public relation – Filmfestivals für Filmemacher

Kurzfilmfestivals und -events sind für die meisten Filmemacher die einzige Möglichkeit, ihre Filme vor einem Publikum zu präsentieren. Die weiterführende Auswertung (TV, DVD, Internet, Archive, Galerievertrieb) steht nur einer kleinen Anzahl an Filmen aus unterschiedlichen Gründen offen. Über die Vielschichtigkeit der Ursachen ist bereits ausführlich  diskutiert und berichtet worden. Insofern betrachten Filmemacher Kurzfilmfestivals vor allem als für sie wichtige Foren des Austauschs, als Marktplatz, als ein Ort der Selbstbehauptung und des Diskurses, über den ästhetische Entwicklungen angestossen werden und nicht zuletzt als adäquaten Abspielort1.

Die Erwartungen von Filmern an Kurzfilmveranstaltungen, sofern Sie überhaupt Erwartungen haben, variiert und kann unter Umständen hoch sein, da sie die einzige Möglichkeit zur Vermarktung ihres Filmes darstellen. Neben der Notwendigkeit, dass die Filme überhaupt gezeigt werden, ist entscheidend, welche Festivals den Film einladen, welche Festivals eine Marktpräsentation organisieren, in welchen Programmen die Filme laufen, welche weiterführenden Aktionen das Festival begleiten. Fehlen diese Instrumentarien, bleibt die Selbstvermarktung per Flyer, Postkarte, Plakat oder per Mailing bzw. Newsletter. Möglichkeiten, von der Kurzfilmszene in einen film- und videoaffinen Kunstbetrieb zu wechseln sind stark begrenzt und hängen von der Marktpositonierung und Kommunikation, kuratorische Einzelengagements Dritter und letztlich stark von Zufällen ab.

Die heterogene Kurzfilmszene in Deutschland besteht aus 80 bis 90 Festivals mit jeweils unterschiedlichen Profilen2. Die Kategorisierung der Festivals in fünf Gruppen, wie sie von Michael Jahn vorgeschlagen werden3, ist für Filmer nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Für Filmemacher und deren Filme, bei denen allein die Quantität der Aufführungen im Vordergrund steht, ist diese Frage ohnehin irrelevant. Für Filmer, die ihre Filme in bestimmten Programmblöcken positioniert wissen wollen, um z.B. am Referenzmittelsystem der FFA teilzunehmen, nicht. Das Interesse zielt dabei nicht nur auf die herausgehobene Präsentation in den entsprechenden Programmblöcken, sondern auf die Möglicheit, finanzielle Mittel für zukünftige Projekte zu generieren. Die unterschiedliche Qualität der den Festivals teilweise assoziierten Filmmärkten und Marktpräsentationen entscheidet darüber hinaus, welche Aufmerksamkeit von potentiellen Einkäufern, Produzenten, Kuratoren und Verleihern einem Film bzw Filmemacher entgegengebracht wird, insbesondere der Filme, die den Weg ins reguläre Festivalprogramm nicht geschafft haben. Einige Festivals beauftragen unabhängige Filmkuratoren und Programmgestalter, eine bestimmte Auswahl an Filmen in Festival-, Tournee- bzw Marktsonderprogrammen in hervorgehobenem Maß zu präsentieren, bis hin zur generellen Ablehnung von Selbstanmeldern für programmatisch eingegrenzte Festivals. Schliesslich ermöglichen begleitende Aktionen wie Symposien, Talks und Meetings wenn nicht den Film, so doch den Filmemacher einer Öffentlichkeit vorzustellen.

Qualitätskontrolle

Steht dem Filmemacher damit potentiell bereits ein Kaleidoskop quantitativer Maßnahmen der Festivalauswertung zur Verfügung, so lassen sich Effizienz und Wirkung nur an der Qualität der Durchführung bemessen und umgekehrt. Diese variieren zum Teil erheblich. Für Filmer sind daher nicht nur quantiative Angaben relevant, d.h. wieviele Aktivitäten ein Festival statistisch gesehen insgesamt unternimmt, sondern unter welcher qualitativen Perspektive dieser Aufwand betrieben wird.

Die Schwierigkeit der Beurteilung beginnt bei der Selbstpräsentation der Festivals und endet bei internen Strukturen des Festivalmanagements. Reicht es einigen Festivals bereits von „Profil“ zu sprechen, wenn mit Sonderprogrammen und -kategorien aufgewartet wird, kann bei anderen Festivals und Events die jeweilige Programmauswahl nur schwer von willkürlichen oder verfilzten Strukturen unterschieden werden. Um diesem Vorwurf vorzubeugen, dienen Selbstbeschränkungen auf technische Voraussetzungen, auf zeitliche Begrenzungen, auf genrespezifische Anforderungen und schliesslich spekulative Bekenntnisse, die Ihre Absicht in Übereinstimmung mit dem tatsächlich vorgeführten Programm zu finden suchen – was je nach Überprüfbarkeit mal mehr, mal weniger gelingt. Inflationär verwendete Begriffe wie z.B. „Filmkunst“ werden spätestens keinem der gezeigten Filme mehr gerecht, wenn diese im 90-minütigen Programmclash begriffslos aneinandergekoppelt werden.

Dass Programmgestalter die inhaltliche Programmausrichtung genausowenig wie Filmemacher im Vorfeld bestimmen können, liegt auf der Hand. Geht doch die Programmstruktur aus dem Angebot der Einreichungen, bzw. der Auswahl eingeladener Filme hervor. Doch auch unmittelbar begleitende Mittel wie Diskussionsrunden oder Filmemacherzurschaustellungen retten nicht über die bereits im Vorfeld fehlende inhaltliche – nicht nur formale – Bestimmung von Programmen und letztlich gesamter Festivals hinweg. Solange sich die inhaltliche Klärung der Festivalausrichtung in einer größtmöglichen Offenheit verwendeter Begrifflichkeit bewegt, solange werden die Festivalprogramme entsprechend beliebig bespielt werden können, was zum einen eine organisatiorische Effizienz unter Beweis stellt, aber schliesslich dem einzelnen Filmemacher weder nützt noch hilft, sich und seinem Film Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Mehr noch, bunte Programmixturen muten an, als ob mit der vorgeführten Heterogenität die Filme ungewollt gegeneinander ausgespielt werden, so dass insgesamt eine Pattsituation, nicht nur auf der Leinwand, sondern schliesslich auch im Kopf des Zuschauers entsteht. Nicht anders ist zu verstehen, was Reinhard Wolf als Aussage zitiert4, die heterogenisierte Filmzustammenstellung würde nicht nur eine zurücklehnende Haltung im Zuschauer provozieren sondern bereits dessen Erwartung an den einfachsten, gemeinsamen Nenner, nämlich den Unterhaltungswert der Programme schüren.

Inhaltlich wesentlich offensiver sind kuratierte Programmzusammenstellungen, bei denen ein Programmverantwortlicher die für Ihn entscheidenden, qualitativen Verbindungen definiert, im Programmheft und schliesslich im Kinosaal in der Regel auch verantwortet. Sogenannte Kuratoren werden je nach Referenz und Bekanntheitsgrad im Kreis der Festivalorganisation in willkürlicher bis traditioneller Weise bestimmt. Das ist für Filmemacher jedoch letztlich irrelevant, denn initiativ sind derartige Optionen, d.h. die Aufnahme in ein kuratiertes Sonderprogramm, so gut wie unmöglich und allein vom bereits bestehenden Bekanntheitsgrad des Filmes bzw der Marke (Regisseur, Künstler), letztlich von der qualitativen Verbindung zur kuratierenden Person abhängig.

Chaotische Webseiten, variierende, nicht-standardisierte Reglements, die umständlich downgeloadet werden müssen, versteckte Deadlines, kaum auffindbare Zulassungsbeschränkungen etc. gepaart mit Formularabfragen über Teampositionen und dergleichen, die weder im Stadium der Sichtung relevant, noch später irgendwo Niederschlag fänden, ziehen einen Zeitaufwand mit sich, die schon der halben Produktionszeit des Filmes entsprechen können. Daneben existieren eine Vielzahl an Möglickeiten zur Informationseingabe: per Word, PDF oder online, mal mehr, mal weniger kompakt und effizient gestaltet. Raffinessen wie Fehlermeldungen bei Feldauslassungen in online-Anmeldungen und damit der Unmöglichkeit, seinen Film zu registrieren, stellen womöglich nur die Spitze einer eher erschöpfenden Aufzählung dar.

Wird schliesslich die aufgebrachte Zeit für die Herstellung von Festivalmaterialien wie Stills in druckfähiger Auflösung, Flyer, Plakate und DVD (statt Upload) vernachlässigt, gestaltet sich das schriftliche Festival-Anmeldeverfahren allein schon einigermaßen aufwändig. Über Sinn und Unsinn beigefügter Materialien wie „Lebenslauf“, „Filmographie“, „Werbematerialien“ oder „Trailer“ zu streiten ist müssig, gibt es kaum ein Festival, das mit diesen Materialien je irgend einen Mehrwert in der Präsentation des Filmes erzeugt hätte. Bleibt die Hoffnung auf eine Festival-Einladung für die auch diese festivalspezifischen Anforderungen schweigend in Kauf genommen und nicht in Rechnung gestellt werden.
Wird der Film dann nach Wochen abgelehnt, wird in der Regel ein Ablehnungsbescheid per Mail, mittlerweile seltener per Post zugestellt. Fehlt eine solche Rückmeldung, gibt es manchmal einen Hinweis auf eine online-Auflistung der angenommenen Filme, manchmal allerdings auch überhaupt kein Signal. Glücklich ist, wer eine Einladung erhält mit der Aufforderung, seinen Film – manchmal dankenswerterweise auf Kosten des Festivals – per Kurier zum festgesetzten Zeitpunkt zuzusenden.

Werbung

Die Bewerbung von Festivals findet in zwei unterschiedlichen Richtungen, wenn auch ungleich forciert, statt. Zum einen werden Festivals unter Filmemachern und potentiellen Filmeinreichern beworben, um die nötigen Einreichungen zu erhalten, zum andern um Festivalpublikum zu generieren. Filmemacher werden per Newsletter informiert, weil sie auf bestimmten Mailinglisten stehen, in denen sie wissentlich und unwissentlich geführt werden, oder sie gehören bestimmten Peers an, die die Informationen z.B. per Mail, per Mundpropaganda oder Flyern streuen. Aufforderungen zur Filmeinreichung finden sich des Weiteren in Auflistungen auf Festivalportalen und vermischen sich mit der allgemeinen Bewerbung des Festivals in/auf Printmedien usw. Da Festival-Mediabudgets in der Regel klein sind, beschränkt sich die Bewerbung gezielt auf wenige Zeitschriften, mit denen entweder Medienkooperationen eingegangen werden oder die – jenseits beachtenswerter IVW-Listung – ihre Mediakosten generös senken, insgesamt ein eher kleinteiliges Geschäft.

Insofern erhält die Festival-PR-Arbeit einen erhöhten Stellenwert. Geht es doch darum, freie und festangestellte Redakteure zur Festivalberichterstattung im Vorfeld aber auch während des Festivalbetriebs zu bewegen. Das gelingt um so besser, je institutionalisierter die Veranstaltung ist und je besser die Presseverantwortlichen der Festivals mit den Redaktionen vernetzt sind. Ist das Festival noch jung und wenig etabliert, wird es auch für presseerfahrene Agenten schwierig, mehr als nur die lokale Presseszene zu erreichen. Praktikanten als Presseverantwortliche sind oft überfordert, denn in der Pressearbeit zählt nicht, ob Hausarbeiten und Seminarreferate mit Bravour geschrieben wurden, sondern die Abstimmung entscheidender Parameter wie tragfähige Kontakte, inhaltliche Effizienz und redaktioneller Sachverstand. Die aufbereiteten Informationen helfen Redakteuren zur Formulierung von Text, Bild und Videobeiträgen, für die sie oft nur wenig Herstellungszeit aufwenden können.

Hier wird spätestens klar, dass eingereichte Materialien des Filmers überhaupt aufbereitet werden müssen, sofern sich die Pressemeldungen nicht nur auf die Festivalveranstaltungen beziehen sollen.
Oder dass präpariertes Informationsmaterial vorliegen muss, damit dieses im allerseltensten Fall auf Nachfragen von Journalisten und Redakteuren ausgehändigt werden kann. Der realitätsnähere, erste Fall jedoch bedeutet, dass die presseverantwortliche Person des Festivals diese vom Filmer abgerufenen Informationen entweder selbst aufbereitet oder der Filmer bereits diese Aufgabe – für jedes Festival – übernimmt. Die Absurdität dieses Gedankens liegt auf der Hand. Weder der Presseverantwortliche des Festivals, noch die Filmer selbst können diese Arbeit leisten.

Wiederholung

Gemäß einer EMS-Studie5 ist für „den Rezipienten eine Mindestzahl an Kontakten notwendig, damit eine bestimmte Werbewirkung überhaupt erst entstehen kann. Es ist kein Geheimnis, dass bei nur einem Kontakt […], sei er auch noch so aufmerksamkeitsstark, nur eine geringe Werbewirkung entstehen kann. Die Auswertung zeigt, dass mindestens eine Häufigkeit von 4 bis 6 Kontakten vorliegen muss, um bewusst wahrgenommen zu werden“.
Wird davon ausgegangen, dass ein Festival einen Film maximal zwei bis dreimal zeigt und den Film im Festivalkatalog mit Thumbnail und auf wenige Zeilen reduziert erwähnt, wird schnell klar, dass die Aufmerksamkeit gegenüber Filmemachern und Filmen, von denen Festivals leben, um so mehr sinkt, je singulärer die Informationen gestreut werden und mit gleichwertig vielen anderen Informationen konkurrieren müssen. Ist der Filmemacher ohnehin nicht bekannt, sinkt die Wirkung ein oder zweimaliger Vorführungen gegen Null. Im Umkehrschluss heisst das für den unbekannten Filmer, dass er, will er mit seiner „Marke“ eine höhere Wirkung erzielen, mehr Kontakte generieren muss, indem er entweder mehr Filme produziert, die auf mehr Festivals gezeigt werden, oder über Jahre hinweg auf einem Festival präsent bleiben muss. Dasselbe gilt für Film im Kunstbetrieb.

Abgesehen von der daraus resultierenden, viel interessanteren Fragestellung zur Finanzierungssystematik solcher Unternehmen, die hier nicht weiter behandelt wird, hängt die Qualität dieses Aspektes der Festivalauswertung von quantitativen Maßnahmen – auf die einzelne Person bezogen6 – ab, die Festivals nicht leisten können oder nicht zu leisten bereit sind, die sie aber für die eigene Festivalvermarktung in Anschlag bringen. Unmoderierte Optionen angeschlossener Marktplätze oder Pressefächer sind mehr oder weniger ungerichtete, ziellose Versuche, Filmern gegenüber gerecht zu werden. Zugegebenermaßen sind Postfächer oder eine um einen Marktkatalog erweiterte Eintragung als PR-Förderung zu werten. Werden Filme allerdings nicht massiv öffentlich beworben, dass zumindest faktisch von einer Mindestkontaktzahl ausgegangen werden kann, ist von einer breiteren Wirksamkeit aufgrund der Festivalteilnahme allein nicht auszugehen.

Festivalmacher

Um also nicht die gesamte Festivaldauer im dunklen Kinosaal zu verbringen und damit einen wichtigen Zweck, nämlich den des direkten Austauschs und Vernetzung zu verfehlen7, gibt es von Seiten der Festivals umfangreiche Strategien. Informelle Brunches, Touristenprogramme, Parties und Clubs, aber auch themenspezifische Vorträge und Podiumsdiskussionen, Presse- und Infoboxen oder 1:1 Meetingpools. Je kleiner das Festival und lokaler die Abspielorte, desto schneller knüpfen sich Bekanntschaften und umso direkter findet ein Austausch statt. Je offener die Programmstruktur, desto freier fällt die Wahl zur Teilnahme an den gebotenen „Netzwerkaktivitäten“ und damit tatsächlich die Möglichkeit, „jemanden“ zu treffen. Insofern wird klar, dass diese Zusatzangebote sich hervoragend dazu eignen, alte Bekannte wiederzutreffen, inspirierende Anregungen zu erhalten und sich darüberhinaus in der Festivalgemeinde nicht unwohl zu fühlen.

Die auf Social Networking und Community gebürsteten Events erzeugen darüberhinaus nicht selten ein anregendes Wellnessfeeling. Dass Festivals sich dieser Selbstvermarktung verpflichtet fühlen, versteht sich von selbst, werben diese doch damit auch um Teilnehmer für zukünftige Veranstaltungen – denn ohne Filme kein Festival, eine Binsenweisheit. Und wer ungezwungernermaßen ein cooles Image transportiert und bestenfalls einen Hype produziert, für den geht die Festivalstrategie auf. Für den einzelnen Filmemacher mag das auf den ersten Blick willkommen sein, stellt sich dieser Aspekt doch in den Dienst der Direktvermarktung. Denn im direkten Austausch mit einzelnen Personen lassen sich unter Umständen bewegende Manifeste formulieren, Produktionsbedingungen besprechen, Produzenten finden oder Redakteure überzeugen – nicht zuletzt also die Kontaktzahl bezüglich einzelner Personen steigern.

Der Erfolg des Network-Marketings hängt dabei allerdings weniger vom Film denn von der sozialen Integrität der Beteiligten ab, die ihre Wirkung erst dann voll entfaltet, wenn der Vermarktungsgedanke absolut in den Hintergrund gedrängt wird und die intensive und offene Auseinandersetzung zu spezifischen Themen eher beiläufigen Charakter erhält. Alles andere wird als uncool und verkrampft empfunden. Die Reichweite bleibt entsprechend auf einen kleinen Personenkreis begrenzt, initiiert und knüpft allerdings an kurz- bis mittelfristig wirkende Mundpropaganda an. Um Personen gezielt und initiativ anzusprechen bzw mit Informationen zu versorgen, erscheinen Presse- und Infoboxen auf den ersten Blick hilfreich. Die Information werden jedoch anonym übermittelt, sodass die Nachricht leicht den Adressaten verfehlt, weil dieser den Unterschied zwischen Werbung und Information nicht ohne weiteres erkennt – sofern er überhaupt sein Postfach zum Informationsaustausch nutzt. Zudem stellt sich dem Empfänger die Frage, welcher Absicht eine Informationsübermittlung per Infobox folgt, ausser der Bewerbung eines Films bzw konkurrierender Festivals und Events. Selbst wenn der Absender auch über ein Postfach verfügt, wird der Wunsch einer Terminvereinbarung ohnehin in den seltensten Fällen erwidert, denn zu welchem Zweck sollte ein persönliches Treffen – wenn eben nicht wieder der direkten Selbstbewerbung – dienen?

Filmer können darüberhinaus in programm- und themenspezifischen Diskussionen, die als Rahmenprogramm das Festival begleiten, ihre Ansichten und ihren Sachverstand einer größeren Gruppe vorstellen und unter Beweis des eigenen Sachverstands indirekte Verbindungen zu ihrer eigenen Arbeit schlagen, wenn überhaupt. Denn dies setzte voraus, dass die Verbindung von Namen und Filmtitel allgemein schon bekannt ist.

Fachlich interessant sind moderierte Pitchingbörsen und Produzentenmeetings, weil in direkter Ansprache eine klar sachbezogene, offene Auseinandersetzung über bestehende und geplante Projekte stattfindet. Um jedoch zugelassen zu werden, findet eine Präselektion statt, d.h. der Filmer muss eine formal aufbereitete Projektbeschreibung zur Zulassung einreichen, was durchaus Zeitaufwand bedeuten kann. Könnte darüberhinaus ein direktes Gespräch auch schon für Projekte in bereits fortgeschrittenerem Stadium oder in noch frühen Projektstadien hilfreich und interessant sein, in denen noch keine Pitchvorlage ausgearbeitet werden konnte. Filmemacher, die dennoch Interesse an Projektpräsentationen haben, müssen sich an die Reglements anpassen, indem sie Aufnahmekriterien erfüllen, anstatt dass sich die Reglements an die jeweiligen Erfordernisse der Projektphasen anpassen würden.

Potentiell also gibt es variationsreiche Möglichkeiten, die nötige „Mindestzahl an personengebundenen Kontakten“ zu überschreiten. Eine vermarktungsübergreifende Strategie ist nur unter organisatorischem wie finanziellem Aufwand zu lösen. In der Direktansprache besteht stark eingeschränkter Handlungsspielraum zur Multiplikation. Erinnerungseffekte sind, wenn nicht vom Festival unmittelbar gestützt, lediglich in Diskussionsrunden, per Flyer und Plakate und der Nachbereitung der Festivalbesuche effizient möglich.

Betreutes Sehen

Was also bedeutet zusammenfassend die Möglichkeit, Filme auf Kurzfilmfestivals und -events vor einem Publikum zu präsentieren? Wie aufgezeigt, ergeben sich aus den einzelnen Bedingungen, von der Beurteilung der unterschiedlichen Filmfestivals bis hin zur Nachbereitung einer Festivalteilnahme zum Teil unvereinbare Schwierigkeiten, mit denen sich Filmer konfrontiert sehen. Dem Problem allein mit Larmoyanz zu begegnen, den Rückgang der Abspielstätten zu bedauern oder die Fetischisierung von Film im Kunstbetrieb zu entdecken8, in den sich einige Filmkünstler mit ihren Vermarktungsphantasien mehr oder weniger zu retten glauben, greift hier zu kurz und wurde ohnehin schon an anderer Stelle wesentlich tiefgründiger behandelt9.

Solange die Präsenz eines Festivalfilms auf höchstens zwei Screenings begrenzt bleibt (was realiter nur die Potenz eines einzigen Kontaktes hält, denn wer besucht schon ein Kurzfilmprogramm zweimal?), der Film darüberhinaus nur im Festival- und Marktkatalog in Form einer Kurznotiz Niederschlag findet und ansonsten keine weitere Unterstützung erhält, solange wird die Wirksamkeit einer eingangs zitierten „einzigen Möglichkeit, einen Film zu präsentieren“ gegen Null tendieren, d.h. Film und Filmer werden gerade nicht-präsent, nicht vergegenwärtigt in den Köpfen hunderter Festivalbesucher.

Doch wie verträgt sich der Interessenskonflikt zwischen Festival und Filmer? Schliesslich finden Rahmenveranstaltungen statt, erfolgt Festival-Pressearbeit, werden neuerdings gar Online-Direktübertragungen von Berichten über Kurzfilmfestivals, wenn auch stiefmütterlich begleitet, geschaltet. Die Tatsache, weshalb Filmemacher nach Festivalende in den wenigsten Fällen einen Pressespiegel zugesand bekommen (z.B. auch nur per E-Mail, um Kosten zu sparen), liegt darin begründet, dass Filmfestivals viele Filme als Festivalprogramm kommunizieren müssen und damit sich selbst im Vordergrund bewegen, was nur statistisch gesehen für einzelne Filmemacher interessant ist. Dafür dann aber um so mehr, wenn ihr Film „aus Versehen oder aber aufgrund massiver, zielgenauer Lobbyarbeit“ in der Festivalkommunikation auftaucht und somit in der Festival-Berichterstattung gepusht wird. Hier setzt sich die Wirkungsmacht des Stärkeren durch, denn mit einem Lobbyisten als multiplikatorischem Kontakt bleiben alle anderen Filme und Filmer der A-präsenz qua fehlender „Vernetzung“ verhaftet. Um so heller aber strahlt der promotete Film am Festivalhimmel und in den Gesprächen rund um den Festivalbetrieb – was oft als Argument für die damit einhergehende Aufmerksamkeit auch gegenüber allen anderen Filmen vorgetragen wird, aber durchaus bezweifelt werden kann.

PR für Filmer als Workshopthema – zu dem dann auch Festivalmacher teilnehmen dürften – Fragen zur Event- und Marketingstrategie, Imagetransferleistungen von strategischen Konzepten oder Agenturarbeit, Diskussionen zu wechselwirkenden, affirmativen Zwängen nicht nur der Presseberichterstattung, radikale Verkürzung der Programmstrukturen von Kurzfilmfestivals auf die Hälfte der üblichen Programmlänge, vorbereitet moderierte Filmgespräche im und vor dem Kino, Online-Videointerviews von Filmemachern innerhalb eines Live-Broadcasts oder per kostenfreien iTunes-Channels sind nur einige bekannte Möglichkeiten, die konzeptionelle Ausrichtung von Festivals zu unterstützen. Davor allerdings steht die Frage, was das Ganze soll.

Soweit also Antworten fehlen, bleibt offen:

– Wie hoch ist die Chance tatsächlich, dass ein Film durch die Teilnahme am Festival bzw. dessen Rahmenprogramm und in der Festival-Presseberichterstattung Aufmerksamkeit erreicht?

– Wie oft wird ein Film gezeigt, in welchen Programmkategorien und welche effizienten Möglichkeiten gibt es, den Film öfters und in bestimmbaren Zusammenhängen zu zeigen und zu kommunizieren?

– Wie nützt die behauptete Ausrichtung eines Festivals (Event, Inhalt) genau?

– Welches Image versucht das Festival zu entwerfen, welche Tonderveranstaltungen, kuratierte und thematisch eingegrenzte Rahmenprogramme des Festivals werden hierfür in Anschlag gebracht?

– Wie verhält sich der Versuch zu den Aussagen der Festivalbesucher?

1 AG Kurzfilm – Bundesverband Deutscher Kurzfilm: Kurzfilm in Deutschland – Studie zur Situation des kurzen Films. Dresden 2006; Film zwischen Black Box und White Cube, Reinhard W. Wolf, 26. April 2002 auf: www.shortfilm.de/das-kurzfilmmagazin/archiv/themen/film-zwischen-black-box-und-white-cube-teil-1.html., u.a.
2 ebenda, S. 65.
3 ebenda, S. 66.
4 Film zwischen Black Box und White Cube, Reinhard W. Wolf, 26. April 2002 auf: http://www.shortfilm.de/das-kurzfilmmagazin/archiv/themen/film-zwischen-black-box-und-white-cube-teil-1.html.
5 How to Brand IT? – Eine Analyse von über 50 Branding Kampagnen, Die blaue Reihe – G+J Electronic Media Sales GmbH, S. 9 Es versteht sich von hier aus auch die qualitative Unterscheidung eines einmaligen Massenkontakts von einem mehrfachen Kontakt einer einzelnen Person.
6 ebenda.
7 AG Kurzfilm – Bundesverband Deutscher Kurzfilm: Kurzfilm in Deutschland – Studie zur Situation des kurzen Films. Dresden 2006, S. 65.
8 Film zwischen Black Box und White Cube, Reinhard W. Wolf, 26. April 2002 auf: http://www.shortfilm.de/das-kurzfilmmagazin/archiv/themen/film-zwischen-black-box-und-white-cube-teil-1.html
9 Chris Anderson (Übers.): The Long Tail – Der lange Schwanz: Nischenprodukte statt Massenmarkt – Das Geschäft der Zukunft (The Long Tail. The future of entertainment is in the millions of niche markets at the shallow end of the bitstream.) In: Wired Magazine 12, Nr. 10. New York.

Romeo Grünfelder ist Filmemacher und Künstler. Er lebt und arbeitet in Hamburg und Berlin.

 

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