Rückblick auf die Kurzfilmpreisträger 2015 – eine kleine Auswertung

Standbild aus SADAKAT (Fidelity)

SADAKAT (FIDELITY) von Ilker Çatak © Hamburg Media School GmbH

Ausgehend von dem Eindruck, dass weltweit eine Hand voll Kurzfilme die meisten Preise und Auszeichnungen erhält, veröffentlichen wir an dieser Stelle jedes Jahr einen Rückblick auf die Preisträger des Vorjahres. Durch eine Auswertung der in unserer Rubrik „Auszeichnungen“ registrierten Preisträger ist es möglich diesen subjektiven Eindruck durch objektive Zahlen zu quantifizieren. Dies wiederholen wir nun in einem Rückblick auf das Jahr 2015.

Durch die Auswertung entsteht zwangsläufig eine Art Film-Hitparade. Ein solches Ranking kann selbstverständlich nicht zur Beurteilung der künstlerischen Qualität von Filmen herangezogen werden, gibt aber Auskunft über ihre Beliebtheit gemessen an Voten von Fachjurys und in Publikumsabstimmungen. Letztlich sind dies Marktdaten. Der Umstand der Preisakkumulation lässt sich schwerlich als Ausdruck objektiver Qualitätsurteile interpretieren.

Indirekt lassen sich dabei auch andere Erkenntnisse gewinnen, wie zum Beispiel Rückschlüsse auf das Produktionsvolumen einzelner Länder. Insbesondere misst die Auswertung auch den Erfolg der Kurzfilmproduktion eines Filmlandes im Vergleich zu anderen.

 

Die Untersuchungsbasis

Ausgewertet wurden alle Auszeichnungen und Preise, die für die Rubrik „Auszeichnungen“ auf shortfilm.de registriert wurden. Dies waren im vergangenen Jahr etwas mehr als 1.700 Nennungen. Dabei wurden selbstverständlich nicht alle Preise und Auszeichnungen, die weltweit irgendwo Kurzfilmen verliehen wurden, berücksichtigt.

Registriert wurden nur die größeren Kurzfilmfestivals mit internationalen Wettbewerben. Ausschließlich nationale oder regionale Veranstaltungen blieben unberücksichtigt. Nationale Filmpreise, wie in Deutschland der Deutsche Kurzfilmpreis oder in Frankreich die Césars wurden jedoch erfasst.

In der Regel wurden nur die Hauptpreise registriert. Nur bei großen Festivals wurden auch lobende Erwähnungen berücksichtigt. Auch werden, mit Ausnahme bedeutender internationaler Langfilmfestivals mit Kurzfilmwettbewerben – wie Cannes, Berlin oder Sundance – nur Auszeichnungen auf Kurzfilmfestivals berücksichtigt.

Insgesamt lagen Jury-Entscheidungen von etwa 300 Festivals und Wettbewerben vor – 52 davon in Deutschland. Wegen unseres eigenen Standorts sind deutsche, aber auch europäische Festivals und Wettbewerbe überrepräsentiert. Jedoch sind Kurzfilmländer aller Kontinente und Weltregionen berücksichtigt.

 

Starke Produktionsländer

Die Preisträger kommen aus 84 Herkunftsländern. Dies ist Rückgang gegenüber den Vorjahren (2014: 95; 2013: 102 Länder). Die mit deutlichem Abstand größte Zahl an Auszeichnungen im Jahr 2015 entfiel auf Filme aus den Ländern Deutschland (254), USA (142), Frankreich (137 Preise), Großbritannien (108), Spanien (82) und Polen (64). In diesen Zahlen sind Koproduktionen nicht enthalten.

Die Länder an der Spitze und auch die Zahl der Preise änderten sich in den letzten Jahren kaum – lediglich die Reihenfolge des Erfolgs. Frankreich und USA tauschten gegenüber 2014 die Plätze. Belgien (jetzt Rang 8) fiel zugunsten von Polen zurück. Neu ist, dass Brasilien wieder stark dabei ist (Rang 7) und Italien weiter zurückgefallen ist (Rang 14). Von der Gesamtsumme der Auszeichnungen entfielen wieder knapp die Hälfte auf Filme aus den oben genannten sechs Ländern (ca. 850).

Unter den kleineren Ländern – bezogen auf Einwohnerzahlen – waren 2015 insbesondere Filme aus Belgien, Polen und der Schweiz erfolgreich. Manchmal sind es Sondereffekte, die ein Land kurzfristig nach oben befördern. So waren 2015 die Niederlande unter den ersten Zehn, weil zwei Filme besonders erfolgreich waren (A SINGLE LIFE und IF MAMA AIN’T HAPPY, NOBODY’S HAPPY). Aus ähnlichem Grund ist dieses Mal Russland – kein kleines Land, aber ohne große Kurzfilmszene – das erste Mal unter den TOP 10. Dies lag an dem großen Erfolg des Cartoons WE CAN’T LIVE WITHOUT COSMOS von Konstantin Bronzit.

Ähnliche Effekte sind aber auch in Ländern mit höherem Produktionsvolumen zu bemerken. Wie zum Beispiel THE BIGGER PICTURE von Daisy Jacobs zugunsten von Großbritannien und die Erfolge von DISCIPLINE Christophe M. Saber für die Schweiz (13 von 47 Preisen für Schweizer Produktionen).

Die Herkunftszahlen der Preisträger reflektieren nicht nur das Produktionsvolumen an Kurzfilmen, sondern hängen auch von der Zahl der Festivals im betreffenden Land ab. Denn, insofern einheimische Filme größere Chancen auf Auszeichnungen im eigenen Land haben, hängt die Zahl preisgekrönter Filme auch von der Festivaldichte ab. Beispiele hierfür sind Deutschland, Frankreich und die USA, also Länder mit einer Vielzahl an Kurzfilmfestivals. Ein Ausnahmefall ist hier lediglich Italien, wo es zwar viele Kurzfilmfestivals gibt, aber 2015 nur wenige Kurzfilmerfolge.

Interessant sind auch die Zahlen über Auslandserfolge. Hier ergibt sich folgendes Bild (bei eingerechneten Koproduktionen): am Erfolgreichsten im Ausland waren 2015 Filme aus Frankreich (96 Auszeichnungen), Deutschland (91), Großbritannien (73), Spanien (45), USA (75), Schweiz (49) und Polen (47). Dies ist fast die selbe Reihenfolge wie 2015. Lediglich haben Deutschland und Großbritannien die Plätze getauscht und sind Belgien und Kanada zugunsten von Spanien und der Schweiz nach unten gerückt.

Unter den Ländern, die keine so ausgeprägte eigene Kurzfilmfestivalstruktur fallen 2015 wieder Polen und Kanada mit überproportionalen Erfolgen auf. In Kanada sind es wie zuvor Produktionen des National Film Board, aber auch unabhängige Produktionen, wie der Kurzspielfilm HOLE von Martin Edralin, die weltweit erfolgreich sind. Aus Polen sind insbesondere Filme von Filmschulen – dieses Mal nicht nur aus Lodz, sondern auch aus Warschau – stark vertreten. Auf eine insgesamt gute Kurzfilmstruktur zurückzuführen ist wohl auch das erfolgreiche Abschneiden von Schweizer Filmen im Ausland (49 Preise im Jahr 2015).

 

Inland- vs. Auslandserfolge

In den vergangenen Jahren erhielten im jeweils eigenen Land Filme aus Brasilien und den USA deutlich mehr Preise als im Ausland. Dies hat sich bezüglich den USA geändert insofern das Verhältnis 2015 ausgeglichen war. Abgesehen von Ländern ohne Kurzfilmfestivals gab es keine große Schere zwischen der Zahl der In- und Auslandserfolge mehr. Neben Brasilien erhielten nur Filme aus Deutschland mehr Preise im Inland als im Ausland. Deutschland ist aber in dieser Statistik ein Sonderfall, da hier die Preise sehr vieler, auch kleinerer Festivals mitgezählt werden. Deutsche Kurzfilme holten 2015 im eigenen Land 182 (2014: 151) und im Ausland 91 (2014: 79) Preise.

Umgekehrt waren insbesondere Filme aus den Niederlanden (50 im Ausland zu 5 im Inland), der Schweiz (49:3) und Kanada (27:7) im Ausland deutlich erfolgreicher als im eigenen Inland. In Portugal, wo zuvor inländische Filme sehr selten einen Preis erhielten, waren 2015 mehr eigene Produktion erfolgreich (29:14).

Ein Sonderfall sind Länder ohne ausgeprägte Kurzfilmfestival-Landschaft, die aber dennoch mit ihren Filmen im Ausland außerordentlich erfolgreich sind. Hierzu zählen Russland (38 Auslandspreise), Mexiko (14), Chile (13), Kolumbien (13), Kroatien (13), Iran und Israel (12).

Unter den größeren Produktionsländern war das Verhältnis von Inland- zu Auslandserfolgen vor allem für Filme aus Belgien, Spanien und Österreich ausgeglichen. Dies, obwohl es in den betreffenden Ländern viele Chancen auf Auszeichnungen für einheimische Filme gibt.

 

Die beliebtesten Produktionsländer in Deutschland

In Deutschland waren im Jahr 2015 am Erfolgreichsten Frankreich (16 Preise), Filme aus Großbritannien (13 Preise), Schweiz (9), USA (8), sowie Niederlande und Spanien (je 8). Damit wurde ein langfristiger Trend bestätigt. Zum ersten Mal waren aber in Deutschland französische Filme beliebter als britische. Filme aus den USA fielen gegenüber den Vorjahren etwas zurück.

 

Ländervorlieben anderswo

Französische Filme erhielten in Deutschland (16), Italien (11), USA (9) und Spanien (7) die meisten Auslandspreise.

Britische Filme waren – wie bereits zuvor – besonders erfolgreich in Deutschland (13 Preise), USA (12) und in Frankreich (10). Auffällig ist, dass deutsche Filme in Großbritannien umgekehrt auf keine Gegenliebe stießen (1 Preis).

Filme aus den USA erhielten breit gestreut in vielen Ländern Auszeichnungen, jedoch die meisten Preise in Großbritannien (9) und Deutschland (8).

Spanische Filme erhielten in Deutschland (8) und Frankreich (5) die meisten Auslandspreise.

Filme aus den südamerikanischen Ländern erhielten auf dem eigenen Kontinent die meisten Preise – gefolgt von Festivals in Deutschland und Spanien.

Filme aus den nordischen Ländern erhielten, außerhalb der eigenen Region, in Deutschland (22), Frankreich (19) und den USA (9) die meisten Preise.

58 verschiedene Filme aus Deutschland inklusive Koproduktionen erhielten 2015 im Ausland 99 Preise. Weltweit übertroffen wird der Erfolg deutscher Filme nur von Frankreich: 82 französische Filme erhielten 2015 außerhalb Frankreichs 106 Preise. Am Erfolgreichsten waren deutsche Filme in den Ländern USA, Frankreich, Spanien und Österreich.

 

Internationalität von Jury-Entscheidungen

Von den Ländern, in denen die meisten Kurzfilmpreise verliehen werden, gab es im Vorjahr bezüglich der Internationalität kaum Unterschiede. 2015 wurden in Frankreich, Italien, der Schweiz, Spanien, Portugal und Polen jeweils mehr als die Hälfte der Auszeichnungen an ausländische Filme vergeben. In Deutschland wurden dieses Jahr deutlich weniger als die Hälfte an ausländische Filme vergeben, was aber auch der umfangreicheren Datenerfassung (mehr Festivals mit geringer internationaler Beteiligung) geschuldet ist – allerdings gingen 2015 noch weniger Preise an ausländische Filme als in den Jahren zuvor.

Nach Deutschland wurden dieses Jahr auch in Brasilien, Belgien und Großbritannien mehr Preise an einheimische als an ausländische Filme vergeben. In den USA war das Verhältnis erstmals ausgeglichen.

Die größte Bandbreite an vertretenen Ländern unter den Preisträgern präsentieren Deutschland (40 verschiedene Länder!) und Frankreich (38), gefolgt von den USA (33), Spanien (25) und Italien (18). Dies ist, bis auf einen Platztausch zwischen Spanien und Italien, die selbe Reihenfolge wie im Vorjahr.

 

Die international erfolgreichsten Filme des Jahres

Der erfolgreichste Kurzfilm im Jahr 2015 war kein Animationsfilm, wie so häufig in den vergangenen Jahren, sondern ein Spielfilm zu einem aktuellen Thema, nämlich DISCIPLINE von Christophe M. Saber. In dem zwölfminütigen Schweizer Film löst die Bestrafung eines kleinen Mädchen in einem kleinen von Ägyptern geführten Laden einen heftigen, mehrsprachig geführten Streit zwischen und unter Kunden und Personal aus. Der Film reflektiert Fragen der Erziehung, des Rassismus und von Werturteilen in einem multikulturellen Milieu.

Standbild aus DISCIPLINE

DISCIPLINE von Christophe M. Saber © Box Productions

Im Jahr 2015 registrierten wir für DISCIPLINE dreizehn Preise. Der Film startete aber bereits 2014 auf dem Internationalen Filmfestival Toronto und war in der Vorjahresstatistik schon mit sechs Preisen verzeichnet. Mit mehr als 180 Festival-Teilnahmen, laut Produzentenangabe, gehört DISCIPLINE zu den erfolgreichsten Kurzfilmen der letzten Jahre.

An zweiter Stelle der Rangliste im Jahr 2015 steht mit zwölf Auszeichnungen die amerikanische Animation WORLD OF TOMORROW von Don Hertzfeldt. In dem digital produzierten Animationsfilm nimmt ein kleines Mädchen mit ihrem Klon aus der Zukunft Kontakt auf. Die Zeitreise durch einen virtuellen Computer-Kosmos ist Ausgangspunkt für universelle Menschheitsfragen über Endlichkeit, Bioethik und Transhumanismus.

WORLD OF TOMORROW erhielt zuerst beim Sundance Film Festival, anschließend auf allen renommierten Animationsfilmfestivals einen Preis und war für den Academy Award 2016 nominiert.

Mit WE CAN’T LIVE WITHOUT COSMOS steht an dritter Stelle ein weiterer Animationsfilm. In einem einfachen Cartoon-Zeichenstil erzählt Konstantin Bronzit (RU) von zwei Freunden, die gemeinsam alles tun, um ihren Traum vom Fliegen im Weltraum zu verwirklichen. In Reichweite ihres Ziel drohen aber Trennung und Verlust der Freundschaft, denn in der Rakete ist nur Platz für einen.

WE CAN’T LIVE WITHOUT COSMOS startete 2014 beim Hiroshima Animation Festival und wurde für einen Academy Award 2016 nominiert. Produzent ist das Petersburger Studio Melnitsa.

An vierter und fünfter Stelle stehen mit jeweils 11 Preisen die beiden (nicht nur) deutschen Spielfilme ALLES WIRD GUT und SADAKAT (FIDELITY).

ALLES WIRD GUT von Patrick Vollrath handelt von einem Mädchen, das im familiären Machtspiel ihrer geschiedenen Eltern zwischen die Fronten gerät. Der Spielfilm erhielt seinen ersten großen Preis beim Filmfestival Max Ophüls. Nach dem bronzenen Studentenoscar und der Nominierung für den Live Action Academy Award 2016 konnten sich auch die Österreicher freuen, denn ALLES WIRD GUT ist der Abschlussfilm eines deutschen Filmemachers an der Wiener Filmakademie.

Auch SADAKAT (FIDELITY) des deutsch-türkischen Regisseurs Ilker Çatak erhielt beim Max Ophüls Festival einen Preis sowie einen goldenen Studentenoscar und eine Nominierung für die Academy Awards 2016. Der Kurzspielfilm handelt von der Zerrissenheit einer Familie, die in Istanbul einem politischen Aktivisten auf der Flucht vor der Polizei Schutz bietet.

An nächster Stelle mit jeweils zehn Auszeichnungen folgen der deutsche Film ALIENATION und die finnisch-dänische Produktion KUUNTELE (Listen).

Der Doku-Animationsfilm ALIENATION von Laura Lehmus basiert auf Interviews mit Jugendlichen über ihre Erleben der Pubertät. Das Werk der finnischen Absolventin der Kölner Kunsthochschule für Medien ist insofern ein Phänomen, als alle zehn Auszeichnungen, die wir registriert haben, in Deutschland gewonnen wurden – unter anderem ein deutscher Kurzfilmpreis in Gold, ein Max-Ophüls-Preis und Auszeichnungen auf den Festivals in Oberhausen und Dresden.

Ausgesprochen multinational ist KUUNTELE (Listen) vom finnisch-iranischen Regisseur Hamy Ramezan und der britisch-sambischen Ko-Regisseurin Rungano Nyoni. Der Kurzspielfilm handelt von einer arabisch sprechenden Frau mit Burka, die vor ihrem gewalttätigen Mann in einer dänischen Polizeiwache Schutz sucht, aber von der Übersetzerin vor den Folgen einer Anzeige gewarnt wird. Der Film startete bereits 2014 in Cannes.

 

2014 gestartet und weiterhin erfolgreich

Einige Filme, die bereit 2014 starteten, setzten 2015 ihre Festivalkarriere erfolgreich fort. Ganz oben in der Rangfolge 2014 und 2015 steht der britische Animationsfilm THE BIGGER PICTURE von Daisy Jacobs, der 2015 unter anderem den Britischen Filmpreis (BAFTA) und eine Oscar-Nominierung erhielt.

Zu den weiterhin erfolgreichen Filmen gehört auch SINFONIA NO. 42 von Réka Bucsi (H), der 2014 mit 10 Preisen an vierter Stelle stand. Ebenso der kurze Dokumentarfilm SHIPWRECK von Morgan Knibbe (NL), der 2014 in Locarno mit einem Pardino d’argento startete, erhielt 2015 sieben weitere Preise. Auch Susann Maria Hempels SIEBEN MAL AM TAG … erhielt 2015 weitere Preise, unter anderem in Clermont-Ferrand, Barcelona und Sapporo.

 

Deutsche Filme

2015 waren neun deutsche Filme und Koproduktionen in der Gruppe der knapp 30 Filme mit mehr als vier Auszeichnungen. Außer den bereits genannten Titeln SADAKAT (FIDELITY) und ALIENATION waren dies: THE CHICKEN von Una Gunjak (8 Preise), DISSONANCE von Till Nowak (7 Preise), ERLEDIGUNG EINER SACHE von Dustin Loose (6), ROADTRIP von Xaver „Xylophon“ Böhm (6), HERMAN THE GERMAN von Michael Binz (5) und THE PRESENT von Jacob Frey (5). Die Auszeichnungen für die beiden Letzteren wurden alle in Deutschland vergeben.

 

Publikumspreise

Insgesamt wurden mehr als 169 Publikumspreise erfasst. Die populärsten Filme waren 2015 der Animationsfilm WORLD OF TOMORROW von Don Hertzfeldt (USA), der Animationsfilm ROADTRIP von Xaver „Xylophon“ Böhm (D), der Spielfilm HERMAN THE GERMAN von Michael Binz (D) und der Spielfilm von GUY MOQUET von Demis Herenger (F). HERMAN THE GERMAN erhielt nach dieser Auswertung neben den Publikumspreisen nur zwei Jury-Preise (auf dem Filmschulfest München). Weitere, größere Abweichungen zwischen den Voten des Publikums und der Fachjurys waren nicht festzustellen. Für fast alle Top-Ten-Filme der Jurys gab es auch Publikumspreise. und 169 Publikumspreise wurden auf beachtliche 145 verschiedene Filme breit verteilt.

 

Karrieren von Preisträgern renommierter Langfilmfestivals

Früher spielten Kurzfilme auf großen Festivals, die überwiegend lange Spielfilme zeigen, nur eine Nebenrolle. Inzwischen programmieren die meisten großen Festivals Kurzfilme nicht mehr als Vorfilm, sondern in eigenen Wettbewerben und verlangen als Teilnahmebedingung eine Premiere. Insofern Kurzfilme überwiegend auf Festivals gezeigt werden, stellt sich die Frage inwieweit hierdurch das Abspiel von Filmen geblockt und Festivalkarrieren ausgeschlossen werden.

 

Berlinale (02/2015): Der mit dem Goldenen Bär ausgezeichnete HOSANNA von Na Young-kil (Südkorea) und der Silberne Bär BAD AT DANCING von Joanne Arnow erhielten 2015 keine weiteren Preise mehr. PLANET SIGMA von Momoko Seto (Audi Short Film Award) wurde anderswo noch zweimal ausgezeichnet. Und der Teddy Preisträger SAN CRISTOBAL (Omar Z. Hidalgo, Chile) noch eine weitere Auszeichnung. Nur die Berliner EFA Nominierung DISSONANCE von Till Nowak (D) war nach der Berlinale anderswo noch sehr erfolgreich.

Cannes (05/2015): Von sieben Preisträgern in den verschiedenen Sektionen haben zwei Filme noch weitere Preise erhalten: Der dritte Preis ex aequo der Cinéfondation, THE RETURN OF ERKIN von Maria Guskova (RU), wurde außerdem noch auf Festivals in Russland, Polen und Südkorea ausgezeichnet und die Goldene Palme WAVES ’98 von Ely Dagher (Lib/Qatar) erhielt nach Cannes noch beim Reel Shorts Festival in Chicago einen Preis.

Aus dem Vorjahr war aber der Cannes-Teilnehmer KUUNTELE (Listen) – mit großer Verspätung – 2015 erfolgreich. Schwer nachvollziehbar ist, daß auch der kolumbianisch-britische Film LEIDI von Simon Mesa Soto (Goldene Palme im Mai 2014) im gleichen Jahr keine Kurzfilmfestivalpreise, in 2015 aber wieder auftauchte und immerhin fünf Preise erhielt.

Locarno (08/2015): Abgesehen von den Preisträgern im Schweizer Wettbewerb erhielt nur ein internationaler Locarno-Preisträger anschließend weitere Auszeichnungen. Und zwar erhielt der Pardino d’argento LA IMPRESION DE UNA GUERRA von Camilo Restrepo (F/Col) noch je einen Preis in Bilbao (ES) und Recife (BR).

Auch im Fall aus Locarno gab es einen ‚Spätzünder’: Der Pardino d’argento von 2014, SHIPWRECK von Morgan Knibbe (NL), erhielt 2015 sieben Preise auf Kurzfilmfestivals.

Rotterdam (02/2015): Von den 3 Tiger Awards erhielten nur THINGS von Ben Rivers (UK) noch zwei Preise (in Ann Arbor und Prizren) und LA FIÈVRE von Safia Banhaim (F) eine Auszeichnung beim EMAF Osnabrück. Die Tiger von 2014 waren 2015 nicht mehr unterwegs…

Sundance (01/2015): Erfolgreicher hingegen waren die Preisträger von Sundance. Drei Filme erhielten anschließend Preise auf Kurzfilmfestivals. Der Grand Jury Prize WORLD OF TOMORROW von Don Hertzfeldt, OH LUCY! von Atsuko Hirayanagi und THE FACE OF UKRAINE: CASTING OKSANA BAIUL von Kitty Green.

Venedig (09/2015): Nur die EFA Nominierung E.T.E.R.N.I.T von Giovanni Aloi (F) wurde noch ein einziges Mal ausgezeichnet (in Milano). Man könnte argumentieren, dass das Festivaljahr nach Venedig zu kurz ist, aber auch die beiden Orrizonti-Preisträger des Vorjahres erhielten keine weiteren Preise mehr auf Festivals in 2015.

 

Akkumulation von Preisen – auch 2015 dünne Luft an der Spitze

Bereits beim ersten Jahresrückblick (2008) stellten wir fest, dass sich die Verteilungspyramide der Preise an der Spitze stark verjüngt. Im Jahr 2009 waren es nur 15 Filme, die mehr als 4 Auszeichnungen akkumulieren konnten. Im Festivaljahr 2010 akkumulierten 54 Filme fast ein Viertel aller Auszeichnungen. Im Jahr 2011 erhielten nur 18 Filme mehr als 4 Auszeichnungen. 2012 erhielten 30 Filme mehr als 4 Preise. Im Jahr 2013 akkumulierte eine ‚Spitzengruppe’ von 42 Filmtiteln zusammen mehr als 253 Preise (18 Filme mehr als 4 Preise). Im Jahr 2014 akkumulierte die Spitzengruppe von 53 Filmtiteln insgesamt 295 aller Auszeichnungen (26 Filme mehr als 4 Preise) und 956 Filme erhielten nur je eine Auszeichnung.

2015 erhielten wie im Vorjahr 26 Filme mehr als vier Auszeichnungen und akkumulierten damit mehr als 200 von den 1.720 insgesamt registrierten Preisen des Jahres. Damit verbreiterte sich die Spitze gegenüber früher. Doch an nur etwas mehr als 2% aller Preisträgerfilme wurden über 12% aller Auszeichnungen vergeben. Und 980 von insgesamt mehr als 1.200 Filmen mussten sich 2015 nur je eine Auszeichnung begnügen. Die virale Aufmerksamkeit und Fokusierung von Fach- und Publikumsjurys auf weltweit nur wenige Filme scheint leider unerschütterlich!

 

Disclaimer;-) Nach der Veröffentlichung dieser jährlichen Statistik erreichen uns gelegentlich Zuschriften von Filmemachern, die darauf hinweisen, dass sie doch mehr Preise als hier genannt erhalten hätten. Dies ist zweifellos richtig, wenn weltweit alle Wettbewerbe und Festivals inklusive kleiner regionaler Events mitgezählt werden. Die Auswahl der ausgewerteten Festivals ist hier jedoch qualitativ und quantitativ beschränkt. Die Kriterien sind in der Einleitung oben offengelegt. Es sind fast alle Festivals, die im monatlichen Festivalkalender aufgeführt werden. Falls dort wichtige Kurzfilmfestivals fehlen, sind wir jedoch für Hinweise dankbar!

 

siehe auch: Rückblick auf die Kurzfilmpreisträger 2014