Filmemacher beklagen Missmanagement des Festival des Films du Monde in Montréal

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Festivalgäste 1977: Francine Brücher, Swiss Films; Ulli Lommel; Serge Losique, président du FFM; Eddie Constantine ©Festival des films du monde

Festivalgäste 1977: Francine Brücher, Swiss Films; Ulli Lommel; Serge Losique, président du FFM; Eddie Constantine ©Festival des films du monde

21 junge Filmemacher/innen haben sich noch während des Festivals Luft gemacht und in einem offenen Brief die Missstände beim diesjährigen Festival des Films du Monde (25.08. – 05.09.) angeprangert und dem Festivalleiter, Serge Losique, nahegelegt sein Amt niederzulegen.

 

In dem Schreiben vom 2. September, das auch an den Bürgermeister von Montréal, den Kulturminister von Québec und die kanadische Ministerin für das Kulturerbe adressiert war, beklagen die Unterzeichner/innen aus sieben Ländern, darunter zwei Filmemacher/innen aus Deutschland, die kurzfristige Absage geplanter Kinovorführungen und die Art und Weise wie sie als Festivalgäste behandelt wurden.

 

Unmittelbarer Anlass für die Programmänderungen war die Absage der Kinokette Cinéplex Québec einen Tag vor Festivalbeginn. Die Unternehmensleitung nannte finanzielle und terminliche Gründe für den Entschluss ihre lokalen Forum-Kinos nicht zur Verfügung zu stellen. Einer der Streitpunkte war die Hinterlegung einer Vorauszahlung, die das Festival nicht leisten konnte.

 

Dies war nicht der einzige Schlag, den das Festival kurz vor seiner Eröffnung zu verkraften hatte. Am Tag zuvor hatte mehr als die Hälfte der Festival-Mitarbeiter/innen den Dienst quittiert. Zur schlimmen Situation, in die sich das Festival und die anreisenden Filmemacher/innen versetzt sahen, gehörte auch, dass wenige Tage vorher das Hyatt Hotel als Festivalzentrum ausgefallen war – es also nicht einmal mehr Büros und einen Treffpunkt für Festivalteilnehmer/innen gab.

 

Der langjährige Leiter und Gründer des Festival des Films du Monde (FFM), Serge Losique, ließ mitten in der Krise verlauten, er verhandele mit anderen Kinos und werde alles unternehmen, dass alle Filme gezeigt werden. Mit Bezug auf den offenen Brief, dessen Unterzeichner/innen überwiegend zur Sektion „Festival du film étudiant“ eingeladen waren, teilte er am 31. August in der Tageszeitung Le Devoir mit, das Festival habe außer für vier Filme des Studentenwettbewerbs bereits alternative Vorstellungen organisiert.

 

Die Filmemacher/innen waren unterdessen selbst tätig und organisierten alternative Screenings mit Hilfe ihrer universitären oder kulturellen Landesvertretungen, wie etwa dem Goethe-Institut. Das Festival hätte selbst zu wenige Mitarbeiter/innen zur Abwendung der Folgen der Ereignisse – wie die fehlende Öffentlichkeitsarbeit, der Ausfall des Filmmarkts, fehlendes Publikum und Gesprächspartner/innen.

 

All dies wäre abwendbar gewesen, wenn die Filmemacher/innen rechtzeitig informiert worden wären. Nur wenige hätten ihre Flüge nach Montréal noch stornieren können. Die Misere lasten die Unterzeichner/innen des offenen Briefs dem Festivalleiter persönlich an, dem sie Sturheit und Fahrlässigkeit vorwerfen. Es sei an der Zeit, dass er die Fackel weiter reiche und verweisen dabei auf den Niedergang des Festivals, der schon vor Jahren begonnen habe.

 

Tatsächlich war dies nicht das erste Mal, dass der Rücktritt von Serge Losique in einem offenen Brief gefordert wurde und die finanziellen Probleme des FFM sind bekannt. Im Jahr 2014 war das Festival fast am Ende, nachdem sich alle drei öffentlichen Förderer zurückgezogen hatten (SODEC, Téléfilm Canada und die Stadt Montréal). Seit dem prozessiert Losique mit der SODEC und fordert eine Zahlung von 2,5 Mio $ als Gegenklage zur Rückzahlungsforderung von 900.000 $.

 

Serge Losique, eine schillernde Figur, ist in Québec auch als Grand Manitu oder Ecclestone der Filmfestivals bekannt. Durch seine guten Kontakte nach Frankreich und frühere Verdienste – wie etwa die Zusammenarbeit mit Jean-Luc Godard – ist es Losique trotz Entzug der Förderung immer wieder gelungen mit Red-Carpet-Events und Star-Gästen, meist aus Frankreich, dem Festival zu Ruhm zu verhelfen. Dieses Jahr kamen übrigens, trotz der Turbulenzen, unter anderen Isabelle Adjani und Willem Dafoe …

 

Nun ist das Festival zu Ende und erscheint auf der Oberfläche seiner, stark ausgedünnten, Website fast wie jedes andere große Festival: Pressemitteilungen zur glanzvollen Eröffnung, über das Eintreffen von Celebrities und die Verkündung der Palmarès. Aber kein Wort über die Probleme, keine Informationen mehr über das „Festival du film étudiant“. Auch Angaben zu den Festivalorten und Terminen, die es zwischenzeitlich noch gab, sind inzwischen – vermutlich mit dem Webmaster – verschwunden.

Bleibt zu hoffen, dass diese schlimmen Erfahrungen anderen Festivals erspart bleiben und dies Filmemachern eine Warnung ist. Und möge es ein kleiner Trost für die Teilnehmer/innen sein: unter den Preisträger/innen des FFM sind auch Unterzeichner des offenen Briefs.

 

 

 

Bildlegende Indexseite: Pressefoto Serge Losique © Sylvain Légaré, FFM 2014

Festival-URL: www.ffm-montreal.org/