr an dieser Stelle stand, ein Abschlussfilm an der Moholy-Nagy-Universität in Budapest. Seine Premiere hatte der Film im Programm der Berlinale Shorts 2013. Er erhielt beim renommierten Hiroshima Animation Festival den Hiroshima Prize.
URL (facebook): https://www.facebook.com/SymphonyNo42

An fünfter Stelle folgen zwei Filme mit jeweils acht Auszeichnungen:

  • Der Film 37°4 S von Adriano Valerio erzählt von verliebten Teenagern auf einem fernen Eiland. Das junge Paar muss sich trennen, weil das Mädchen die einsame Insel verlassen, der Junge aber bleiben möchte. Der poetisch-dokumentarische Spielfilm des italienischen Regisseurs ist eine französische Produktion, die zwischen zwei Schiffspassagen auf der Insel Tristan Da Cunha, die mitten im Atlantik liegt (der Titel nennt die Koordinaten), gedreht wurde. Der Film startete 2013 in Cannes und erhielt 2014 unter anderem den italienischen Filmpreis David di Donatello.
    URL (Produktion): http://www.originefilms.fr/cinema/production/catalogue-45/article/37o4-s?lang=fr
  • A MILLION MILES AWAY ist ein Spielfilm der amerikanischen Regisseurin Jennifer Reeder. Im Stil des magischen Realismus zeigt er die Beziehung zwischen einer unglücklich verliebten Lehrerin und ihren altklugen Teenager-Schülerinnen. In einer Chorprobe, verwandeln sich die emotionalen Beziehungen während des Einstudierens eines einzigen Liedes. Der Film startete 2014 in Rotterdam und wurde danach unter anderem auf den Festivals in Oberhausen, Wien, Ann Arbor, Bristol und Winterthur ausgezeichnet.
    URL: http://thejenniferreeder.com

Rück- und Vorschau: Aus den „Top Ten“ des Vorjahres ist 2014 außerdem der Animationsfilm PANDAS von Matus Vizár wieder oben dabei, während einer der 2014/15 vermutlich erfolgreichsten deutschen Kurzfilme, SIEBEN MAL AM TAG BEKLAGEN WIR UNSER LOS UND NACHTS STEHEN WIR AUF, UM NICHT ZU TRÄUMEN von Susann Maria Hempel, bereits 2014 mit sechs Preisen verzeichnet ist.

 

Filmgattungen

Vergleicht man die Filme, die mehr als drei Auszeichnungen erhielten, so waren von diesen 53 Filmen 25 Spielfilme, 15 Animationsfilme, 9 Dokumentarfilme und 4 Filme experimentell oder hybrid. Die hohe Zahl an Preisen für Animationsfilme ist nicht nur der Beliebtheit, sondern auch der großen Zahl an spezialisierten Animationsfilmfestivals geschuldet. Diesbezüglich sind die anderen Gattungen benachteiligt, zumal fast alle anderen Festivals nicht gattungsgebunden sind und ebenfalls Animationsfilme an ihren Wettbewerben teilnehmen lassen. Auffällig ist dieses Jahr die gewachsene Zahl an Auszeichnungen für Dokumentarfilme (2013: nur 2) und das Fehlen von künstlerischen und Experimentalfilmen an der Spitze der Preispyramide. Der klassische Kurzspielfilm ist immer noch die bevorzugte Gattung der Jurys.

 

Deutsche Filme

2014 waren acht deutsche Filme in der Gruppe der 53 Filme mit mehr als drei Auszeichnungen. Außer den bereits genannten Titeln waren dies: STILLER LÖWE von Julia Neuhaus (6 Auszeichnungen), SUNNY von Barbara Ott (6), VIRTUOS VIRTUELL (5) von Thomas Stellmach & Maja Oschmann, KATHEDRALEN (4) von Konrad Kästner, SIMPLYclever (4) von Johannes Kürschner & Franz Müller und STUFE DREI (4) von Nathan Nill sowie die Koproduktionen THE CHICKEN von Una Gunjak (6) und WO WIR SIND (4) von Ilker Catak.

135 weitere deutsche Filme erhielten im Jahr 2014 eine bis drei Auszeichnungen.
Im Ausland am Erfolgreichsten waren deutsche Filme in Spanien (10 Preise) USA und Frankreich (je 8). Insgesamt wurden im Ausland 50 deutsche Filme ausgezeichnet.

 

Publikumspreise

Es wurden mehr als 170 Publikumspreise erfasst. Die populärsten Filme waren 2014 NASHORN IM GALOPP (4 Publikumspreise von 13 Auszeichnungen, davon 2 in D), STUFE DREI (alle 4 Preise waren Publikumspreise in D), DISCIPLINE (3 von 6, davon 1 im Heimatland CH) und LA BÛCHE DE NOËL (3 von 5, davon 1 in Belgien).

 

Akkumulation von Preisen – auch 2014 dünne Luft an der Spitze

Bereits im Rückblick auf das Jahr 2008 stellten wir fest, dass sich die Verteilungspyramide der Preise an der Spitze stark verjüngt. Im Jahr 2009 waren es nur 15 Filme, die mehr als 4 Auszeichnungen akkumulieren konnten. Im Festivaljahr 2010 akkumulierten 54 Filme (aus 870 Preisträgern) fast ein Viertel aller Auszeichnungen. Im Jahr 2011 verzeichneten wir etwas mehr als 1.200 Preise, die an insgesamt 884 Filme verteilt wurden. Nur 18 Filme erhielten mehr als 4 Auszeichnungen. 2012 erhielten 35 Filme mehr als 3 Preise und 876 Filme nur je einen Preis. Im Jahr 2013 akkumulierte eine „Spitzengruppe“ von 42 Filmtiteln zusammen mehr als 253 Preise. Insgesamt 977 Filme erhielten aber nur je 1 Preis.

Im Jahr 2014 erhielten 27 Filme mehr als 4 Auszeichnungen. Eine Spitzengruppe von 53 Filmtiteln mit mehr als 3 Auszeichnungen akkumulierte insgesamt 295 aller Auszeichnungen im Jahr (also fast 20% der 1648 registrierten Preise). Damit flachte sich die Pyramide gegenüber dem Vorjahr an der Spitze etwas ab – was ein langfristiger, jedoch langsamer Trend zu sein scheint. Allerdings erhielten 2014 die überwältigende Mehrheit von Filmen (956) nur je eine Auszeichnung.

 

Kurzfilmpreise auf renommierten Langfilmfestivals

Früher spielten Kurzfilme auf großen Festivals, die überwiegend lange Spielfilme zeigen, nur eine Nebenrolle. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Die meisten großen Festivals programmieren Kurzfilme nicht mehr als Vorfilm, sondern in eigenen Wettbewerben. Teilnahmen und Preisverleihungen auf Langfilmfestivals wirken deshalb auf die Kurzfilmszene zurück, beeinflussen aber deren Jury-Entscheidungen – wie sich zeigt – nicht unbedingt. Hier einige Beispiele in chronologischer Folge:

  • Sundance (01/2014):
    Der Short Film Grand Jury Prize OF GODS AND DOGS erhielt in Nyon einen weiteren Preis.
    Der Animationsfilmpreisträger YEARBOOK war anschließend noch auf drei Festivals erfolgreich. Die übrigens sieben Kurzfilmpreisträger von Sundance jedoch nicht mehr.
  • Rotterdam (02/2014):
    Von den drei Gewinnern der Tiger Awards for Short Films (ex aequo) erhielt lediglich LA ISLA noch einen Preis (in Huesca) und THE CHIMERA OF M. (in Zagreb).
  • Berlinale (02/2014)
    Der Goldene Bär der Berlinale Shorts TANT QU’IL NOUS RESTE DES FUSILS À POMPE erhielt nach seiner Premiere in Berlin noch 3 weitere Preise (in Bordeaux, Genf und Rio). Der Silberne Bär LABORAT jedoch keinen weiteren Preis.
    Der DAAD Kurzfilmpreisträger PERSON TO PERSON war außerdem noch beim Kurzfilmfestival in Vila do Conde erfolgreich (Prémio Ficção).
    Mehr Erfolg hatte der Gewinner des Gläsernen Bären im Wettbewerb Generation KPlus: SPROUT von Ga-eun Yoon (Rep. Korea) erhielt in Busan (3) und Aspen (1) Preise.
    Der Gewinner des Gläsernen Bären Generation 14plus, MIKE, erhielt noch einen Preis in Bilbao (Mikeldo de Plata).
    Der Film MOY LICHNIY LOS‘ (MY OWN PERSONAL MOOSE) erhält nach einem Spezialpreis im Wettbewerb GenerationKplus auch einen Publikumspreis beim Fantoche-Festival.
    Weitere 6 Berlinale-Preisträger erhielten im Laufe des Jahrs keine Festivalpreise mehr.
  • Cannes (05/2014)
    Der Gewinnerfilm der Palme d’or LEIDI erhielt 2014 keinen Kurzfilmpreis mehr.
    Die Mention spéciale ging ex aequo an AISSA und JA VI ELSKER, von denen lediglich der norwegische Film noch andernorts reüssierte (in Brest und beim PÖFF).
    Der Animationsfilm THE BIGGER PICTURE von Daisy Jacobs (UK), der von der Cinefondation einen dritten Preis ex aequo erhielt, war am Erfolgreichsten: er erhielt nach Cannes noch 6 weitere Auszeichnungen,
    CROCODILE von Gaëlle Denis erhielt nach dem Prix Canal+ der Semaine Internationale de la Critique noch 2 weitere Auszeichnungen.
    In den anderen Sektionen erhielt nur der brasilianische Preisträger der Quinzaine des Réalisateurs SEM CORAÇíO (HEARTLESS) andernorts noch drei Preise und die Mention spéciale TRECE SI PRIN PERETE (IT CAN PASS THROUGH THE WALL) von Rada Jude noch zwei Preise auf anderen Festivals.
    Vier Preisträger aus Cannes erhielten keine weiteren Preise.
  • Locarno (08/2014):
    Der Gewinner des Pardino d’oro ABANDONED GOODS erhielt keinen weiteren Preis mehr. Der Pardino d’argento SHIPWRECK noch 2 weitere Auszeichnungen (in Bilbao und in Torun).
    Die Gewinner der acht anderen Kurzfilmauszeichnungen erhielten andernorts keine Preise.
  • Venedig (09/2014):
    Die Preisträger des Orizzonti Award for Best Short Film, MARYAM, und die Venice Nomination for the European Film Awards PAT – LEHEM (DAILY BREAD) erhielten 2014 keine weiteren Preise mehr.
    Wegen des späten Festivaldatums sind Festivalerfolge im darauffolgenden Jahr aber durchaus noch möglich (dies gilt auch für die Preisträger von Locarno).

 

Sind große Festivals Trendsetter und für die spätere Festivalkarriere wichtig?

Für Filmemacher ist es ein Dilemma und durchaus problematisch auf die großen (Spielfilm-)Festivals zu setzen. Denn, sie verlangen in der Regel eine Weltpremiere, zumindest aber eine nationale Premiere. Kurzfilme, die dort eingereicht werden, sind daher erst einmal für andere Einsätze blockiert. Und die Statistik zeigt: falls sie auf einem dieser Festivals erfolgreich waren, erhalten sie danach eher selten Preise auf anderen Festivals. Beste Chancen haben jedoch Filme, die auf einem dieser größeren Festivals ihre Premiere hatten, aber keine Preise erhielten!

Dies lässt sich durch einen Blick auf die Premierenfestivals der Kurzfilme mit den meisten Preisen belegen. Hier das Ergebnis für die zehn Filme, für die wir 2014 die meisten Preise registriert haben: LA LAMPE AU BEURRE DE YAK hatte bei der Semaine Internationale de la Critique 2013 seine Premiere und wurde dort nicht ausgezeichnet. NASHORN IM GALOPP startete 2013 in der Sektion Generation der Berlinale. SINFONIA NO. 42 bei der Berlinale 2014. 37°4 S in Cannes (mit einer Lobenden Erwähnung ex aequo). A MILLION MILES AWAY in Rotterdam 2014. THE BIGGER PICTURE in Cannes 2014 (3. Preis ex aequo der Cinefondation). BAGHDAD MESSI hatte beim Dubai Film Festival UAE 2013 seine Premiere und ist eine Ausnahme der Regel, da er dort als Best Film ausgezeichnet wurde. BOLES startete in Annecy 2014. BORDER PATROL beim Studentenfilmfestival Beijing mit einer Auszeichnung (Best Director). DISIPLINE hatte beim Toronto International Film Festival 2014 seine Premiere. Nur der Film mit den meisten Auszeichnungen im Jahr 2014, nämlich WIND, startete bei einem vergleichsweise kleineren Event ohne Wettbewerb, nämlich 2013 bei Pictoplasma in Berlin.

 

Nationale und internationale Filmpreise

Es wurden neun nationale Kurzfilmpreise aus den Ländern Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien Italien, Kanada, Österreich, Schweden und der Schweiz sowie die amerikanischen Academy Awards erfasst. Auffällig ist, dass es bei den Preisträgern so gut wie keine Korrelationen zu den Jury-Entscheidungen auf Festivals gibt.

  • Deutscher Kurzfilmpreis
    Von den Filmpreisen in Gold und den Nominierungen beim Deutschen Kurzfilmpreis konnte nur SIEBEN MAL von Susann Maria Hempel noch mehrere andere Preise gewinnen (6). PATCH (Nominierung) von Gerd Gockell erhielt in Annecy den Prix spécial du jury. EL CARRO AZUL (Nominierung) von Valerie Heine erhielt in Oberhausen den Preis für den besten Beitrag des NRW-Wettbewerbs. Die anderen 10 Preisträger gingen auf den Festivals leer aus!
  • Murnau-Kurzfilmpreis
    Von den sieben Preisträgern erhielten nur VIRTUOS VIRTUELL von Thomas Stellmach & Maja Oschmann und WO WIR SIND von Ilker Çatak andernorts noch Preise.
  • Dänische Filmakademie
    Die Preisträger 2 PIGER EN KAGE (Jens Dahl) und TAL R: THE VIRGIN (Daniel Dencik) des dänischen „Robert“ erhielten keine weiteren Preise.
  • British Academy
    Von den 8 BAFTA Kurzfilmpreisträgern erhielten nur zwei Filme Festivalpreise: ORBIT EVER AFTER (Nominee) von Jamie Stone einen Publikumspreis bei British Shorts Berlin und Best Use of Digital Technology in Sydney. KEEPING UP WITH THE JONESES (Nominierung) von Megan Rubens erhielt beim London Short Film Festival die Auszeichnung Best Thriller Short. Der BAFTA Short Film Winner ROOM 8 von James W. Griffiths ging leer aus.
  • Französische Césars
    AVANT QUE DE TOUT PERDRE (Meilleur Film) von Xavier Legrand wurde als Best International Short in Sidney und mit der Premio della stampa beim Sedicicorto Festival ausgezeichnet. MADEMOISELLE KIKI ET LES MONTPARNOS (Meilleur Film d’Animation) von Amélie Harrault erhielt nur 2013 einen Preis beim Grand off in Warschau.
  • Italienische Premi David di Donatelli
    Hier war, wie bereits erwähnt, der Preisträger 37°4 S (Miglior Cortometraggio) sehr erfolgreich.
  • Kanadische Screen Awards
    NOAH (Best Live Action Drama) von Patrick Cederberg & Walter Woodman wurde beim Lago Filmfest als Best Short Film ausgezeichnet  und erhielt in Clermont-Ferrand die Preise Grand Prix Labo und Prix du Public Labo.
    SUBCONSCIOUS PASSWORD (Best Animated Short) von Chris Landreth wurde außerdem in Bristol und beim Cinequest Festival in San Jose ausgezeichnet.
  • Österreichischer Filmpreis
    Der „Beste Kurzfilm“ ERDBEERLAND von Florian Pochtlatko erhielt keine weiteren Preise
  • Schwedischer Guldbagge
    ON SUFFOCATION (Best Short) von Jenifer Malmqvist erhielt in Trondheim den Spielfilmpreis.
    ÄTA LUNCH (Nomination) von Sanna Lenken hatte 2013 in Uppsala und Valladolid Preise erhalten. Die zweite Nominierung ME SEAL, BABY von Joanna Rytel erhielt keine weiteren Preise.
  • Schweizer Filmpreis
    THE GREEN SERPENT (Bester Kurzfilm) von Benny Jaberg wurde auch beim Videoex in Zürich ausgezeichnet. THE KIOSK (Bester Animationsfilm) von Anete Melece erhielt Preise in Solothurn und in Ismalia, Ägypten.
  • Academy Awards
    Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den Academy Awards und den Student Academy Awards.
    Immerhin erhielt BORDER PATROL (Student Academy Award Bronze) 5 weitere Auszeichnungen. Der dänische Film HELIUM (Short Film Live Action) von Anders Walter zuhause in Odense 2 weitere Preise. Und Mr. HUBLOT (Short Film Animated) von Laurent Witz & Alexandre Espigares 3 weitere Preise. Die anderen 14 mit einem „Oscar“ ausgezeichneten Filme, darunter der deutsche Spielfilm NOCEBO von Lennart Ruff (Foreign Category Gold Medal), hatten 2014 (und übrigens auch 2013) keine Preise auf Festivals bekommen. Besonders erstaunt, dass die amerikanischen OSCAR-Preisträger noch nicht einmal im eigenen Land Erfolge auf Festivals hatten. Für den Zeitraum 2013-2014 haben wir übrigens fast 400 Kurzfilmauszeichnungen in den USA registriert.

Es ist also offenbar so, dass bei den nationalen Filmpreisen gänzlich andere Kriterien und Modi herrschen als bei den Jurys der Filmfestivals. Für die Filmemacher ist eine solche Diversifizierung natürlich nicht schlecht, da andernfalls noch weniger Filme etwas vom Preiskuchen abbekämen. Denn, nur 20 Filme haben mehr als 10% aller Preise für sich in Anspruch nehmen können. Immerhin haben wir aber im Jahr 2014 die Rekordzahl von knapp 1.200 Kurzfilmtitel erfasst, die mindestens eine Auszeichnung erhielten.

Nachwort: Nach der Veröffentlichung dieser jährlichen Statistik erreichen uns gelegentlich Zuschriften von Filmemachern, die darauf hinweisen, dass sie doch mehr Preise als hier genannt erhalten hätten. Dies ist sicher für die meisten Filme richtig, falls man weltweit alle Wettbewerbe und Festivals inklusive kleiner regionaler Events berücksichtigt. Die Auswahl der ausgewerteten Festivals ist hier jedoch qualitativ und quantitativ beschränkt. Die Kriterien sind in der Einleitung oben offen gelegt. Es sind die gleichen Festivals, die im monatlichen Festivalkalender aufgeführt werden. Falls dort wichtige Kurzfilmfestivals fehlen, sind wir jedoch für Hinweise dankbar!

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