Ernstnehmen geht anders – Kurzfilmförderung 2017

Analyse
Filmstill KLEPTOMAMI - Eine junge Frau mit blonden Haaren sitzt in einem Sessel und stillt ein Baby. Ihr Blick ist leer. Der Kopf des Babys ist von einem weißen Tuch verdeckt. Eine ältere Frau und ein junger Mann sitzen daneben und berühren das Kind

KLEPTOMAMI © Pola Beck und http://alittlefilmproduction.com – erhielt 2017 BKM-Förderung

„Kurzfilme sind thematisch oft originell, künstlerisch bisweilen radikal und filmisch häufig innovativ. Mit dem Deutschen Kurzfilmpreis wollen wir diesem künstlerisch anspruchsvollen Format die Anerkennung zukommen lassen, die es verdient.“

So jedenfalls hat es Kulturstaatsministerin Dr. Monika Grütters anlässlich der Kurzfilmpreisverleihung im letzten November formuliert.

 

Grund genug, diese Anerkennung einmal genauer zu untersuchen – zumindest, wie sich diese Anerkennung in Form von Fördermitteln auszahlt. Werfen wir einen kurzen Blick zurück. 2014 veröffentlichte shortfilm.de zuletzt eine Analyse der Kurzfilmförderung in Deutschland. Mit dem Ergebnis, dass 2013 alle Förderer zusammen die Kurzfilmproduktion etwa mit 3,1 Millionen Euro gefördert haben. Insgesamt konnten 160 geförderte Filme erfasst werden, deren durchschnittliche Förderung bei 15.000 Euro lag.

 

Und wie sieht es vier Jahre später aus? Im vergangenen Jahr flossen; und das ist sehr erfreulich, insgesamt rund 10 Prozent mehr in den Kurzfilm (3,4 Millionen Euro). Reduziert hat sich dagegen die Anzahl der geförderten Filme (118), während die durchschnittliche Fördersumme auf über 21.000 Euro gestiegen ist. Dazu muss allerdings erwähnt werden, dass Kleinförderungen wie die des Filmbüro Franken in der 2017er-Untersuchung nicht erfasst wurden. Es scheint also ganz so, als würde sich die Kurzfilmförderung auf einem guten Weg befinden: Mehr Förderung insgesamt und höhere Förderbeträge für den einzelnen Film.

 

Doch es lohnt sich, wie so oft, genauer hinzuschauen: Mit gerademal 1,5 Prozent ist nämlich der Anteil der Kurzfilmförderung an den Fördermitteln für Filmproduktionen in Deutschland insgesamt nach wie vor sehr niedrig. Bei den verschiedenen Förderern pendelt dieser Weg zwischen großzügigen 6,6 Prozent (HessenFilm) und beschämenden 0,3 Prozent (medienboard). Sowieso ist HessenFilm der „Hidden Champion“ der Kurzfilmförderung. Mit 43 geförderten Projekten und einem Fördervolumen von fast 500.000 Euro nimmt die vergleichsweise kleine Förderung aus Frankfurt zusammen mit der Mitteldeutschen Filmförderung eine Spitzenstellung ein. Beide Förderungen verfolgen dabei ganz unterschiedliche Strategien: Während HessenFilm auf viele kleine Förderungen vor allem auch für Studentenprojekte setzt, geht die MDM sehr selektiv vor und vergibt dafür durchschnittlich fast 39.000 Euro pro Film.

 

Und wie sieht es am anderen Ende der Skala aus. „Bitter“ ist vielleicht die beste Umschreibung. Absolutes Schlusslicht ist das finanziell durchaus üppig ausgestattete Medienboard Berlin-Brandenburg, das gerademal 4 (!) Kurzfilme mit insgesamt 60.000 Euro gefördert hat. Das ist im Vergleich zu 2013 ein sattes Minus von 84 Prozent. Und auch die anderen beiden „Großen“, also der FFF aus Bayern und die Filmstiftung NRW, zeigen scheinbar nur begrenztes Interesse an der Kurzfilmförderung. Zwar sind dort die eingesetzten Mittel mit 275.000 Euro (FFF) und 300.000 Euro (NRW) deutlich höher als beim Medienboard. Die Kurzfilmförderung bleibt jedoch eine Marginalie im Vergleich zu den insgesamt fast 50 Millionen Euro, die diese beiden Förderung in die Herstellung von Filmen investieren.

 

Kurzfilmförderung ist und bleibt für die meisten Förderern ein ungeliebtes Kind. Jedenfalls scheint das für die großen, starken Förderungen in den deutschen Filmmetropolen zu stimmen. Anerkennung findet der Kurzfilm dort vor allem als Nachwuchsförderung. Für viele scheint es unvorstellbar, dass sich „erwachsene“ Filmschaffende „nur“ einem Kurzfilm widmen. Das gilt – entgegen aller durchaus glaubhaften Beteuerungen – auch für die Kurzfilmförderung aus dem Haus Grütters selbst. Mit 18 geförderten Filmen zählt das BKM zwar zahlenmäßig zu den Spitzenreitern, allerdings wurde keiner der Filme mit mehr als 15.000 Euro gefördert. Das Fördervolumen für den Kurzfilm des BKM ist damit seit vielen Jahren konstant – obwohl sich gleichzeitig das Gesamtvolumen der Staatsministerin für die Produktionsförderung vervielfacht hat.

 

Alleine über den Deutschen FilmFörderFonds investierte das BKM rund 57 Millionen Euro in abendfüllende Filme, dazu kommen noch rund 15 Millionen Euro Projektförderung. Dagegen stehen rund ein halbe Million Euro für den Kurzfilm unter 30 Minuten. Ist das die Anerkennung, die der Kurzfilm verdient? Warum sich nicht wenigstens am Filmfördergesetz orientieren, das immerhin 1,5 Prozent der Einnahmen der FFA dem Kurzfilm zuschreibt. Im Fall des BKM wären das rund 1 Million Euro für die Förderung des Kurzfilms, immerhin knapp doppelt so viel wie heute. Damit könnte auch die Fördergrenze von 15.000 Euro nach oben verschoben werden.

 

A propos FFA. Wer in der Auflistung der Kurzfilmförderung bislang die FFA vermisst, hat recht. Grund dafür ist fehlendes Zahlenmaterial. Zwar veröffentlicht die Filmförderanstalt, welche Referenzmittel Kurzfilmen zugesprochen werden (rund 650.000 Euro im Jahr). Unklar bleibt jedoch, inwieweit diese Mittel auch tatsächlich in die Produktion neuer Kurzfilme fließen. Ein beträchtlicher Teil der Referenzmittel dürfte stattdessen als verkappte Langfilmförderung in die Entwicklung programmfüllender Formate geht. Das lassen die Regularien, genauso wie bei den Preisgeldern des Deutschen Kurzfilmpreis, ausdrücklich zu.

 

Eine generelle Anpassung der Fördersummen (speziell des BKM) ist dringend notwendig, da nach wie vor die Finanzierung der allermeisten Kurzfilme nur als prekär bezeichnet werden kann. Dies gilt umso mehr, seit das Mindestlohngesetz in Kraft getreten ist und eine 100-prozentige Rückstellung von Gagen nur noch bei Produktionen von Amateuren oder staatlichen Hochschulen möglich ist. Bei einem Team von 15 Personen fallen alleine für die Löhne mindestens 1.700 Euro pro Drehtag an. Schnell addieren sich so die realen Ausgaben für einen 15-Minüter auf 40.000 bis 50.000 Euro, die sich in der Regel nicht refinanzieren lassen. Man bedenke: Selbst bei diesem Budget arbeiten alle weit, sehr weit, unterhalb des Tariflohns. Das ist (selbst-)ausbeuterisch. Angemessene Budgets lägen dagegen bei einem Minutenpreis von 8.000 Euro plus. Das sind in etwa die Kosten, die in der ARD für ein (hocheffizient und damit kostengünstig produziertes) Serienformat angesetzt werden.

 

Die Förderbeträge der meisten Förderanstalten liegen damit weit unterhalb der finanziellen Mittel, die, wenn der Kurzfilm ernstzunehmend gefördert werden soll, benötigt werden. Die Folgen sind schwerwiegend: Für freie Produzenten sind Kurzfilme, selbst mit Förderung, kaum mehr legal machbar. Und Filmkünstler, deren Stärken im kurzen Format liegen, werden in den Langfilm gezwungen (Scheitern oftmals inbegriffen). Besonders trifft das die Animationsfilmschaffenden, da hier der Sprung zum abendfüllenden Film ungleich größer ist als im Life-Action-Film. Das künstlerisches Potenzial hervorragend ausgebildeter Menschen geht so nach und nach verloren. Trotzdem – und darauf scheinen viele zu spekulieren – wird es immer mehr als genug Kurzfilme geben. Weil es einfach, jenseits aller wirtschaftlichen Betrachtungen, Spaß macht, kurze Filme herzustellen.