Kurzfilmwettbewerbe (II)

Report

Kurzfilmwettbewerbe (II): Kurzfilm als Seismograph der Wirklichkeit

Die kurze Form hat nicht nur aufgrund ihrer kino-programmatischen Nähe zur Wochenschau immer eine wichtige Rolle in der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit gespielt. Kaum ein anderes filmisches Genre gibt dem Filmemacher die Möglichkeit, ohne den bei einem Langfilm unweigerlichen Produktionsvorlauf schnell auf Ereignisse oder sich verschiebende gesellschaftliche Diskurse zu reagieren. Dies machen sich zunehmend auch kulturelle Institutionen und Festivals zunutze, indem sie mit Ausschreibungen und Wettbewerben versuchen, filmische Bilder zu Themen, die ihnen besonders auf dem Herzen liegen, produzieren zu lassen. Einige davon sollen hier vorgestellt werden.

Die vielfältige Wettbewerbslandschaft, die hier nur in kleinen Ausschnitten wiedergegeben werden kann, lässt sich grob unterteilen in Wettbewerbe, die fertige Beiträge zu einem bestimmten Thema suchen und Wettbewerbe, die Drehbücher bzw. Exposés zu einem vorgegebenen Thema suchen und als Preis dann Gelder zur Realisierung dieser Beiträge vergeben.

Einer der beliebtesten und bekanntesten Wettbewerbe der ersten Kategorie ist der „Flotte Dreier“, der jährlich im Rahmen des Internationalen Kurzfilmfestivals Hamburg präsentiert wird. Hier werden Arbeiten mit einer Länge unter drei Minuten gesucht, die sich besonders originell zu einem bestimmten Thema äußern. Die Weltmeisterschafts-Euphorie vorweggreifend, zeigte das Festival so 2005 Kurzfilme zum Thema Fußball, 2006 folgte der Wettbewerb zum Thema „Zittern“, im kommenden Jahr wagt man sich an das Thema „Heimat“.

Der „Flotte Dreier“ zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass nur wenige der gezeigten Filme bereits auf anderen Festivals ausgewertet wurden. Stattdessen laufen zahlreiche Dreiminüter, die eigens für den Wettbewerb produziert werden. Der relativ geringe Aufwand für solche Kürzestfilme, die häufig an eine skizzierte Idee erinnern, begünstigt eine hohe Anzahl an exklusiven Einreichungen.

Auffällig ist zugleich, dass es die im Rahmen von Themen-Wettbewerben entstandenen Filme häufig schwer haben, sich in einem „professionellen“ Konkurrenzumfeld zu behaupten. Nur selten gelingt einem „Flotten Dreier“ wie „Horst Uwe G.- Ein deutsches Schicksal“ (Regie: Matthias Grübel, Matthias Sdun, D 2005) eine Festivalkarriere.

Auch wenn der Titel anderes verspricht, wird es bei einem anderen Wettbewerbsprojekt der KurzFilmAgentur sicherlich ernsthafter zugehen. Im Rahmen ihres Themenschwerpunktes „Arbeit in Zukunft“ lobte die Kulturstiftung des Bundes gemeinsam mit der KurzFilmAgentur und ARTE einen Kurzfilmwettbewerb unter dem Titel „Mach doch, was du willst“ aus. Aufgabe war es, Konzepte für Kurzfilme einzureichen, die auf die Frage nach der Zukunft unserer Arbeitswelt mit originellen Ideen und Visionen aufwarten können. Aus knapp 500 Einreichungen wurden letztlich insgesamt elf Projekte von der Jury ausgewählt, sie werden voraussichtlich im Frühjahr 2007 in Berlin ihre Premiere feiern. Freuen darf man sich unter anderem auf Werke von Jan Peters und den „Westend“-Machern Markus Mischkowski und Kai Maria Steinkühler, deren Filme dank der starken Distributionspartner sowohl im Kino als auch auf Festivals und im Fernsehprogramm zu sehen sein werden.

Auch im Rahmen des internationalen Dialogs der Kulturen werden mittlerweile mehr und mehr Wettbewerbe initiiert, in denen Kurzfilme produziert werden sollen.

So forderte das Goethe-Institut Studenten von Film- und Kunsthochschulen auf, Exposes einzureichen, die Gesten der Versöhnung, wie sie heute auf der politischen Ebene, in gesellschaftlichen und kirchlichen Initiativen, im zwischenmenschlichen Kontakt oder in der Wissenschaft und Kunst erfahrbar sind, aufgreifen. Ausgeschrieben wurde der Wettbewerb in Deutschland, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Russland, Belarus, in der Ukraine, Israel und den USA. Vier der hieraus entstandenen Filme nahmen gar am Internationalen Wettbewerb des Münchner Festivals der Filmhochschulen teil.

Was diese Beispiele belegen ist, dass Wettbewerbe und Ausschreibungen nicht nur eine mögliche Finanzierungsquelle für Filmemacher, sondern zugleich auch ein wichtiger Motor der Kurzfilmproduktion sind. Die fast unvorstellbare Zahl von knapp 500 eingereichten Projektskizzen, die die Hamburger KurzFilmAgentur bei dem oben skizzierten Wettbewerb zum Thema Arbeit erhielt, zeigen, welch kreative Energien eine öffentliche Ausschreibung auslösen kann. Die hohe Beteiligung an mit Produktionszuschüssen dotierten Wettbewerben verweist allerdings auch auf eine erhebliche Finanzierungslücke, die keineswegs mit immer neuen Wettbewerben geschlossen werden kann, sondern durch eine fundierte Förderung ergänzt werden muss, wie sie allerdings auf Länderebene immer seltener vorliegt.

Erfreulich ist dennoch, dass – wie auch im ersten Teil des Artikels aufgezeigt – immer mehr Organisationen und Unternehmen den Kurzfilm als eine künstlerische Äußerung des Nachwuchses begreifen, der ihnen hilft, Themen neu zu entdecken. Damit wird das innovative Potenzial des Kurzfilms stets neu genutzt und zugleich als eine maßgebliche Form künstlerischer Auseinandersetzung in entsprechende Diskurse eingebracht. Auch wenn es nur dank eines Heers an Künstlern und Regisseuren, Produzenten und Cuttern, Aufnahmeleitern und Schauspielern, die bereit sind, schlecht oder unbezahlt an Filmprojekten zu arbeiten, funktioniert: Die Szene wird auch in Zukunft mit zahlreichen neuen und alten Wettbewerbsideen konfrontiert sein.

MJ

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