Erfolgreiches Jahr 2012

Report

Erfolgreiches Jahr 2012 – künstlerische Filme und Videos im Spiegel von Kunstmarkt-Ratings

Ist die Bedeutung von Künstlern und damit letztlich der Wert ihrer Werke objektiv messbar? Das deutsche Wirtschaftsmagazin Capital behauptet dies und stützt sich dabei auf die „Ratingagentur der Kunstszene“ Artfacts.Net. Seit vielen Jahren veröffentlicht Capital jährlich zur Orientierung für Kunstkäufer den so genannten Kunstmarkt-Kompass. Dies ist eine Ranking-Liste der „bedeutendsten lebenden Künstler der Welt“, deren Daten von Artfacts.Net nach einem „objektiven Punktesystem“ zusammengetragen werden.

Die jährlich veröffentlichte Ranking-Liste, deren Detailinformationen und Einzelanalysen kostenpflichtig sind, spiegelt wieder, wie die Bedeutung einzelner Künstler zumindest von einem Teil des Marktes eingeschätzt wird. Da jeweils die Kunstform, von der Malerei und Skulptur über Film und Fotografie bis zur Performance, mit genannt wird, lässt sich an diesen Listen auch ablesen, welche Bedeutung einzelnen Kunstformen – wie Film oder Video – über eine längere Periode hinweg beigemessen wurde.

Als Vergleichsgrundlage können die Top 100-Liste des Kunstmarkt-Kompass herangezogen. werden. Der Online-Veröffentlichungsbeginn des Kompass stimmt zufälligerweise mit der Zeit überein, in der Videokunst (mit 20- bis 25-jähriger Verspätung;-) auf dem Kunstmarkt „šangekommen ist‘. Die folgenden Ergebnisse beruhen auf einer Auswertung der Rankings im Fünfjahresabstand in den Jahren 2000, 2005 und 2010 sowie der aktuellen Veröffentlichung des Kunstmarkt-Kompass 2012.

Im Jahr 2000 unterscheidet die Liste zwischen Medien- und Videokunst. Unter den TOP 100 befinden sich nur vier Künstler, die unter den Rubriken Video-Art bzw. Medienkunst genannt werden. Erstere sind Pipilotti Rist und Gary Hill auf Rang 8 beziehungsweise auf Rang 79. Die Schweizer Künstlerin wird hier als Shooting Star bezeichnet, allerdings erzielen eher ihre Installation als ihre Videos hohe Preise auf dem Kunstmarkt. In der Rubrik Medienkunst rangieren Stan Douglas und Gillian Wearing unter den ersten Hundert. Während Stan Douglas von Platz 107 im Vorjahr auf Rang 56 aufstieg, machte Wearing den größten Sprung aller Künstler im damaligen Jahres-Ranking, nämlich von Platz 156 auf Rang 82.

Seitdem ging es für Videokunst langsam, aber stetig bergauf. Im Jahr 2005 wurden 12 Video- bzw. Medienkünstler unter den Top 100 genannt. Zum ersten Mal tauchte damals auch die Kunstform „Film“ auf – mit William Kentridge auf Rang 11! Fünf Jahre später waren es 17 Namen unter den ersten Hundert. Kentridge war inzwischen auf Platz 8 vorgerückt, Douglas Gordon auf Platz 16 und mit Pierre Huyghe (21) ein weiterer Vertreter in der Kategorie „Film“ aufgenommen. Auf Platz 1 stand der „šKlassiker‘ Bill Viola.

Im Jahr 2012 wurde der Begriff Medienkunst fallengelassen und waren unter den ersten Hundert nun 22 Künstler, die mit Film oder (Single Channel-) Video arbeiten. In der „Kunstform Film“ schaffte es inzwischen auch Tacita Dean unter die Top 100.

Auffällig ist im Zeitraum 2000 bis heute der stete Aufstieg der Fotografie. Unter den technikbasierten Kunstformen hat sie inzwischen Film- und Video überholt. Die Agentur Artprice schätzte den Umsatzanteil der Fotografie am Kunstmarkt für 2011 auf 6,8 %, während auf die übrigen „šneuen Medien‘ nur 0,4% entfielen.
Fotografien sind als Investition und Sammelobjekt sicher leichter zu verkaufen und zu handeln als Filme und Videos, nicht zuletzt weil sie wie Malerei „škonfektioniert‘ und ausgestellt werden können. Dies haben natürlich auch einige Filmemacher erkannt, die zunehmend auch einzelne Bildkader als Prints anbieten.
2012 waren unter den Top 100 schon 30 Künstler vertreten, die mit dem Medium Fotografie arbeiten. Der Rückgang von Film und Video im Vergleich zur Fotografie ließ sich aber außerhalb des Kunstmarktes schon viel früher und deutlicher feststellen, wie zum Beispiel in öffentlichen Ausstellungen.

Der Kunstmarkt selbst reagiert aber mit Verzögerung und schätzt im Sinne einer sicheren Investition das bereits Bewährte. In der Bewertung folgt er einer kleinen Gruppe von Meinungsführern (große Galerien, Auktionshäuser und Privatsammler). Das zentrale Qualitätskriterium ist die Verkäuflichkeit. Analog zu Ratings auf dem Finanzmarkt operiert inzwischen der Kunstmarkt mit Tabellen und Diagrammen, Kursdaten und Charttechnik.

Die Artist Rankings, auf denen der Capital Kunst-Kompass beruht, basieren auf der so genannten Ökonomie der Aufmerksamkeit. Nach einem komplizierten Punktesystem werden Ausstellungen, aber auch die Vertretung durch Galerien bewertet. „Nur Künstler, die in etablierten Strukturen operieren,“ heißt es bei Artfacts, „werden als Quelle für den Ausgangswert betrachtet“. Mit Kreativität und ästhetischer Qualität haben solche Ratings nichts zu tun. Junge Künstler sind eher die Ausnahme und vergeblich sucht man Filmemacher, die ihre Arbeiten auch auf Filmfestivals oder im Kino präsentieren in den oberen Rängen.

Reinhard W. Wolf

Das Magazin Capital erscheint im Verlag Gruner + Jahr, Hamburg http://www.capital.de/guide/kunstmarkt-kompass
Artfacts.Net Ltd hat seinen Hauptsitz in London und erscheint in fünf Sprachen http://www.artfacts.net

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