Grimstad Kurzfilmfestival

Report

Grimstad Kurzfilmfestival – ein neuer Leuchtturm der Festivallandschaft (under construction)

Im Juni 2007 feierte das norwegische Kurzfilmfestival in Grimstad sein 30jähriges Jubiläum. Das Jubiläum fiel mitten in eine Diskussion über die zukünftige Konzeption und Programmatik des Festivals. Indirekter Auslöser war ein Beschluss der Regierung dem Kurzfilmfestival den Status eines sogenannten „šKnutepunktfestival‘ (Knotenpunkt- oder Schwerpunkt-Festival) zu verleihen.

Dahinter steckt eine Änderung der kulturpolitischen Leitlinien, die in Norwegen alle Sparten betrifft und in deren Folge öffentliche Mittel auf einige wenige Leuchttürme der jeweiligen Sparte konzentriert werden. Für das Kurzfilmfestival ist dies eine Aufwertung, die sich auch bezüglich der finanziellen Ausstattung bemerkbar macht. Das Festival erhält 2008 Mittel in Höhe von 2 Millionen norwegischen Kronen (ca. 250.000 Euro) vom Staat und zusätzlich 40% dieser Summe aus der regionalen Kulturförderung. Inzwischen muß man aber kritisch hinterfragen, ob diese Aufwertung dem Festival nicht einen Bärendienst erweist.

Die Aufwertung als „šKnutepunktfestival‘ ist nämlich mit Änderungen der Festivalstruktur und Auflagen verknüpft. So wird unter anderem verlangt, daß das Festival die gesamte Bandbreite der norwegischen Kurzfilmproduktion abbildet. Dabei wird das Festival nun viel stärker von Außen kontrolliert – formal durch einen mächtigeren, neu besetzten Aufsichtsrat und durch die Stärkung der Geschäftsführung in Richtung Intendantenprinzip. Diese von Außen herangetragenen Änderungen führten in den letzten Monaten zu internen Kontroversen mit denen die Gruppe wohl überfordert war. In der Folge traten die Veranstalter bereits 2007 nicht mehr geschlossen und einig auf, was weiteren Einflussnahmen Tür und Toröffnete.

Plötzlich hagelte es von allen Seiten Kritik am Festival und seinem Programm. Vertreter von Verbünden, Gewerkschaften, der staatlichen Kulturverwaltung, aber auch Regional- und Lokalpolitiker mischten sich mit Forderungen ein und fühlten sich animiert gute Ratschläge zu geben. Dies ging bis in unwesentliche Details der Programmpolitik wie die Frage weshalb bestimmte Filme an bestimmten Tagen gezeigt werden. Andere kritisierten das Festival sei zu gemütlich und die Veranstaltergruppe zu bequem geworden. Besucher und Teilnehmer würden sich nur der vorsommerlichen Urlaubsstimmung hingeben. Auch die Aufgabe des Standorts zugunsten eines Tourfestivals wurde vorgeschlagen – man wollte wohl Veranstalter und Filmemacher auf Trab bringen!

Höhepunkt beziehungsweise Tiefpunkt, je nach Perspektive, dieser Auseinandersetzung war im Dezember 2007 der Rücktritt des bisherigen Programmkomitees, so dass von der ehemaligen Veranstaltergruppe nur die Geschäftsführerin, Torunn Nyen, alleine mit ihrem Aufsichtsrat zurückblieb. Als Grund für den Rückzug des Programmkomitees wurden Differenzen bezüglich der Programmkonzeption – u.a. wollte das Komitee den Umfang der Wettbewerbsprogramme reduzieren – genannt, bei denen sich das Komitee nicht durchsetzen konnte. Dahinter stehen aber auch generelle Fragen der zukünftigen Festivalkonzeption, insbesondere aber die Widersprüche zwischen einem Intendantenprinzip und dem Prinzip der gemeinschaftlichen künstlerischen und wirtschaftlichen Leitung, wie sie in der Satzung des Festivals verankert ist.

Das Festival wurde vor 30 Jahren von Jugendlichen aus der Filmclub-Bewegung gegründet und allmählich als Freundeskreis in ehrenamtlicher Arbeit zum wichtigsten nationalen Kurzfilmfestival ausgebaut Vor etwa 20 Jahren zog das Festival nach Grimstad – in eine beliebte Urlaubsregion der Hauptstädter aus der Zeit vor dem Ferntourismus an der südlichsten Spitze Norwegens. In dem beschaulichen, protestantisch-konservativen geprägten Ort blieben die jährlich einfallenden Filmemacher und das Festival im städtischen Kulturzentrum aber eher ein Fremdkörper.

Die Veranstaltergruppe blieb jedoch über Jahrzehnte hinweg mehr oder weniger personell konstant und dem Standort treu. Dabei hat es in den letzten Jahren eine Reihe von Veränderungen gegeben, die das Potential der Veranstalter zur selbständigen Reform der Konzeption belegten. Dazu gehörten die Öffnung gegenüber dem Avantgarde- oder Experimentalfilm, ein Musikvideo-Wettbewerb und die Einbeziehung internationaler Filme in Sonderprogrammen. Zu den internationalen Gästen und Kuratoren der letzten Jahre gehörten zum Beispiel Craig Baldwin, Ian Helliwell, Peter Kubelka, Gunvor Nelson, Mark Webber, Steina und Woody Vasulka. Es ist fraglich, ob diese Öffnungen nach den strukturellen Veränderungen, mit ihren eher konservativen Lobbyisten im Hintergrund, fortgeführt werden. Das Niveau der gegenwärtigen Auseinandersetzung, die kaum eine sachliche konzeptionelle Diskussion genannt zu werden verdient, lässt jedenfalls sehr zu wünschen übrig.

Im Januar, also bereits nach dem Rücktritt, meldete sich noch einmal ein Mitglied des Programmkomitees, Per Platou, öffentlich zu Wort und warnte vor dem Risiko, dass das Festival den „šKnutepunkt‘-Status verlieren könne, wenn es im Chaos versinke und die Auflagen nicht erfülle. Wie bei allen anderen „šKnutepunkt‘-Events soll der Status nämlich alle vier Jahre evaluiert werden, bevor er verlängert wird. Auch wandte sich Platou in seiner Kritik weniger an die ehemalige Kollegin Torunn Nyen als gegen den neuen Aufsichtsrat, dem er Versagen vorwarf.

Gewerkschaftsvertreter Sverre Pedersen hat in Replik auf diese Kritik geäußert, „die Filmbranche sei erleichtert, dass sich das Programmkomitee zurückgezogen habe“. Es gehe um die Frage, ob bei dem Festival eine handvoll Leute bestimmen oder, ob es der wichtigste Treffpunkt der Branche werde, zu dem man geht, um zu sehen, was die anderen machen. Kurz darauf meldete sich der Dachverband der Filmbranche zu Wort und beanspruchte mehr Sitze im Aufsichtsrat. Gleichzeitig machte der Verband deutlich, daß man sich aber nicht mit den Ursachen des Konflikts auseinandersetzen wolle! Vielmehr wurde empfohlen die Festivalleitung durch einen fünfköpfigen Rat zu ersetzen, dem insbesondere Vertreter des Norsk Filmforbund oder des Filmclubverbands angehören sollten. Pedersen, der auch im Dachverband vertreten ist, meinte man wolle eine Festivalleitung, „die den Dialog suche und aufmerksam auf die Signale hört“ eine Äußerung, die der gerade erst installierten Intendantin nicht gerade den Rücken stärkt…

Dem im April dann nochmal erweiterten Aufsichtsrat gehören inzwischen Vertreter des Kulturministeriums, der Gewerkschaft Norsk Filmforbund, des Produzentenverbands und der Bezirksregierung wie auch der Kommune an. Sie werden in Zukunft die Geschicke des Festivals lenken. Unterdessen arbeiten die Festivalmitarbeiter, darunter neu besetzte Auswahlkommissionen, auf Hochtouren.

Vom Programm des Festivals 2008, das vom 12. bis 17. Juni stattfindet, stand Ende April nur der nationale Wettbewerb fest. Im Kurzfilmwettbewerb werden fast ein Fünftel aller Einreichungen gezeigt. In einer Pressemitteilung freute sich das Festival, dass es 20 Einreichungen mehr waren als im Jahr zuvor. Offenbar haben die Veranstalter einen Boykott befürchtet. Wie in den Jahren zuvor wird es außerdem wieder einen Dokumentarfilm- und einen Musikvideo-Wettbewerb geben. Neu ist ein internationaler Kurzfilmwettbewerb, für den man sich nur über Reelport anmelden konnte. Die Auswahl wird erst im Mai bekannt gegeben, da es angesichts der neuen Aufgabe und des Volumens (500 Einreichungen) zu Verspätungen gekommen sei. Das klingt nach Stress – kein Wunder!

Reinhard W. Wolf
April 2008

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