Rückblick auf die Kurzfilmpreisträger 2012 – eine kleine Auswertung

Analyse

Ausgehend von dem Eindruck, dass weltweit eine Hand voll Kurzfilme die meisten Preise und Auszeichnungen erhält, veröffentlichen wir an dieser Stelle jedes Jahr einen Rückblick auf die Preisträger des Vorjahres. Durch eine Auswertung der in unserer Rubrik „Auszeichnungen“ registrierten Preisträger ist es möglich diesen subjektiven Eindruck durch objektive Zahlen zu quantifizieren. Dies wiederholen wir nun in einem Rückblick auf das Jahr 2012.

Durch die Auswertung entsteht zwangsläufig auch eine Art Film-Hitparade. Ein solches Ranking kann selbstverständlich nicht zur Beurteilung der künstlerischen Qualität von Filmen herangezogen werden, gibt aber Auskunft über ihre Beliebtheit gemessen an Voten von Fachjurys und in Publikumsabstimmungen.

Indirekt lässt sich dabei auch ablesen, wie und wo Festivalkarrieren von Filmen ins Rollen kommen. Auch werden Trends in der Bevorzugung bestimmter Filmgattungen oder Themen sichtbar. Weiterhin gibt die Auswertung Aufschluss über die Verteilung der Preise bezüglich der Herstellungsländer der Filme.

 

Die Untersuchungsbasis

Ausgewertet wurden alle Auszeichnungen und Preise, die auf shortfilm.de in der Rubrik „Auszeichnungen“ im Jahr 2012 veröffentlicht wurden. Dies waren im vergangenen Jahr etwas mehr als 1.400 Nennungen. Berücksichtigt wurden in den Meldungen selbstverständlich nicht alle Preise und Auszeichnungen, die weltweit irgendwo Kurzfilmen verliehen werden.

Regelmäßig registriert werden in unserer Rubrik „Auszeichnungen“ nur die größeren Kurzfilmfestivals mit internationalen Wettbewerben. Ausschließlich nationale oder regionale Veranstaltungen bleiben unberücksichtigt. Nationale Filmpreise, wie in Deutschland der Deutsche Kurzfilmpreis oder in Großbritannien die BAFTA Auszeichnungen, werden jedoch erfasst.

In der Regel wurden nur die Hauptpreise registriert. Nur bei wenigen, großen Festivals wurden auch lobende Erwähnungen genannt. Auch werden, mit Ausnahme bedeutender internationaler Langfilmfestivals mit Kurzfilmwettbewerben wie Cannes, Berlin oder Sundance, nur Auszeichnungen auf Kurzfilmfestivals berücksichtigt.

Insgesamt liegen uns für 2012 Jury-Entscheidungen von etwa 300 Festivals und Wettbewerben vor –  etwa 50 davon in Deutschland. Wegen unseres eigenen geografischen Standorts sind europäische Auszeichnungen leicht überrepräsentiert. Jedoch sind alle Kontinente und Weltregionen berücksichtigt.

 

Starke Produktionsländer

Die Preisträger kommen aus 85 Herkunftsländern. Dies ist eine Steigerung gegenüber den Vorjahren. Neu hinzugekommen sind insbesondere Filme aus arabischen und kleineren lateinamerikanischen Ländern. Die mit deutlichem Abstand größte Zahl an Auszeichnungen im Jahr 2012 entfiel auf Filme aus den Ländern Deutschland (203), Frankreich (138 Preise), USA (117), Spanien (84) Großbritannien (110), Belgien (58) und der Schweiz (58). Reihenfolge und Zahl der Preise änderten sich unter den ersten Fünf gegenüber dem Vorjahr kaum. Auffällig ist lediglich, dass im Verlauf der letzten Jahre Filme aus Großbritannien immer weniger Preise erhalten hatten, jetzt aber den Status wieder zurückerobern. Neu sind die sechsten und siebten Plätze, die im Vorjahr von Italien und Polen gehalten wurden. Von der Gesamtsumme der Auszeichnungen entfielen mehr als die Hälfte auf Filme aus den oben genannten sieben Ländern.

Unter den kleineren Ländern – bezüglich ihrer Einwohnerzahlen oder ihrer Kurzfilmproduktion – waren 2012 insbesondere Belgien, die Schweiz und Polen erfolgreich. Die Verdoppelung der Zahl der Preise für Filme aus Belgien gegenüber den Vorjahren, ist einem einzigen Titel zu verdanken. Die belgisch-französisch-niederländische Koproduktion OH WILLY … holte allein 27 Auszeichnungen.

Ähnliche Effekte sind aber auch in Ländern mit hohem Produktionsvolumen zu bemerken. Zugunsten Spanien wirkte sich der Erfolg von UNA HISTORIA PARA LOS MODLIN (Sergio Oksman) aus. Einen ähnlichen Effekt erzielte Grzegorz Jaroszuk mit FROZEN STORIES für Polen.

Die Herkunftszahlen der Preisträger reflektieren nicht nur das Produktionsvolumen an Kurzfilmen, sondern hängen auch von der Zahl der Festivals im betreffenden Land ab. Denn, insofern einheimische Filme größere Chancen auf Auszeichnungen im eigenen Land haben, hängt die Zahl preisgekrönter Filme auch von der Festivaldichte in den jeweiligen Ländern ab. Beispiele hierfür sind Deutschland, Frankreich, die USA und Spanien.

Interessant sind auch die Auslandserfolge. Hier ergibt sich folgendes Bild: am Erfolgreichsten im Ausland waren 2012 Filme aus Frankreich (77 Auszeichnungen), Großbritannien (71), Deutschland (61), USA (54) und Belgien (50). Filme aus diesen Ländern holten im Ausland mindestens die Hälfte aller Preise, die sie gewannen. Eine Ausnahme ist Deutschland, das 2012 nicht mehr an die Auslandserfolge in den Vorjahren anknüpfen konnte. Frankreich und die USA verbesserten hingegen ihre Auslandserfolge deutlich.

Unter den Ländern, die im Vergleich zu Deutschland, Frankreich oder Spanien keine ausgeprägte eigene Kurzfilmfestivalstruktur haben, fallen Polen und Kanada mit überproportionalen Erfolgen auf. In Kanada sind es die Produktionen des National Film Board, aber auch unabhängige Produktionen, die weltweit erfolgreich sind. Aus Polen sind insbesondere Filme von der Hochschule in Lodz stark vertreten.

 

Inland- vs. Auslandserfolge

In den vergangenen Jahren erhielten im jeweils eigenen Land Filme aus Brasilien und den USA deutlich mehr Preise als im Ausland. Dies ist auch jetzt noch so, aber der Abstand hat sich verringert. Auch Österreich und Frankreich gehörten zu den Ländern, in denen eigene Produktionen in der Heimat mehr Auszeichnungen erhalten als im Ausland. Diese Situation hat sich 2012 verändert. Insgesamt gibt es, einmal abgesehen von Ländern ohne Kurzfilmfestivals oder Filmpreisen, keine große Diskrepanzen zwischen In- und Auslandserfolg mehr. Nur deutsche Kurzfilme holten 2012 im eigenen Land überproportional so viele Preise, wie schon lange nicht mehr (142).

Umgekehrt waren insbesondere Filme aus den Niederlanden, Belgien, Russland und Estland im Ausland erfolgreicher als im Inland.

Das Verhältnis von Preisträgern aus dem eigenen Land gegenüber Filmen aus dem Ausland war 2012 wieder einmal für die Portugiesen am Ungünstigsten. Auch in Italien wurden deutlich mehr Preise an ausländische als an inländische Filme vergeben.

Unter den größeren Produktionsländern war das Verhältnis von Inland- zu Auslandserfolgen vor allem für Filme aus Frankreich, Spanien und erstmals aus den USA ausgeglichen. Dies, obwohl es in den betreffenden Ländern eine hohe Festivaldichte gibt und es dort entsprechend viele Chancen auf Auszeichnungen für Filme aus dem eigenen Land gibt.

 

Die beliebtesten Produktionsländer in Deutschland

In Deutschland waren im Jahr 2012 am Erfolgreichsten Filme aus Großbritannien (13 Preise), Frankreich (10 Preise), Polen (9 Preise), Spanien (9 Preise) und der Schweiz (8 Preise).
Bezüglich Großbritannien und Frankreich wurde ein langfristiger Trend bestätigt. Filme aus Belgien, den Niederlanden und den USA fielen hingegen 2012 auf deutschen Festivals zurück.
Am Erfolgreichsten waren deutsche Filme in den USA, Spanien und Frankreich.

 

Ländervorlieben anderswo

Französische Filme erhielten in Deutschland (10), Spanien (9) und Italien (6) die meisten Auslandspreise. Britische Filme waren erfolgreich in Deutschland (13 Preise), USA (11) und in Frankreich (7). Filme aus den USA erhielten breit gestreut in vielen Ländern Preise, jedoch die meisten Preise in Deutschland, Frankreich und Kanada (je 6). Spanische Filme erhielten in Deutschland (9) und Frankreich (4) die meisten Auslandspreise.
Filme aus den nordischen Ländern Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden erhielten in Frankreich (9), Italien (5) und den USA (5) die meisten Auszeichnungen.

 

Internationalität von Jury-Entscheidungen

Von den Ländern, in denen die meisten Kurzfilmpreise verliehen werden, gab es bezüglich der Internationalität kaum Unterschiede. Sowohl in Frankreich, Spanien, Italien und (knapp) in den USA wurden jeweils mehr als die Hälfte der Auszeichnungen an ausländische Filme vergeben. Dies entspricht den Ergebnissen des Vorjahres. Nur in Deutschland wurden dieses Jahr erstmals mehr Preise an einheimische Filme vergeben.

Die größte Bandbreite an vertretenen Ländern unter den Preisträgern ist in Deutschland (33 verschiedene Länder) und Frankreich (30), gefolgt von Spanien und Italien (je 26) festzustellen. Auch in anderen Ländern schreitet diese Internationalisierung fort.

 

Die international erfolgreichsten Filme des Jahres

Wie in den letzten Jahren war der erfolgreichste Film des Jahres 2012 wieder ein Animationsfilm: OH WILLY… von Emma de Swaef & Marc James Roels. Die belgisch-niederländisch-französische Koproduktion ist ein Stop-Motion-Animationsfilm, dessen Figuren aus Wolle und Textilien handgefertigt wurden. Der Film erzählt von dem schüchternen 50jährigen Willy, der seine sterbende Mutter in einem Nudisten-Camp besucht. In verwirrter Traurigkeit flüchtet er nach ihrem Tod aus dem Camp und findet in freier Natur mütterlichen Schutz bei einem großen, behaarten Tier. Emotional aufgeladen, aber ruhig und dialoglos erzählt, handelt der Film von der menschlichen Existenz und der Sehnsucht nach Geborgenheit und kindlicher Unschuld.
URL: www.emmadeswaef.be/ohwilly

OH WILLY… hat in nur einem Jahr eine Rekordzahl an Auszeichnungen erhalten. Wir verzeichneten 2012 für OH WILLY… 27 Preise – das sind deutlich mehr als die Rekordhalter in den Vorjahren (THE EXTERNAL WORLD und SINNA MANN) und mehr als doppelt so viel Preise als der Film, der 2012 an zweiter Stelle steht.

Seinen ersten großen Preis erhielt der Film im April 2012 auf dem Holland Animation Film Festival. Anschließend wurde er vor allem auf anderen Animationsfilmfestivals ausgezeichnet. Eine Auswertung auf Festivals, die nicht ausschließlich Animationsfilm zeigen, ist noch im Gange. Gestartet wurde er allerdings bereits im Februar 2012 beim Kurzfilmfestival in Clermont-Ferrand.

An zweiter Stelle mit den meisten Auszeichnungen steht der spanische Dokumentarfilm UNA HISTORIA PARA LOS MODLIN (A Story for the Modlins) des brasilianischen Filmemachers Sergio Oksman. Auf der Grundlage zufällig auf der Straße gefundener Fotos rekonstruiert der Film die Geschichte der Familie Modlin. Der Schauspieler Elmer Modlin ist nach seinem Auftritt in Polanski’s ROSEMARY’S BABY mit Frau und Sohn verschwunden. Die 30 Jahre später gefundenen Fotos dokumentieren, dass sich die Familie in ein dunkles Apartment eingeschlossen hat und Jahrzehnte isoliert lebte. Der halbstündige Film changiert zwischen dokumentarischen und inszenierten Erzählweisen. Wie bereits in früheren Filmen von Sergio Oksman, zum Beispiel NOTES ON THE OTHER über Hemingway-Doubles, stellt auch UNA HISTORIA die strikte Zuweisung von Fiktion und Wahrheit für Spiel- bzw. Dokumentarfilme in Frage.
URL: www.dokfilms.es

UNA HISTORIA PARA LOS MODLIN ist einer der wenigen Dokumentarfilme, die in den letzten Jahren auf Kurzfilmfestivals eine beträchtliche Anzahl von Preisen erringen konnte (11). Seine erste Auszeichnung erhielt der Film im Mai 2012 auf dem Festival Documenta Madrid. Er wurde jedoch bereits zuvor in Sundance, Sidney und Clermont-Ferrand gezeigt.

An dritter Stelle folgen gleich mehrere Filme mit gleich vielen Auszeichnungen (8):

  • Der Zeichentrickfilm KUHINA (Swarming) über ein Kind, das in einem toten Vogel Leben – Insekten – entdeckt, von Joni Männistö (FIN) entstand an der Turku Arts Academy. KUHINA wurde fast ausschließlich auf Animationskurzfilmfestivals ausgezeichnet, erhielt aber außerdem weitere Auszeichnungen auf Studentenfilmfestivals, die wir nicht registriert haben. Die erste große Auszeichnung erhielt der Film in Brüssel beim Anima-Festival.
  • Der Spielfilm OPOWIESCI Z CHLODNI (Frozen Stories) ist der Abschlussfilm von Grzegorz Jaroszuk an der polnischen Filmhochschule PWSFTviT in Lodz. Er erzählt sarkastisch mit kühlem Humor von einer jungen Frau und einem jungen Mann, die an ihrem Arbeitsplatz – einem Supermarkt – zu den schlechtesten Mitarbeitern gewählt wurden und über einen Wettbewerb in einer TV-Sitcom ein neues Leben beginnen wollen. Seine erste Auszeichnung auf einem größeren Kurzfilmfestival erhielt FROZEN STORIES in Clermont-Ferrand, auf Spielfilmfestivals in Locarno 2011.
  • THE CENTRIFUGE BRAIN PROJECT von Till Nowak (D) ist eine Fake-Dokumentation über wissenschaftliche Experimente in der Gehirnforschung über die Wirkung von Zentrifugen, wie zum Beispiel Jahrmarktkarusselle. Einen ersten Preis in Deutschland erhielt der Film bei Exground 2011 in Wiesbaden und dann im Januar 2012 beim Filmwinter in Stuttgart. Seitdem ist der Film erfolgreich weltweit unterwegs und sammelte zusätzlich noch Dutzende Publikumspreise und lobende Erwähnungen, u.a. auch in Oberhausen, ein. Till Nowak war zuvor mit dem Animationsfilm DELIVERY (2005) international erfolgreich.
    URL: www.framebox.de

Auch an vierter Stelle folgen mehrere Titel mit gleich viel Auszeichnungen (7): Der Spielfilm I HAVE A BOAT von Nathan Nill (D); der Trickfilm IT`S SUCH A BEAUTIFUL DAY von Don Hertzfeldt (USA), der Spielfilm KILLING THE CHICKENS TO SCARE THE MONKEYS von Jens Assur (S), der Zeichentrickfilm TRAMVAJ (Tram) von der tschechischen Künstlerin Michaela Pavlatova (F) und der Kurzdokumentarfilm WIR STERBEN von Josephine Links (D).

Abgesehen von dem großen Abstand zwischen OH WILLY… und den nächsterfolgreichsten Filmen, war die Streuung der Preise im Festivaljahr 2012 breiter als in den Jahren zuvor. An fünfter und sechster Stelle folgen jeweils Filme mit neun beziehungsweise elf Auszeichnungen.

Erneut spielten Oscar-Nominierungen unter den bei uns registrierten Auszeichnungen und Festivalpreisen keine große Rolle. Lediglich der US-amerikanische Kurzspielfilm CURFEW (6 Preise in 2012) von Shawn Christensen ist für einen Oscar nominiert. Der Film wurde in Europa zuerst in Clermont-Ferrand ausgezeichnet.

Im Jahr 2011 waren die Gewinner überwiegend Kurzspielfilme und im Jahr zuvor ausschließlich Animationsfilme. Ganz oben an der Spitze war die Filmgattungen 2012 erstmals ausgewogen vertreten.

Vergleicht man die Filme, die mehr als drei Auszeichnungen erhielten, so waren von 35 Filmen achtzehn Spielfilme, fünfzehn Animationsfilme und nur zwei Dokumentarfilme. Die hohe Zahl an Preisen für Animationsfilme ist sicher der großen Zahl an spezialisierten Animationsfilmfestivals geschuldet. Diesbezüglich sind die anderen Gattungen benachteiligt, zumal fast alle anderen Festivals nicht gattungsgebunden sind und zusätzlich Animationsfilme an ihren Wettbewerben teilnehmen lassen. Auffällig ist die geringe Zahl an Auszeichnungen für Dokumentarfilme und das Fehlen von Experimentalfilmen an der Spitze der Preispyramide.

Anm: zum künstlerischen Film (artists‘ film and video) im Jahr 2012, der auf Kurzfilmfestivals i.d.R. keine große Rolle spielt veröffentlichen wir an anderer Stelle einen Bericht.

Deutsche Filme

Nach THE CENTRIFUGE BRAIN PROJECT mit acht Preisen und WIR STERBEN und I HAVE A BOAT mit sieben Preisen war das Feld im Festivaljahr 2012 breit gestreut. Nach FLAMINGO PRIDE mit 4 Preisen folgten mehrere Filmen mit drei Auszeichnungen: DIE SCHAUKEL DES SARGMACHERS, GEFALLEN, KELLERKIND, KURSDORF, MÄDCHENABEND, NUN SEHEN SIE FOLGENDES, SECHSTER SINN, DRITTES AUGE, ZWEITES GESICHT, SOUNDING GLASS, VERONIKA und ZING.

Alle übrigen knapp 150 deutschen Filmen, die 2012 einen auf shortfilm.de registrierten Preis gewonnen haben, erhielten jeweils nur ein oder zwei Auszeichnungen.

 

Publikumspreise – breite Streuung und differenzierte Voten

Insgesamt wurden knapp 130 Publikumspreise erfasst. Die populärsten Filme waren 2012 OH WILLY… und CURFEW (US-amerikanische Oscar-Nominierung); gefolgt von THE CENTRIFUGE BRAIN PROJECT, A MORNING STROLL (Animationsfilm von Grant Orchard, UK) und RHINOS (Spielfilm von Shimmy Marcue, Ireland). Die deutschen Filme mit den meisten Publikumspreisen erhielten – mit Ausnahme von CENTRIFUGE – diese Preise fast ausschließlich auf deutschen Festivals.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Voten des Publikums und der Fachjurys war bisher die Bandbreite der ausgezeichneten Filme, die bei den Fachjurys in der Regel wesentlich größer ist, während Publikumsvoten eher zu einer Akkumulierung von Preisen führen. Das war 2011 bereits anders und hat sich 2012 als Trend bestätigt. 127 Publikumspreise wurden auf beachtliche 113 verschiedene Filme breit verteilt.

 

Auch 2012 dünne Luft an der Spitze: Akkumulation von Preisen

Bereits im Rückblick auf das Jahr 2008 stellten wir fest, dass sich die Verteilungspyramide der Preise an die Filme an der Spitze stark verjüngt. Im Jahr 2009 waren es nur 15 Filme, die mehr als 4 Auszeichnungen akkumulieren konnten. Im Festivaljahr 2010 akkumulierten 54 Filme (aus 870 Preisträgern) fast ein Viertel aller Auszeichnungen.

Im Jahr 2011 verzeichneten wir etwas mehr als 1.200 Preise, die an insgesamt 884 Filme verteilt wurden. Davon erhielten 718 Filme nur je einen Preis. 18 Filme erhielten mehr als 4 Auszeichnungen.

Die Pyramide ist zwar flacher geworden, doch akkumulierte immer noch eine relativ kleine „Spitzengruppe“ von 35 Filmen mit mehr als drei Preisen zusammen fast ein Sechstel (226) aller Auszeichnungen. Hingegen erhielten 876 Filme nur je einen Preis, 112 Filme zwei Preise und 43 Filme drei Preise.

 

Konsens-Festivals und Trendsetter

Betrachtet man die erfolgreichsten Filme (mehr als 3 Auszeichnungen) und untersucht die gemeinsame Schnittmenge von Festivals auf denen sie ausgezeichnet wurden, so ließ sich noch 2009 feststellen, dass auf einer relativ kleinen Gruppe von Festivals viele dieser Preisträger zugleich eine Auszeichnung erhielten. Dies war 2012 nicht so deutlich. Auf sehr vielen Festivals gehörten aber mindestens zwei Preise zur gemeinsamen Schnittmenge der am häufigsten ausgezeichneten Filme: Clermont-Ferrand, Anima Brüssel, Annecy und Sidney.

Die meisten, später erfolgreichen Filme sind auf folgenden Festivals gestartet worden: Clermont-Ferrand (mit großem Abstand), Cannes, Locarno und Sundance. Die meisten deutschen Premieren der am häufigsten international ausgezeichneten Filme hatten im Jahr 2012 die Kurzfilmtage Oberhausen, die Berlinale und das Kurzfilmfestival Hamburg.

 

Kurzfilmpreise auf renommierten Langfilmfestivals

Früher spielten Kurzfilme auf großen Festivals, die überwiegend lange Spielfilme zeigen, nur eine Nebenrolle. Dies hat sich in den letzten Jahren geändert. Seit die meisten großen Festivals Kurzfilme nicht mehr als Vorfilm, sondern in eigenen Wettbewerben programmieren, sind diese in ihrer Filmauswahl auch experimentierfreudiger geworden. Teilnahmen und Preisverleihungen auf Langfilmfestivals wirken deshalb auf die Kurzfilmszene zurück, beeinflussen aber deren eigene Jury-Entscheidungen nicht unbedingt.

  • Berlinale (02/2012): Von den elf im Rahmen der Berlinale ausgezeichneten Kurzfilme erhielten nur zwei Filme später auf Kurzfilmfestivals einen oder mehrere Preise: THE GREAT RABBIT von Atsushi Wada (J) und RAFA von Joí£o Salaviza (P).
  • Cannes (05/2012): Von acht Preisträgern in Cannes hatten drei Filme anschließend Preischancen auf nachfolgenden Kurzfilmfestivals: SESSIZ-BE DENG (Silent) von L. Rezan Yesilbas (Türkei), THE CURSE von Fyzal Boulifa (UK/Marokko) und UN DIMANCHE MATIN von Damien Manivel (F). Der türkische Palme d’Or Preisträger erhielt anschließend in Vila do Conde, Dubai, Prizren, Melbourne und Grimstad weitere Preise.
  • Locarno (08/2012): Von acht Kurzfilmauszeichnungen beim Festival in Locarno erhielt der Pardino d’oro Preisträger THE MASS OF MEN von Gabriel Gauchet (UK) anschließend noch vier weitere Preise. Außerdem gehört der Locarno-Preisträger des Vorjahrs OPOWIESCI Z CHLODNI (Frozen Stories) dieses Jahr zu den Spitzenpreisträgern.
  • Rotterdam (02/2012): Keiner der Preisträger wurde später auf Kurzfilmfestivals ausgezeichnet.
  • Sundance (01/2012): Von sechs Kurzfilmauszeichnungen beim Sundance Festival reüssierte anschließend nur A MORNING STROLL.
  • Venedig (09/2012): Das Filmfestival Venedig fand im September statt, also vielleicht zu spät um noch im gleichen Jahr Wirkungen zu erzeugen. Keiner der beiden Orrizonte-Preisträger erhielt 2012 auf einem Kurzfilmfestival einen Preis.

Diese großen Festivals verlangen in der Regel als Teilnahmekriterium eine Weltpremiere – zumindest eine nationale oder europäische Premiere. Kurzfilme, die dort gezeigt wurden, stehen freiwillig oder unfreiwillig am Anfang ihrer potentiellen Festivalkarriere. Was die Preis-Statistik nicht zeigt, ist die Tatsache, dass Filme, die später auf Kurzfilmfestivals Preise erhalten, häufig ihre Premiere auf diesen Festivals haben. Auffällig ist jedoch, dass im Falle des Erfolgs auf einem dieser Festivals eher selten weitere Preise auf Kurzfilmfestivals folgen!

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