FestivalarbeiterInnen vernetzen sich international

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Dr. Skadi Loist (Moderation), Dr. Grit Lemke (AG Festivalrbeit in ver.di), Daniel Ebner (FÖFF), Adrienne Boros (Berlinale) auf dem Podium der Veranstaltung „Festival Workers of All Countries… Speak Out On Working Conditions“ © Gruppe Festivalarbeit in ver.di

Vor knapp eineinhalb Jahren formierte sich die Initiative „Festivalarbeit gerecht gestalten“ um den Diskurs über die prekären Arbeitsbedingungen bei deutschen Filmfestivals – davon ein großer Teil Kurzfilmfestivals – – anzustoßen. Das erste Arbeitstreffen im Rahmen von DOK Leipzig 2016 zog knapp 100 FestivalarbeiterInnen an und ein großes Medienecho nach sich. Inwieweit die damalige Aufbruchsstimmung in konkrete Handlungen umgesetzt wurde, darüber sollten eine Informationsveranstaltung für FestivalarbeiterInnen und eine internationale Podiumsdiskussion während der Berlinale 2018 Auskunft geben.

 

„Get Smart. Antworten auf eure Fragen“ versprach der Titel der Informationsveranstaltung am 20. Februar 2018. Den Fragen der knapp 20 anwesenden FestivalarbeiterInnen stellten sich zwei Experten für Arbeitsrecht von ver.di. Im Vorfeld war, ausgehend von einer Umfrage unter den FestivalarbeiterInnen im Newsletter der Initiative, mit einer Zweidrittelmehrheit entschieden worden, sich der FilmUnion von ver.di als „Sektion Festivalarbeit“ anzuschließen. Damit war eine der in Leipzig aufgeworfenen grundlegenden Fragen geklärt, nämlich die nach der passenden Organisationsform. Mit dem Anschluss an ver.di könne man nicht nur auf bereits etablierte Strukturen und vorhandenes Wissen zugreifen, sondern auch von der Wirkmächtigkeit der Gewerkschaft profitieren. „Beim Namen ver.di hören die Leute immer zwei Millionen, egal ob das stimmt oder nicht“, so Gunter Haake, vom Referat Selbstständige in ver.di.

Nun hofft die Gruppe „Festivalarbeit in ver.di“ auf Zuwachs, um zeitnah konkrete Themen, Forderungen und Ziele erarbeiten zu können. Schnell zeigt sich während der Informationsveranstaltung, dass eine umfassende Aufklärung und Beratung der FestivalarbeiterInnen mit an erster Stelle stehen muss. Fragen zu Themen wie Vertragsrecht, Altersvorsoge und adäquater, der Qualifikation entsprechender Entlohnung werden gestellt und zeigen, dass innerhalb der Branche große Unwissenheit über die eigenen Arbeitsrechte herrscht. Ein Grund hierfür sind die fehlenden Möglichkeiten der Selbstvergewisserung der FestivalarbeiterInnen untereinander.

Aufgrund der derzeitigen Infrastruktur innerhalb der Festivals, wie befristete Verträge, Freelancertätigkeiten und generell hohe Arbeitslast,  bleiben Chancen zur Vernetzung ungenutzt. Die Gruppe „Festivalarbeit in ver.di“ sieht sich daher auch als eine Art „Ersatz-Betriebsrat“. Die meisten FestivalarbeiterInnen treffen sich regelmäßig auf den gleichen Festivals. Dies könnte genutzt werden, um in regelmäßigen offiziellen Treffen den gegenseitigen Austausch zu fördern und die politische Arbeit voran zu bringen. Als langfristiges Ziel sollen konkrete Tarifverträge ausgehandelt und soziale Standards festgelegt werden. Doch was genau wären derartige Standards innerhalb der Festivalarbeit?

Eine Schwierigkeit bei der Erarbeitung von Zielen und Forderungen besteht darin, dass es wenige bis keine Daten zum Verdienstniveau (oder oft auch Aufwandsentschädgungsniveau) sowie zu den Arbeitsbedingungen innerhalb der diversen Festivals gibt. So fehlen auch allgemein gültige Tätigkeitsdefinitionen für die hochspezialisierten Gewerke innerhalb der Festivalarbeit. Diese sollen nun innerhalb einer Arbeitsgruppe der Initiative ausgearbeitet werden. Um zeitnah Daten zu den tatsächlichen finanziellen Umständen der FestivalarbeiterInnen zu sammeln und den Festivalschaffenden auch eine Recherchemöglichkeit zu geben, fordert die Gruppe alle FestivalarbeiterInnen auf, die Honorardatenbank von ver.di unter Angabe der Tätigkeit zu füllen. Weiterhin befindet sich eine umfassende Studie zu den Arbeitsbedingungen in der Filmfestivallandschaft Deutschlands durch Skadi Loist und Lisa Basten in der Vorbereitung. Sie soll die notwendigen Daten liefern, um die Forderungen der FestivalarbeiterInnen zu untermauern. Die InitiatorenInnen der Initiative und ver.di sind sich einig: Sobald die Formulierung konkreter Forderungen erfolgt ist, würden diese auf offene Ohren seitens der Politik stoßen.

 

Wie so ein Prozess aussehen könnte, zeigt das Beispiel des Forums Österreichischer Filmfestivals (FÖFF). Im Rahmen eines internationalen Panels mit dem Titel Festival „Workers of All Countries… Speak Out On Working Conditions“ am 21. Februar 2018 wurde der Blick hin zu Arbeitsbedingungen der FestivalarbeiterInnen anderer Länder erweitert. Die vielen Wortmeldungen aus dem internationalen Publikum belegen, das Problem der prekären Arbeitsbedingungen bei Filmfestivals ist kein deutsches, sondern ein internationales. Während in Ländern wie beispielsweise dem Kosovo und Italien Interessenvertretungen innerhalb der Festivallandschaft noch komplett fehlen, ist das 2012 gegründete Forum Österreichischer Filmfestivals, ein Zusammenschluss von 22 Filmfestivals in Österreich, schon einen Schritt weiter: hier wurde bereits 2015 die „Austrian Film Festival Study“ erstellt. Die österreichische Studie zeigte ganz klar die wirtschaftliche Wirkmächtigkeit der Festivals, aber auch die prekären Arbeitsbedingungen innerhalb der Branche. Würde man allen Festivalarbeitern den Mindestlohn zahlen, hätte das einen finanziellen Mehraufwand von 20% der bisher gezahlten Fördersummen in Österreich zu folge. Ausgehend von den Ergebnissen wurden konkrete Forderungen an die Politik gestellt, die ebenfalls für Deutschland anwendbar wären.

Denn auch in Deutschland liegen die Gründe für die unzumutbaren Arbeitsbedingungen in einer Förderpolitik, die der immer größeren wirtschaftlichen Bedeutung von Filmfestivals nicht gerecht wird. Gefördert wird projektbasiert, ohne Planungssicherheit für die Festivals, ohne Anpassung der Löhne.  Und die Festivals spielen mit, verwenden das Geld für immer aufwändigere Projekte und die Außenwirkung, für mehr Filme, mehr Technik, mehr Zuschauer um eine erneute Förderung im nächsten Jahr zu rechtfertigen. Ein Umdenken bei den Festivals muss her. „If you can’t afford it, then don’t do it“, so Daniel Ebner vom FÖFF. Gleichzeitig muss es Aufgabe der Politik sein, neben einer Erhöhung der Förderung, auf die Einhaltung sozialer Standards zu achten, zum Beispiel darauf, dass anhand der Förderanträge eine faire Bezahlung der MitarbeiterInnen  ersichtlich sein muss. Dass eine derartige Verlagerung der Werte möglich ist, zeigt die deutsche Filmförderung, wo seit einiger Zeit auf nachhaltige Arbeitsbedingungen bei Filmproduktionen geachtet wird. Seit 2016 wird durch die Bundesvereinigung DIE FILMSCHAFFENDEN in Zusammenarbeit mit Crew United jährlich sogar ein FairFilm®Award, der Fairnesspreis der Filmschaffenden vergeben. Dieser hieß vor 2016 übrigens Hoffnungsschimmer. Die ersten Schritte hin zu einer Verbesserung der Situation der Beschäftigen einer ganzen Branche sind getan. Es bleibt zu hoffen, dass aus einem Schimmer bald ein Lauffeuer wird.

 

Weitere Informationen:

https://www.facebook.com/festivalarbeit/

https://festivalarbeit.verdi.de/

 

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