Welche Förderung braucht der Kurzfilm?

Hintergrund

Es ist schon einige Jahre her, als unter diesem Motto während der Oberhausener Kurzfilmtage über die „richtige“ Förderung des Kurzfilms diskutiert wurde. Die Antwort ist nach wie vor einfach und wenig überraschend: möglichst jede Förderung. Mit möglichst viel Geld. Es kann gar nicht genug sein.

Tatsächlich ist es so, dass kaum einer der deutlich über 2000 Kurzfilme, die in Deutschland jährlich produziert werden, angemessen finanziert ist. Selbst dann, wenn Filmförderung und Fernsehsender mit an Bord sind, klafft meistens eine enorme Finanzierungslücke. Eine Lücke, die in der Regel nur durch Selbst- und Fremdausbeutung in Form von zurückgestellten oder erst gar nicht vorhandenen Gagen geschlossen werden kann.

Woran liegt es, dass die Kurzfilmproduktion kein tragbares Geschäftsmodell ist? Ein wichtiger Grund dürfte sein, dass es in Deutschland keinen Markt für Kurzfilme gibt. Viele hundert gute, spannende, interessante, zumindest aber sehenswerte Kurzfilme stehen einigen wenigen Sendeplätzen und Lizenzierungen durch Verleiher gegenüber. Die allermeisten Kurzfilme haben also keinen wirtschaftlichen Wert. Tatsächlich dürfte der Anteil der Kurzfilme, die ihre Produktionskosten (inkl. Rückstellungen, Beistellungen und Eigenleistungen) refinanzieren, im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen.

Die Konsequenzen hieraus sind dramatisch. Nicht nur deshalb, weil damit eine professionell-gewerbliche, auf Gewinn oder zumindest Einkünfte ausgerichtete Kurzfilmproduktion nahezu unmöglich ist. Viel schwerwiegender ist die Tatsache, dass sich die Idee „Kurzfilm hat keinen wirtschaftlichen Wert“ in den Köpfen aller Beteiligten festgesetzt hat. Autoren, Regisseure und alle anderen Kreativen, die mit ihrer Arbeit den Lebensunterhalt bestreiten wollen, wechseln so schnell wie möglich zu einem langen Format oder nehmen einen Brotjob an. Produzenten suchen sich ein lukratives Standbein, das ihr Unternehmen finanziert. Und die Förderer und Sendeanstalten? Sie nehmen genau dieses Verhalten zum Anlass, den Kurzfilm immer tiefer in der Schublade Nachwuchsfilm zu verorten.

Klar, dass man in kurzen Filmen das Handwerk lernt. Klar, dass die meisten heutigen Regiestars sich zunächst mit Kurzfilmen einen Namen gemacht haben. Klar, dass das Risiko, (wirtschaftlich) zu scheitern, beim Kurzfilm geringer ist. Klar aber auch, dass nicht jeder oder jede, die brillante Kurzfilme machen kann, ebenso das lange Format beherrscht. Und umgekehrt.

Kurzfilme sind keine kurzen Langfilme. Das kann nicht oft genug betont werden. So wie ein Gedicht kein Roman, eine Zeichnung kein Ölgemälde und ein Lied keine Oper ist. Und genauso wie Gedichte, Zeichnungen und Lieder sind sie Teil unserer Kultur. Sie haben einen kulturellen Wert, der ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Förderung verdient.

Im Jahr 2013 wurden nach eigenen Recherchen in Deutschland 71 Kurzspielfilme, 28 Animationsfilme, 10 Dokumentarfilme und 4 Experimentalfilme innerhalb der Projektförderung mit rund 2,26 Millionen Euro gefördert (s. Diagramm). Rechnet man die rund 650.000 Euro Referenzmittel der FFA sowie 275.000 Euro Preisgelder aus dem Deutschen Kurzfilmpreis hinzu, ergibt sich somit ein Gesamtfördervolumen von rund 3,1 Millionen Euro für kurze Filme bis 30 Minuten Länge. Hierbei noch nicht berücksichtigt sind weitere Preise wie der während des Filmfests Dresden verliehene Förderpreis des sächsischen Kunstministeriums, die ebenfalls an die Produktion eines neuen Films gebunden sind.

Damit erscheint der Kurzfilm auf den ersten Blick nicht schlecht aufgestellt. Relativiert wird dieser Eindruck jedoch, wenn man den Anteil der Kurzfilmförderung am Gesamtfördervolumen betrachtet. Laut Filmförderungsanstalt wurden in 2013 Kino-, Kurz- und Dokumentarfilme sowie Nachwuchsprojekte mit Fördermitteln von insgesamt rund 224 Millionen Euro gefördert. Für den Kurzfilm wurden damit rund 1,5 Prozent des jährlichen Fördervolumens bereitgestellt.

Für die Kurzfilmschaffenden wichtiger als das Fördervolumen ist die Frage, wie hoch die Förderung pro Film ist. 2013 lag die durchschnittliche Fördersumme in der Projektförderung bei ziemlich genau 15.000 Euro und damit genau bei dem Betrag, der auch in der Produktionsförderung B des BKM und beim Kuratorium junger deutscher Film als Standardförderbeitrag ausgewiesen wird. Die Abweichungen zwischen den Sparten waren hierbei relativ gering – der kurze Dokumentarfilm wurde tendenziell mit geringeren Beträgen, der Animationsfilm tendenziell mit höheren gefördert. Erheblich höhere Varianzen werden deutlich, sobald die Statistik auf der Ebene der einzelnen Filme betrachtet wird. Hier liegt die Bandbreite der Fördersummen zwischen 360 Euro und 50.000 Euro für den Einzelfilm. Etwa zwei Drittel der Filme erhielten dabei Fördersummen unter 20.000 Euro, immerhin 17 wurden aber mit 30.000 Euro oder mehr bedacht. Besonders spendabel zeigten sich hierbei die großen wirtschaftlich orientierten Länderförderungen, während Institutionen, die der kulturellen oder kommunalen Filmförderung zuzuordnen sind, ihre beschränkten Mittel vor allem in Form von Mikroförderungen zwischen 500 und wenigen tausend Euro verteilten.

Diagramm 2: Durchschnittliche Fördersumme pro Film / Amount of Funding per Film

Im Durchschnitt standen den Filmemachern damit aus der Projektfilmförderung 1.333 Euro pro Filmminute zur Verfügung (zum Vergleich: Die Produktionskosten eines ZDF Fernsehfilms belaufen sich auf ca. 15.000 Euro pro Minute). Hinsichtlich dieser Kennzahl driften die Sparten jedoch deutlich auseinander. Erwartungsgemäß die höchste Förderung pro Minute erhält der Animationsfilm, bei dem offensichtlich der (angenommene) höhere Arbeitsaufwand gegenüber den anderen Sparten honoriert wird.

Das hört sich doch alles gut an, wird vielleicht so mancher denken. In der Tat werden Kurzfilme aber im Vergleich zu den großen Brüdern und Schwestern unterdurchschnittlich gefördert. Das zeigt als Beispiel die Produktionsförderung des BKM: Programmfüllende Spielfilme werden hier regelmäßig mit 200.000 bis 250.000 Euro gefördert. Das entspricht bei einer durchschnittlichen Lauflänge von angenommenen 100 Minuten einer Förderung von 2.000 bis 2.500 Euro pro Minute fertigen Films. Eine Summe, die rund doppelt so hoch ist, wie die vergleichbare Förderung der Kurzfilme.

Worin ist dies begründet? Die Vermutung liegt nahe, dass die Denkweise weit verbreitet ist, dass Filmschaffende „auch mal ein paar Tage umsonst arbeiten können“, wenn es um einen Kurzfilm geht. Und richtig, das ist gelebte Praxis. Eine beschämende Praxis. Schließlich muss eines klar sein: Kurzfilme erfordern grundsätzlich den gleichen technischen, personellen und gestalterischen Aufwand wie programmfüllende Filme pro fertig gestellter Filmminute. Unterschiede gibt es lediglich hinsichtlich der Anzahl der Dreh-, Pre- und Postproduktionstage. Eigentlich kann also eine Minute Kurzfilm nicht für weniger Geld produziert werden, als eine Minute Langfilm. Eigentlich. Wenn man nicht gezielt nach Wegen sucht, die Produktionskosten radikal zu minimieren.

Über das deutsche Filmfördersystem wurde und wird viel diskutiert. Eine Diskussion, die an dieser Stelle nicht weitergeführt werden muss. Insgesamt scheinen die Fördermöglichkeiten für Kurzfilme aber sogar vielfältiger zu sein als für Langfilme.

Wichtigste Förderinstitution für den Kurzfilm ist die Staatsministerin für Kultur und Medien (BKM), die den Kurzfilm über die Produktionsförderung B und den Deutschen Kurzfilmpreis unterstützt. Gemeinsam mit dem Kuratorium junger deutscher Film bietet das BKM die einzige Möglichkeit für Kurzfilmschaffende, regional ungebundene Projektförderung zu erhalten. Gleichzeitig steht die Förderung allen Kurzfilmschaffenden und –sparten offen.

Die zweite Größe in der Kurzfilm-Förderlandschaft ist die FFA mit ihrer Referenzförderung. Das Prinzip der Referenzförderung ist im Grunde einfach: Wer einen erfolgreichen Kurzfilm produziert hat, bekommt automatisch Förderung für seinen nächsten. Maßstab für den Erfolg sind verschiedene Faktoren wie z. B. das Prädikat „besonders wertvoll“ der Filmbewertungsstelle oder die Teilnahme an renommierten Festivals. Großer Vorteil des Systems ist, dass es ganz ohne Fördergremien und Jurys auskommt. Und geschickt genutzt, können die Filmschaffenden dank der Referenzförderung mit einem Projekt jeweils ihr nächstes finanzieren. So die Theorie. In der Praxis lagen zuletzt die Fördermittel für Filme, die die Referenzschwelle erreicht hatten, nur noch bei rund 3.500 Euro. Kein Betrag, mit dem ein kinotauglicher Kurzfilm produziert werden kann. Jedoch bleibt abzuwarten, wie sich die im aktuellen Filmfördergesetz festgelegten Regeländerungen auswirken werden. Da die insgesamt zur Verfügung stehende Fördersumme in den vergangenen Jahren nur geringen Schwankungen unterlag, bedeutet allerdings jede Erhöhung der Referenzmittel pro Film in der Konsequenz die Reduzierung der Anzahl der geförderten Filme.

Neben der Förderung auf Bundesebene spielen, wie bei Langfilmen auch, die großen Länderförderer eine zentrale Rolle in der Kurzfilmförderung. Schade nur, dass die meisten Länderförderer über kein explizit auf Kurzfilme ausgerichtetes Förderschema verfügen. Kurzfilme teilen sich in der Regel die No- und Low-Budget Fördertöpfe mit programmfüllenden Selbstausbeutungsfilmen oder können, wie beim FilmFernsehFonds Bayern, als Nachwuchsprojekte eingereicht werden. Gestandenen Kurzfilmschaffenden, die das Nachwuchsalter überschritten haben, bleibt damit nur der Weg zum BKM oder in ein anderes Bundesland.

Ein großer Hemmschuh für viele Filmschaffende sind zudem die teilweise sehr hohen bürokratischen Hürden, die besonders die Länderförderungen dem kreativen Kurzfilmschaffen in den Weg stellen. Da spezielle Kurzfilmtöpfe fehlen, werden Kurzfilme auch regeltechnisch oftmals auf die gleiche Stufe mit programmfüllenden Filmen gestellt. So wünscht bspw. das Medienboard Berlin-Brandenburg den Nachweis eines Verleihvertrags oder zumindest das Interesse eines Senders oder von Sponsoren. Jeder in der Branche weiß, dass derartige Nachweise „Muster ohne Wert sind“, die bestenfalls beweisen, dass die Einreichenden gut vernetzt mit Kurzfilmverleihern und Sendern sind. Ärgerlich zudem, dass die geringen Förderbeträge bei vielen Förderungen erstmal Geld kosten. FFA-geförderte Filme müssen zum Beispiel sowohl bei FSK als auch FBW kostenpflichtig zur Begutachtung vorgelegt werden und den gleichen kulturellen Eigenschaftstest durchlaufen, wie ein Langfilm. Ebenfalls mit relativ hohen Kosten (und vor allem Zeitaufwand) verbunden ist die Forderung der meisten Länderförderer, dass entweder das auszahlende Kreditinstitut oder ein externer Wirtschaftsprüfer die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel kontrolliert.

Gibt es Alternativen? Glücklich können sich die Kurzfilmschaffenden überall dort schätzen, wo es Filmförderung noch in der Tradition soziokultureller Selbstverwaltung oder innerhalb der allgemeinen kulturellen Förderung gibt. Bei den großen Fördereinrichtungen ist das die Filmstiftung NRW, die die Förderaktivitäten des Filmbüro NW übernommen hat, und die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein mit der Förderung der Filmwerkstatt Kiel. In deutlich kleinerem Rahmen gilt das aber auch für Institutionen wie die Filmbüros MV, Bremen und Franken, die versuchen, mit kleinen und kleinsten Förderbeträgen das regionale Filmschaffen zu fördern. Hier gibt es zwar nur wenig Geld. Dafür sind jedoch die bürokratischen Hürden deutlich niedriger und die Risikobereitschaft der Förderer ist oftmals höher.

Welche Förderung braucht also der Kurzfilm? In jedem Fall eine Förderung, die einfach, schnell und auf den Kurzfilm zugeschnitten ist. Die den Kurzfilm als eigenständige Kulturform akzeptiert und stärkt. Eine Förderung ohne Nachwuchsbindung oder Konzentration auf Filmhochschülern. Und eine Förderung, die mutig ist.

Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht in:„SHORT report #6“, Hg. AG Kurzfilm, Dresden November 2014. Dier aktuelle „SHORT report“ kann als Printversion über die AG Kurzfilm bestellt werden oder auf www.ag-kurzfilm.de  heruntergeladen werden.