Schule des Sehens: Filme sehen, diskutieren und verstehen

Praktische Tipps

Workshop Filmkunstmesse Leipzig © AG Kurzfilm

Drei Fragen an Luc-Carolin Ziemann, Filmvermittlerin und Kuratorin (DOK Leipzig, Bundeszentrale für politische Bildung, Vision Kino, etc.) sowie Autorin diverser Filmhefte und medienpädagogischer Handreichungen für LehrerInnen.

Frage: Brauchen wir heute überhaupt noch medienpädagogische Projekte? Kinder und Jugendliche sind uns heute doch medial weit voraus, oder?

Ziemann: Einerseits stimmt das. Kinder und Jugendliche sind heute von Film und anderen Medien in einem nicht gekannten Maß umgeben. Mediales Multitasking ist das Gebot der Stunde – vor allem Jugendliche „streuen“ ihre Aufmerksamkeit. Und hier kommt das Andererseits: das konzentrierte Sehen und die Reflexion des Erlebten sind inzwischen fast zur Ausnahme geworden. Dabei ist die Fähigkeit, Medien nicht nur oberflächlich aufzunehmen, sondern in ihrer Komplexität zu verstehen, eine Schlüsselqualifikation unserer Zeit. Nur wer begreift, wie ein Film aufgebaut ist, kann ihn wirklich verstehen. Nur wer seine Fragen und Ideen artikulieren kann, wird gehört und gesehen. Sich auf ein konzentriertes Sehen einzulassen und einen Film gemeinsam zu „entschlüsseln“, ist für Kinder und Jugendliche also auch heute durchaus eine Herausforderung.

Frage: Das klingt jetzt aber nicht so, als ob es viel Spaß machen würde. Wie motiviert man denn eine Gruppe 12-Jähriger, sich auf diese Herausforderung einzulassen?

Ziemann: Zum einen durch die Wahl des richtigen Ortes. Nirgendwo sonst kann man sich besser auf einen Film konzentrieren als im Kino. Die Atmosphäre ist tatsächlich ganz wichtig. Außerdem braucht man natürlich tolle Filme, die auch Teenager in ihren Bann ziehen. Ich arbeite hier sehr gern mit Kurzfilmen, denn die haben gleich mehrere Vorteile:

Sie sind kurzweilig und lassen sich durch ihre vergleichsweise geringe Länge gut miteinander kombinieren. So kann man zum Beispiel zwei oder drei sehr unterschiedliche Filme zu einem Thema zeigen oder eine Genrevielfalt zwischen Fiction, Dokumentar- und Animationsfilm präsentieren, die deutlich macht, wie unterschiedlich Filme arbeiten können. Hinzu kommt, dass das Publikum auch nach 3 Filmen noch „frisch“ ist und man direkt im Anschluss an die Vorführung ins Filmgespräch einsteigen kann.

Frage: Dennoch muss ein Kinobetreiber einiges beachten, was im Kino-Alltag normalerweise keine Rolle spielt. Wie soll man das alles schaffen?

Ziemann: Klar, so eine Spezialveranstaltung organisiert sich nicht von allein. Es lohnt sich dennoch, in eine „Schule des Sehens“ zu investieren, denn es gibt kaum eine bessere Maßnahme zur Publikumsbindung. Außerdem kann man sich wunderbar Hilfe ins Haus holen. Engagierte MedienpädagogInnen kümmern sich um Filmauswahl, Bewerbung und Durchführung einer solchen Reihe. Passende Filme zu angemessenen Konditionen bieten Landesfilmdienste und verschiedene (Kurzfilm-)Verleihe. Nicht vergessen sollte man auch, dass FFA und andere Fördergeber inzwischen ganz gezielt Gelder für Projekte im Bereich der Filmbildung bereithalten.

 

Mehr Infos zur Planung und Durchführung von Kurzfilmveranstaltungen für Kinder und Jugendlichen gab es im Rahmen eines Workshops am 18. September auf der Filmkunstmesse Leipzig.

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