Matthias Müller

Porträt

ALBUM © Matthias Müller

ALBUM © Matthias Müller

Möchte man einige Filmemacher benennen, die in den letzten Jahren kontinuierlich mit kurzen Filmen auf Festivals präsent waren, fehlt sein Name selten: Matthias Müller. Der Bielefelder hat nicht nur das Wettbewerbsprogramm der Kurzfilmtage in Oberhausen regelmäßig durch seine Werke bereichert; er steht auch für das Gegenteil dessen, was dem Kurzfilm oft attestiert wird: er sei lediglich Visitenkarte und Experimentierfeld des Nachwuchses. Matthias Müller ist seit Jahren der wichtigste deutsche Experimentalfilmer, der sich des Films als Ausdrucksmittel bedient, sich aber mittlerweile stärker in der Bildenden Kunst als in der Kurzfilmfestivalszene beheimatet fühlt.

Seine Werke sind zwar allesamt kürzer als 47 Minuten, dennoch steht Müller dem Begriff „Kurzfilm“ eher skeptisch gegenüber. Dahinter steht für ihn die implizite Dominanz des abendfüllenden Films, die für seine Arbeit jedoch keine Bedeutung besitzt. Sein Arbeitsprinzip entspricht eher dem der verdichtenden Montage, die jedem Bestandteil der Geschichte eine weitere Dimension gibt. Allein aufgrund der erschwerten Rezeptionssituation dieser prägnanten Erzählform ergibt sich die Kürze seiner Filme. Kurzfilm ist für Müller daher „ein formaler Begriff, der über den Charakter, die Energie und Qualität eines Films wenig aussagt“.

Die Kamera ist ein langer Wegbegleiter Matthias Müllers. Bereits in den frühen 1980er Jahren war er Teil der deutschen Super8-Szene, gründete einen Verleih und blieb dem Format auch lange nach Einführung der Video-Formate treu. Erst seit einigen Jahren arbeitet Müller auch mit DV, was ihm mehr Autonomie erlaubt.

Seine Filme funktionieren auf verschiedenen Ebenen, was sie zusätzlich populär macht. „Die Filme sollen schon beim ersten Sehen in einer Festivalvorführung, die eine relativ unkonzentrierte Rezeptionssituation ist, etwas vermitteln und deshalb eine gewissermaßen einladende Qualität haben“, beschreibt Matthias Müller die klassische Seh-Situation. Müller selbst überschreibt seine Filme als „Experimentalfilme“, sieht den Begriff allerdings als dynamisch. „Letztlich kreieren viele meiner Filme hybride Formen aus eher konventionellen narrativen Elementen und aus avancierteren Mitteln, die sich immer wieder auch aus Ideen aus der Geschichte der Avantgarde ableiten.“

In seinen Filmen „Home Stories“ und „Phoenix Tapes“ hat sich Müller mit Darstellungscodes des Hollywood-Kinos am Beispiel von Lana Turner und Alfred Hitchcock auseinandergesetzt – und dies nicht mit einem ablehnend-kulturkritischen Blick, sondern mit einer gewissen Faszination für Inszenierung und Rollenbilder, und dem Wunsch, diese Bilder zu sezieren. Dabei arbeitete Matthias Müller oft mit Found Footage. Neben „Home Stories“ und den“Phoenix Tapes“ findet man auch in „Vacancy“ über die Retortenstadt Brasilia oder seinem klaustrophobischen, mit autobiografischen Elementen angereicherten Film „Alpsee“ fremde Versatzstücke eingebaut. Visuell fließt das zusammen und erinnert manchmal gar an die Trash-Ästhetik des Retro-Look.

Der Wechsel zum Videoformat hat sich auch auf die Ästhetik der Werke ausgewirkt. Besonders sein letztes Werk „Album“, das bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen 2005 ausgezeichnet wurde, beinhaltet ungewohnt lange Einstellungen und wirkt aufgrund seiner tagebuchartigen Struktur sehr viel persönlicher als beispielsweise „Alpsee“, der viele autobiografische Anspielungen enthält.

„Album“ ist zugleich auch ein Schritt in einer Richtung, die Matthias Müller schon vor einigen Jahren eingeschlagen hat: weg von den Festivals hin zum Kunstmarkt. „Album“ hat keinen linearen Verlauf, sondern ist als Loop angelegt und läuft vorrangig im Galerie- und Museumskontext. Auch wenn Matthias Müller weiterhin mit einem Bein in der Kurzfilmszene steht, hat er sich über verschiedene Videoarbeiten sukzessive in Richtung Bildende-Kunst bewegt.

Ausstellungen wie die documenta X und die Manifesta 3 und viele Museen wie das Whitney Museum of American Art, New York, und das Musée du Louvre, Paris, haben Müllers Arbeit gezeigt. 1994 widmete das Museum of Modern Art in New York Müller eine Werkschau. Filme und Videos von Matthias Müller finden sich unter anderem in folgenden Sammlungen: Centre Georges Pompidou, Paris, Museu d´Art Contemporani de Barcelona, Australian Centre for the Moving Image, Melbourne, Nederlands Filmmuseum, Amsterdam, Kunsthalle Bielefeld, Towner Art Museum, Eastbourne, FRAC Haute Normandie, Rouen, Tate Modern, London, Sammlung Goetz, München.

Seine in Museen gezeigten Arbeiten haben ein entsprechend anderes konzeptionelles Umfeld, das die Präsentationsweise und die Verwertung des Materials deutlich beeinflusst. Die „Grauzone“ sind Festivals, die sich explizit auch künstlerischen Arbeiten widmen.

Lauscht man Gesprächen mit dem Filmemacher, stellt man immer wieder erfreut fest, wie reflektiert der Bielefelder mit seinen Arbeiten und dem Medium Film umgeht und dies ohne jegliche Arroganz auch nach außen tragen kann. Die Offenlegung seiner Mittel und theoretischen Gebäude haben seiner Popularität demnach keineswegs geschadet.

Weitere Informationen:

Im November ist in der edition arsenal experimental der Band „The Memo Book – Filme, Videos und Installationen von Matthias Müller“ (hrsg. v. Stefanie Schulte-Strathaus) erschienen: http://www.fdk-berlin.de/de/verleih/news.html

mj

Alle Zitate aus dem Gesprächsband von Peter Kremski „Überraschende Begegnungen der kurzen Art. Gespräche über Kurzfilm“, Köln: Schnitt-der Filmverlag, 2005.

Galerie Volker Diehl

http://www.dv-art.com/artists/matthias_mueller/works

http://www.cinegraph.de/lexikon/Mueller_Matthias/biografie.html

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