Kurzfilmförderung – Anforderungen an das neue Filmförderungsgesetz

Analyse

Auch wenn der Kurzfilm in der Gesamtheit der deutschen Filmförderlandschaft mit nur geringen Förderbeträgen ausgestattet ist, hat er durch seine Erfolge auf internationalem Festivalparkett in der Vergangenheit maßgeblich zur Reputation des deutschen Films insgesamt beigetragen. Kurzfilmförderung ist nicht nur Nachwuchsförderung und Förderung von kinogeeigneten Filmstoffen, sondern eine unverzichtbare Investition in die Entwicklung von Filmsprache, Erzählkunst und stilistischen Mitteln für die gesamte Filmwirtschaft. Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass der Kurzfilm ein „Medium der Innovation [ist]“¦ Es gibt kaum eine filmästhetische Neuerung, die nicht zuerst im Kurzfilm „šerfunden“˜ und erprobt wurde. Dies wird in der Filmgeschichtsschreibung oder von der Filmkritik mangels entsprechender Forschung und Kenntnis meist übersehen. Innovationen erscheinen dort als überraschende „šRevolution“˜ oder werden gerne einem Genius zugeschrieben (obwohl vielleicht ein kleiner Kurzfilm dahinter steckt!). Ob Stopptrick, Großaufnahme, Jump-Cuts, Direct Cinema, non-lineares Erzählen, hybrider Film, die Handkamera und der Dogma-Stil – dies alles hat es zuerst im Kurzfilm gegeben und wurde vom Mainstream zur eigenen Erneuerung osmotisch aufgesogen“¦“.1



Anfang 2012 begann offiziell die Diskussion über die anstehende Novellierung des Filmförderungsgesetzes (FFG) in Deutschland. Filmpolitik und Filmverbände tauschen ihre Meinungen darüber aus, was sich bewährt hat und was verändert werden sollte. Dabei treffen die teilweise sehr unterschiedlichen Interessen der einzelnen Verbände aufeinander. Die AG Kurzfilm betrachtet es hierbei als ihre Aufgabe, die facettenreiche Kurzfilmszene als kreativen und essentiellen Bestandteil der deutschen Filmlandschaft nicht nur umfassend zu bewahren, sondern zu stärken. Im Folgenden sollen auszugsweise einige der wichtigsten Positionen der AG Kurzfilm zu strukturellen Fragen der Förderung des Kurzfilms im Rahmen des FFG erläutert werden, die zur Diskussion mit Kollegen und Filmemachern auch außerhalb Deutschlands anregen können bzw. sollen2.

Die Referenzförderung3 Kurzfilm basiert auf einem Punktesystem, das Erfolge bei Festivals (Teilnahme und Preise) und renommierten Kurzfilmpreisen ermittelt. Nach dem derzeit gültigen Gesetz wird ein Film, der eine Laufzeit von unter einer oder über 15 Minuten hat von der Referenzförderung ausgeschlossen, auch wenn er eine erfolgreiche Festivalauswertung oder Preise nachweisen kann. Ausnahmen gelten hierbei nur für Hochschul- oder Erstlingsfilme. Die Beschränkung auf eine maximale Länge von 15 Minuten entspricht weder der Produktionsrealität noch den Einreichkriterien der meisten nationalen und internationalen Kurzfilmfestivals. Die Systematik der Erfolgs- und Qualitätsermittlung muss ein möglichst breites Spektrum des Kurzfilmschaffens einbeziehen. Es geht darum, das kreative Potential im Kurzfilmbereich bestmöglich zu ermitteln, durch das Förderinstrument „Referenzförderung“ weiter zu entwickeln und damit die innovative Basis des gesamten deutschen Filmschaffens zu sichern. Außerdem gibt es keinen plausiblen Grund, Studenten- und Erstlingsfilme zu bevorzugen. Auch die Einschränkung von mindestens einer Minute muss aufgehoben werden, da es natürlich auch ultrakurze Kurzfilme gibt, die sehr gut und erfolgreich sind. Diese
Filme dürfen von der Förderung nicht ausgeschlossen werden. Zudem wirft die im FFG verankerte Längendefinition eine generelle Frage auf: Was ist mit den Filmen, die länger als ein Kurzfilm und kürzer als ein programmfüllender Film sind?4 Nach dem derzeitigen FFG fallen alle „mittellangen“ Filme in eine Gesetzeslücke! Obwohl diese teilweise qualitativ herausragenden Filme Festivalerfolge aufweisen können, haben die Filmemacher keine Möglichkeit, mit Hilfe von Referenzmitteln ihr nächstes Projekt anzuschieben. Hier besteht also ebenfalls Handlungsbedarf.

Die Forderung des Gesetzgebers, Referenzpunkte und somit Fördergelder nur an Filme zu vergeben, von denen eine deutsche Sprach- bzw. Synchronfassung vorliegt, hält die AG Kurzfilm für nicht zeitgemäß. Wenn der Film nicht in deutscher Sprache hergestellt wurde, müssen auch deutsche Untertitel akzeptiert werden. Die Möglichkeit, diesen Film in deutscher Sprache anzuschauen, bleibt damit erhalten. Synchronisation ändert häufig den Gesamtcharakter des Films und ist somit ein gravierender Eingriff in die künstlerische Freiheit. Sprache ist ein essentieller Bestandteil des Filmes – und oft die Ausdrucksweise, die die eigentliche Botschaft des Films vermittelt. In vielen Filmen spielen kulturelle und sprachliche Assoziationen eine sehr große Rolle, die sich aber oft nicht übersetzen lassen, ebenso Dialekte oder Wortspiele. Die Stimme ist zudem eines der wichtigsten Werkzeuge eines Schauspielers bzw. Sprechers. Die Kunstform Film sollte so präsentiert und rezipiert werden können, wie sie erschaffen und für das Publikum vorgesehen wurde. Bei „kleineren“ Filmen sowie Kurzfilmen kommt hinzu, dass die Synchronisation aus finanziellen Gründen unmöglich ist. Auf Festivals und in Arthouse-Kinos ist es gängige Praxis, Filme im Original mit deutschen Untertiteln oder in der Originalversion zu präsentieren. Das Publikum erwartet dies sogar sehr häufig. Für diese Filme würde eine Synchronfassung also ausschließlich wegen der Filmförderung hergestellt werden. Es wäre somit unverhältnismäßig, die Förderung eines Films – egal ob programmfüllender oder Kurzfilm – davon abhängig zu machen.

Die AG Kurzfilm spricht sich somit auch grundsätzlich dagegen aus, dass es zwingend notwendig sein soll, einen Film in deutscher Sprache welturaufzuführen. Deutschland ist und soll ein offenes Land sein, Künstler aus aller Welt bereichern unsere Kulturlandschaft. Der Zwang, sich ausschließlich in deutscher Sprache künstlerisch zu äußern, ist für die inhaltliche wie ästhetische Weiterentwicklung des gesamten deutschen Films, insbesondere aber für den Kurzfilm, eine gravierende Einschränkung, die zudem an der gesellschaftspolitischen Realität vorbei geht. Die Gesellschaft in Deutschland hat sich durch Migration und das Zusammenwachsen Europas komplett gewandelt. Hinzu kommt, dass die Konkurrenzfähigkeit unserer Filmemacher und Künstler ernsthaft in Gefahr gerät, wenn diese zwangsweise Filme in deutscher Sprache produzieren müssen – dies widerspricht auch der Internationalität der Festivalliste. Ebenso diskussionswürdig ist, dass die Regisseurin  / der Regisseur des Filmes Deutsche  / Deutscher sein oder dem deutschen Kulturbereich angehören muss5, um Fördergelder erhalten zu können. Gerade Filme zu solch wichtigen Thema wie z. B. Migration oder Globalisierung laufen somit Gefahr, von der Möglichkeit der Förderung ausgeschlossen zu werden, wenn der Regisseur zwar in Deutschland lebt, aber keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt bzw. nicht zum deutschen Kulturbereich gehört. Der Begriff „deutscher Kulturbereich“ ist ohnehin nicht eindeutig definiert. Die geplante Erhöhung des Förderbetrages für das Abspiel von Kurzfilmen als Vorfilm im Kino ist begrüßenswert, jedoch muss die Förderung des Kinoabspiels erweitert werden: Kinobetreiber, die sich verstärkt für Kurzfilm engagieren, integrieren diesen in den unterschiedlichsten Varianten und Präsentationsformen in ihre Programme. Die Förderung sollte deshalb die ganze Breite der Kurzfilmpräsentation unterstützen, und nicht auf den Einsatz der kurzen Formate als Vorfilm vor dem Hauptfilm begrenzt werden6. Eigenkuratierte Kurzfilmpräsentationen bedeuten immer einen zusätzlichen zeitlichen, organisatorischen und vor allem finanziellen Aufwand. Insbesondere die Kosten für Verleihmieten und kuratorische Leistungen steigen um ein Vielfaches bei eigenkuratierten Programmen. Während die Miete für fertige Verleihprogramme etwa der eines Langfilms entspricht, können die Kosten für die Ausleihe von einzelnen Kurzfilmen für eine eigene Zusammenstellung abhängig von der Anzahl der Filme auf mehr als das Doppelte steigen. Außerdem benötigt der Kurzfilm auf Grund seiner strukturellen Nachteile im System Kino eine besondere Unterstützung. Im Gegensatz zum Langfilm können selbst fertige Verleihprogramme nicht auf groß angelegte Werbekampagnen zurückgreifen, die Medienaufmerksamkeit ist bedeutend geringer. Bei eigenkuratierten Kurzfilmveranstaltungen potenzieren sich diese Wettbewerbsnachteile noch. Fördermittel könnten Kinobetreiber nutzen, um den finanziellen Mehraufwand bei Verleihmieten und Werbung auszugleichen sowie Honorare und Aufwandsentschädigungen für kuratorische Leistungen zu zahlen. Sie erhalten dadurch freiere Gestaltungsmöglichkeiten und können ihr Programmprofil weiter schärfen. Dieses Förderinstrument hilft nicht nur, die Wettbewerbsnachteile von Kurzfilmen zu reduzieren, sondern unterstützt auch substanziell die Erhaltung der Kinolandschaft.

1 WOLF, Reinhard W.: Was ist Kino – was ist Kurzfilm? In: JAHN, Michael/KAMINSKI, Christina/WOLF, Reinhard W./REINSCH, Annekatrin.: Kurzfilm in Deutschland-Studie zur Situation des
kurzen Films. Herausgegeben von der AG Kurzfilm e.V. – Bundesverband Deutscher Kurzfilm. Dresden 2006; S. 5

2 Die kompletten Stellungnahmen der AG Kurzfilm zur Novellierung des Filmförderungsgesetzes 2014 vom 25.1.2012 sowie zum ersten Entwurf des Filmförderungsgesetzes 2014 vom 30.07.2012 sind nachzulesen unter www.ag-kurzfilm.de

3 Referenzförderung: um Fördergelder zu erhalten ist ein im Gesetz festgelegter Nachweis zu erbringen, dass der Filmemacher Filme von hoher Qualität herstellen kann. Dies ist im FFG über die sogenannte Festivalliste geregelt. In der Festivalliste sind die Festivals (im In- und Ausland aufgeführt), für die ein Film bei Teilnahme bzw. Preisen Referenzpunkte erhält.

4 lt.§ 14a (1) FFG ist ein Film programmfüllend, wenn er eine Vorführdauer von mindestens 79 Minuten, beiKinderfilmen von mindestens 59 Minuten hat. Ein Kurzfilm wird, wie bereits erwähnt, definiert als ein Film mit einer Vorführdauer von mindestens einer und höchstens 15 Minuten.

5 Lt. Gesetzesentwurf sollen Förderungshilfen gewährt werden, wenn
„die Regisseurin oder der Regisseur Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes ist oder dem deutschen Kulturbereich angehört oder die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz besitzt“

6 Die generelle Förderung des Abspiels von Kurzfilmen wird bisher mit der Begründung abgelehnt, dass für Kurzfilmprogramme – im Gegensatz zu Vorfilmen – an der Kinokasse Eintritt verlangt werden kann und durch eine Förderung Kurzfilmprogramme nicht
besser gestellt werden dürfen als programmfüllende Filme

Original Page