Die Berlinale und der Kurzfilm (02/08)

Report

Die Berlinale und der Kurzfilm – Keine einfache Liebe

Jeden Februar entsteht mitten in Berlin ein Paralleluniversum. Vom Potsdamer Platz aus strömen hektische Filmmenschen in den Berliner Alltag, gut gekennzeichnet durch die unvermeidlichen Berlinaletaschen. Die Filmfestspiele sind für so gut wie jeden Mitspieler im Filmzirkus ein unverzichtbarer Termin, schon allein deshalb, weil alle anderen eben auch da sind. Ein selbstreferentielles System, in dem sich ausnahmslos alle in der Filmbranche Tätigen zwei Wochen lang im Umkreis von wenigen Kilometern zusammen ballen – nur die Vertreter der Kurzfilmszene ließ der Wirbel lange Zeit verhältnismäßig kalt, weil der Kurzfilm auf der Berlinale eine eher marginale Rolle spielte.

Obwohl bereits seit 1955 der Goldene Bär für den besten Kurzfilm vergeben wird, gab es fast fünfzig Jahre lang kein eigenes Wettbewerbsprogramm für die Kurzfilme auf der Berlinale, sondern die Kurzfilme wurden gemeinsam mit den Langfilmen bzw. als Vorfilme in den einzelnen Sektionen gezeigt und waren daher über das gesamte Programm verstreut. Eine auf Kurzfilme konzentrierte Sichtung war während des Festivals so gut wie unmöglich, die Filme wurden eher als Teil der jeweiligen Sektionen wahrgenommen, denn als Auswahl des jährlichen weltweiten Kurzfilmschaffens. Diese Zerstreuung wurde immer wieder kritisiert und 2003 reagierte die Berlinale darauf mit der Einführung eines eigenen Programmplatzes für den Kurzfilm.

Der Etablierung dieses festen Programmplatzes war im Jahr zuvor die Gründung der Sektion Perspektive Deutsches Kino voraus gegangen, mit der der umtriebige Festivalleiter Dieter Kosslick einem anderen ehemaligen Sorgenkind des Festivals, dem deutschen Film, eine bessere Ausgangsposition verschaffen wollte. Tatsächlich stärkte die Einführung dieses Schaufensters für den deutschen Film seine internationale Position erheblich. Das internationale Fachpublikum schien auf die Gelegenheit, die „besten“ deutschen Produktionen des Jahres „en block“ zu sehen, nur gewartet zu haben. Die Einführung der Sektion Perspektive Deutsches Kino kann heute – nach sechs Jahren – als voller Erfolg verbucht werden.

Für den Kurzfilmsektor lässt sich diese Frage noch nicht so leicht beantworten.  

Das liegt zuallererst daran, dass der Kurzfilmbereich in den letzten fünf Jahren von drei unterschiedlichen Verantwortlichen geleitet wurde. Schon aus diesem Grund fällt es schwer, eine allgemeine Tendenz festzumachen. Dazu kommt, dass sich die Position des Kurzfilms innerhalb der Berlinale seit dem letzten Jahr noch einmal entscheidend verändert hat, weil der Kurzfilmbereich in der festivalinternen Hierarchie zur Sektion aufgestiegen ist. Was vom normalen Zuschauer kaum wahrgenommen worden sein dürfte, ist Berlinale-intern kein unwichtiger Vorgang, denn es adelt das Kurzfilmprogramm vom Nebenschauplatz zum elementaren Bestandteil der Berlinale.

Die Sektionsleitung liegt seit letztem Sommer in den Händen von Maike Mia Höhne aus Hamburg. Höhne hat sich in den letzten Jahren sowohl mit ihren eigenen Kurzfilmen als auch als Kuratorin und Moderatorin einen Namen in der Kurzfilmszene gemacht. Ihr Kurzspielfilm EINE EINFACHE LIEBE war für den deutschen Kurzfilmpreis 2006 nominiert. Regelmäßigen Besuchern der Kurzfilmprogramme in Berlin war sie bereits als Moderatorin der Kurzfilmprogramme bekannt, die in den Filmgesprächen stets die Balance zwischen ernsthafter Nachfrage und charmantem Geplauder hielt. Mit ihrer Berufung zur Leiterin der Kurzfilmsektion (die seitdem unter dem griffigen Titel Berlinale Shorts firmiert) hat Dieter Kosslick ohne Zweifel eine ausgesprochen engagierte neue Kollegin gewonnen.

Ihr Ziel im ersten Jahr war es, der Kurzfilmsektion durch die Filmauswahl ein unverwechselbares Gesicht zu geben und den Kurzfilm innerhalb der Berlinale noch besser mit den anderen Sektionen zu vernetzen. Den zweiten Vorsatz versuchte sie in diesem Jahr umzusetzen, indem sie gemeinsame Veranstaltungen mit dem Forum Expanded und dem Talent Campus initiierte. Und auch das Filmprogramm, in dem insgesamt 29 Filme gezeigt wurden (darunter 11, die um den Goldenen Bären konkurrierten), hat sich bereits deutlich von der bisherigen Auswahl abgesetzt.
Lange war dem Kurzfilmprogramm der Berlinale der Vorwurf gemacht worden, lediglich einen gut sortierten Gemischtwarenladen anzubieten. Zu dieser Klage dürfte nicht zuletzt die langjährige heterogene Aufführungspraxis beigetragen haben. Sie erschwerte ohne Zweifel die Entwicklung eines klaren inhaltlichen, bzw. ästhetischen Profils der Kurzfilmsektion, wie es die meisten klassischen Kurzfilmfestivals längst entwickelt haben.

Tatsächlich gingen die Kurzfilme auf der Berlinale bisher in der öffentlichen und medialen Wahrnehmung regelmäßig komplett unter. Das lag sicherlich einerseits an der übermächtigen Konkurrenz der Langfilmsektionen; gleichzeitig mangelte es der Kurzfilmauswahl in Berlin allerdings auch elementar an wirklich starken, individuellen Arbeiten. Lange Jahre dominierten die klassischen Visitenkartenfilme das Feld. Gerade die genuinen Stärken des Kurzfilms, seine Experimentierfreude, die Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und die Erprobung neuer visueller und narrativer Formen suchte man in den letzten Jahren oft vergeblich.    

In diesem Jahr war vieles anders, auch wenn der Kurzfilm im Vergleich zu den anderen Sektionen noch immer viel zu wenig in der Öffentlichkeit präsent war. Dieses Problem ist aber durchaus hausgemacht. Ein Grund dafür ist sicher in der Tatsache zu suchen, dass die Preisverleihung der Kurzfilme aus der großen Gala ausgegliedert wurde und vier Tage vor der großen Abschlussgala – also mitten im Festival – stattfand. Als dann während der eigentlichen Preisverleihung die bereits verliehenen Goldenen Kurzfilm-Bären nicht einmal mehr erwähnt wurden, war es eigentlich kaum noch verwunderlich, dass der Kurzfilm nach der Berlinale nur ein relativ spärliches Echo in den Feuilletons gefunden hat. Das ist vor allem deshalb schade, weil ein solches gedankenloses Vorgehen das beste Programm obsolet macht. Hier sollten sich die Organisatoren für das nächste Jahr eine andere Lösung überlegen und ein deutliches Statement formulieren, warum der Kurzfilm wie jeder andere Film auch integraler Bestandteil des Festivals ist.

Der Kurzfilmkuratorin Höhne war es nach eigener Aussage vor allem wichtig, Filmemacher zu präsentieren, die eine eigene Handschrift entwickelt haben. Sie wollte den Wettbewerb nicht als globale Leistungsschau der gegenwärtigen Kurzfilmproduktion definieren, sondern als Pool zur Entdeckung neuer filmischer Formen verstanden wissen.
Eine Besonderheit der neuen Shorts-Sektion ist die Tatsache, dass nur 11 der insgesamt  29 ausgewählten Filme für den Wettbewerb nominiert wurden. Hier ging es Höhne, die die Filme gemeinsam mit ihrer Auswahlkommission (die Filmemacherin Anna Henckel-Donnersmarck, der Schauspieler und Regisseur R.P. Kahl, der ehemalige Leiter des Berlinale Kurzfilmprogramms, Wilhelm Faber und der Berliner Journalist Egbert Hörmann) gesichtet und zusammengestellt hat, vor allem darum, Filme zu präsentieren, die ungewöhnliche Formen erproben und sich nicht damit zufrieden geben, bekannte Konzepte noch einmal durch zu deklinieren. Tatsächlich fand man in diesem Jahr im Programm fast ausschließlich Arbeiten, die ganz bewusst für die kurze Lauflänge konzipiert waren.

Im Programm liefen so unterschiedliche Filme wie der rumänische O ZI BUNA DE PLAJA (Ein guter Tag zum Schwimmen) in dem drei jugendliche Straftäter, die aus dem Gefängnis ausgebrochen sind, sich mit einem gestohlenen Bus auf dem Weg zum Strand machen. Spiel und Gewalt mischen sich in den präzis kadrierten Bildern und machen den dreien jeden Rückweg unmöglich. Die Jury (bestehend aus Marc Barbé aus Frankreich, aus Ada Solomon aus Rumänien und der deutschen Schauspielerin Laura Tonke) war von dem 10-minütigen Film so beeindruckt, dass sie ihm den Goldenen Bären zusprach.
Ganz anders RGB XYZ, eine pixelige, fast antik anmutende 3 D-Animation des jungen irischen Animationsfilmers David O´Reilly (Jahrgang 1985), der für seine archaische Geschichte eines Männchens, das vom Land in die große Stadt zieht und dort mit den Übeln der Moderne konfrontiert wird, von der Jury mit einer lobenden Erwähnung geehrt wurde. Durch die absolute Reduktion der Mittel auf Primärfarben, Vierecke und Computerstimmen wird zwar deutlich, wie wenig es braucht, um eine Geschichte zu erzählen, gleichzeitig stand nach der Vorführung aber auch unübersehbar die Frage im Raum, ob diese altbekannte Geschichte tatsächlich noch einmal erzählt werden musste – mit oder ohne Pixel.
Der einzige deutsche Beitrag zum Wettbewerb, Jörn Staegers REISE ZUM WALD begeisterte zwar das Publikum, überzeugte die Jury aber nicht. Dabei hat Staeger mit diesem Film seine bereits aus ZIELPUNKTE DER STADT bekannte Methode, präzise und zugleich flüchtige Ortsbeschreibungen mit Film, Fotographien und Zeitrafferaufnahmen zu generieren, perfektioniert. Diesmal stand ein deutscher Mythos, der Wald in all seinen Formen im Mittelpunkt seiner „landvermesserischen“ Arbeit.
Zwei Kurzspielfilme aus Irland, bzw. Großbritannien, FRANKIE von Darren Thornton und K von Piers Thompsons führten den Zuschauer mitten hinein ins soziale und emotionale Elend der Trailersiedlungen und Mobile Homes. In beiden Fällen tragen die ausdrucksstarken, jugendlichen Hauptdarsteller einen guten Teil der Geschichten. Hier zeigen sich Parallelen zu den anderen Sektionen: die diesjährige Berlinale galt schon nach wenigen Tagen als Festival der Familiendramen, in denen vor allem die Kinder oft die Leidtragenden waren.
Einer der beeindruckendsten Filme des diesjährigen Wettbewerbs, der ebenfalls von der Jury übersehen wurde, war der belgische Beitrag MOMPELAAR (Der Murmelnde) von Marc Roels und Wim Reygaert. In tableauartigen, surrealen Bildern, die an Breughel und Bosch erinnern, stürzen sich die beiden Filmemacher mitten hinein in die absurde Fantasiewelt eines geistig behinderten Mannes, der sich nur murmelnd artikuliert und kaum Kontakt zur Außenwelt hat. Zumindest so lange, bis ihm der leibhaftige Teufel im Wald begegnet. Die verstörende Arbeit erinnert sowohl an die Filme der Dardenne Brüder als auch an DELICATESSEN und ragte aus dem Programm heraus wie kein anderer.
Auch wenn sich über Juryentscheidungen wie immer trefflich streiten lässt, so zeigt dieser kleine Einblick in den Wettbewerb vor allem eins: es gab etwas zu streiten in diesem Jahr, weil mehr als genug preiswürdige Filme in diesem Wettbewerb vertreten waren. Auch als Ganzes betrachtet, bestachen die Programme durch ihre durchdachte Zusammenstellung und eine Auswahl, die sich nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern auf die herausragenden, mutigen und eben manchmal auch streitbaren Filme konzentriert hat.
Es bleibt zu hoffen, dass sich davon nicht nur das normale Kinopublikum, das wie jedes Jahr in Scharen in die Kurzfilmkinos strömte, sondern auch die Fachbesucher überzeugen lassen und die Berlinale Shorts dem Kurzfilm auf der Berlinale in den nächsten Jahren einen ähnlichen Popularitätsschub innerhalb der Branche bescheren, wie ihn der deutsche Film nach der Einführung der Perspektive Deutsches Kino erfahren hat. Gelingt es nicht, die Fachbesucher (Presse, Produzenten, Redakteure) in die Kurzfilmprogramme zu locken, könnte die Einrichtung des festen Programmplatzes sich für die Filmemacher durchaus auch negativ auswirken. Denn zumindest so lange, wie die Kurzfilme als Vorfilme in den verschiedenen Sektionen gezeigt wurden, war der Anteil an Fachbesuchern im Publikum quasi automatisch gesichert (selbst wenn sie wegen das Langfilms gekommen waren, sahen sie sich den Kurzfilm doch trotzdem mit an). Es bleibt abzuwarten, ob das den Kurzfilmprogrammen allein auch gelingt.
Der Kuratorin Maike Mia Höhne geht es vor allem darum, dass der Kurzfilm auch auf der Berlinale als der elementare Teil des Filmschaffens wahrgenommen wird, der er ist.
„Die klassischen Kurzfilmfestivals mit angeschlossenen Kurzfilmmärkten in Clermont-Ferrand, Annecy oder Oberhausen will und kann die neue Sektion Berlinale Shorts nicht ersetzen. Sie möchte eher ein Bindeglied zwischen den Kurzfilmern und dem Rest der Filmbranche sein und ihren Gästen und Filmemachern sowohl den Kontakt untereinander als auch in andere Bereiche des Festivals hinein erleichtern“, so Höhne.

Einige der Filmemacher des diesjährigen Berlinale Programms haben diesen Netzwerkgedanken schon längst umgesetzt. Sie waren in den letzten Jahren schon als Teilnehmer des Berlinale Talent Campus in Berlin. In seiner 6. Ausgabe widmete sich der Berlinale Talent Campus in diesem Jahr dem Thema Emotionalität und Film. Mehr als 3300 Nachwuchsfilmer aus aller Welt hatten sich um die Teilnahme beworben, 350 junge Talente konnten schließlich im Theater „Hebbel am Ufer“, etwas abseits des Festivaltrubels die Chance wahrnehmen, fünf Tage lang gemeinsam mit 130 internationalen Experten zu arbeiten, zu diskutieren und zu lernen.

Gleich zu Beginn des diesjährigen Campus erlebten die Teilnehmer die Uraufführung dreier Kurzfilme, die im Rahmen des Berlin Today Award 2007 produziert worden sind. Der Berlin Today Award ist der Kurzfilmwettbewerb des Talent Campus, der seit 2003 ausgeschrieben wird. Einzureichen ist ein Kurzfilmscript mit Berlinbezug, auf dessen Grundlage – sofern es von der Jury ausgewählt wurde – im Rahmen eines finanzierten Arbeitsaufenthaltes in Deutschland ein Kurzfilm gedreht wird. Insgesamt waren 110 Bewerbungen aus 46 Ländern für die diesjährige Runde eingegangen, aus denen es drei Filme bis in die Produktionsrunde schafften. Alle drei Kurzfilme erhielten eine Förderung von jeweils 50.000 € durch das Medienboard Berlin-Brandenburg sowie Sachleistungen von der Berlin-Brandenburger Filmwirtschaft in einer Höhe bis zu 20.000 € pro Film. Es ist erstaunlich, dass man trotz dieser stolzen Summen nur von sehr wenigen der Siegerfilme (wie BERLIN – BEIRUT von Myrna Maakaron) danach noch etwas gehört hat.
Die Gewinnerin des Berlin Today Awards war schließlich Maheen Zia aus Pakistan, die in MATCH FACTOR eine Geschichte über die schwierige Balance zwischen Vertrauen und Vorurteil erzählt. Die kommende Wettbewerbsrunde steht – angesichts des 20-jährigen Jubiläums des Mauerfalls – unter dem Motto „My Wall“.

Auch beim Berlinale Talent Campus spielte der Kurzfilm in diesem Jahr wieder eine große Rolle, theoretisch und praktisch. Viele der Nachwuchsfilmer haben sich mit einem Kurzfilm für den Talent Campus beworben und einige hatten die Chance, während der 5-tägigen Veranstaltung im Garage Studio des Talent Campus einen weiteren Kurzfilm zu produzieren. Mit Hilfe erfahrener Coaches konnten die Crews – zusammengestellt aus den Campus Teilnehmern, die sich vorher noch nicht kannten – vier vorher ausgesuchte Drehbücher gemeinsam realisieren. Die Ergebnisse sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können – obwohl alle Filme unter den gleichen technischen Bedingungen realisiert wurden. Für den Dreh und den Schnitt standen den internationalen Spontan-Crews exakt 24 Stunden zur Verfügung, gedreht wurde auf einer Probebühne des HAU, der Schnitt fand direkt im Anschluss an den Dreh statt und schon während des Campus waren die ersten Garage-Filme fertig. Inzwischen sind alle vier Produktionen online verfügbar (http://tdb.berlinale-talentcampus.de/campus/garage08/info?tid=33).

Natürlich sind solche Instant Filmproduktionen unter Laborbedingungen immer bestimmten Beschränkungen unterworfen und die Kurzfilmlandschaft selbst ist um ein Vielfaches komplexer. Wer sich die vier Arbeiten anschaut, wird allerdings überrascht sein, wie sehr sich die fertigen Filme voneinander unterscheiden. Hier wird noch einmal eindrucksvoll die Vielseitigkeit des Kurzfilms unter Beweis gestellt.

Neben der filmpraktischen Zusammenarbeit bietet der Campus seinen Teilnehmern vor allem Input in Form von Lectures und Podiumsdiskussionen. Wie schon erwähnt beteiligte sich auch die Sektion Berlinale Shorts (gemeinsam mit dem Forum Expanded) an einer groß angekündigten Diskussionsveranstaltung unter dem etwas schwammigen Titel „Short films expand Cinema“.
Maike Mia Höhne von den Berlinale Shorts und Stefanie Schulte Strathaus (Forum Expanded) wollten gemeinsam mit dem Experimentalfilmer und Videokünstler Matthias Müller, der Videokünstlerin Jeanne Faust, der Gründerin und Kuratorin des internationalen indischen Filmfestivals „Experimenta“, Shai Heredia und dem Filmemacher und Filmvermittler Abderrahmane Ahmed Salem (Mauretanien) eigentlich der Frage nachgehen, inwieweit die verschiedenen Auswertungsforen (Kino oder Kunstraum) die Kurzfilmproduktion beeinflussen und welche neuen Präsentationsformen sich inzwischen entwickelt haben.

Leider führte sowohl die unklare Themenstellung als auch die unterschiedlichen Erfahrungshorizonte der eingeladenen Gäste dazu, dass man lange Zeit aneinander vorbei redete. Erst nach 1,5 Stunden zäher Diskussion wäre der Boden so weit bereitet gewesen, dass ein kontroverses Gespräch möglich gewesen wäre, da waren aber sowohl Zuschauer als auch Podiumsteilnehmer bereits vollständig ermattet, so dass es gerade noch für eine kurze Vorstellungsrunde aller anwesenden Festivalmacher und Kurzfilminitiativen reichte, die den Talents in einer Art Pitching die Teilnahme an ihren Festivals schmackhaft zu machen versuchten. In diesem Moment wurde es (der Themenstellung der vorangegangenen Runde zum Trotz) doch noch mal deutlich, dass Festivals bis jetzt eben doch die wichtigsten Kanäle zur Distribution von Kurzfilmen sind und sich weder durch das Internet noch durch die Aufführung von Filmen in Galerien und Kunsträumen ersetzen lassen.

Es ist unverzichtbar, dass sich die Berlinale als das größte deutsche Filmfestival klar und deutlich hinter den Kurzfilm stellt. Die Zeichen, die in diesem Jahr gesetzt worden sind, sehen ganz so aus, als ob die Entwicklung in die richtige Richtung geht.

Luc-Carolin Ziemann

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