Rezension: „Kurzfilmproduktion“ von Frank Becher (02/08)

Report

Noch immer hält sich das hartnäckige Vorurteil, dass ein guter Kurzfilm kaum mehr benötigt als eine kreative Eingebung und ein Wochenende Zeit. Auch wenn es immer wieder Kurzfilme gibt, die genau so entstanden sind: die Regel sind sie nicht.
Der erfahrene (Kurz-)Filmproduzent Frank Becher wurde in seiner Praxis immer wieder mit solchen und anderen unprofessionellen Vorstellungen über die Produktion von Kurzfilmen konfrontiert – und hat schließlich die Konsequenz daraus gezogen und ein klar strukturiertes und praxisnahes Lehrbuch zur Kurzfilmproduktion geschrieben, dass allen, die sich mit dem Gedanken tragen, selbst einen Kurzfilm zu drehen, eine große Hilfe sein kann.

Becher weist zwar gleich zu Anfang darauf hin, dass der Kurzfilm seiner Meinung nach eine der wenigen Disziplinen der Filmbranche ist, die dem Filmemacher überhaupt noch ein Mindestmaß an künstlerischer Freiheit bietet. Diese Freiheit ist für viele Kurzfilmer ein entscheidender Grund dafür, dass sie dem Kurzfilm treu bleiben, auch wenn sie parallel längst Langfilmprojekte verwirklichen, nicht zuletzt, um davon leben zu können. Das ist im Kurzfilmbereich bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht möglich. Hier gilt ein Film bereits als ausgesprochen erfolgreich, wenn er seine Produktionskosten durch Preisgelder, die Ausschüttung von Referenzfördermitteln und/oder die kommerzielle Auswertung der Rechte wieder einspielen kann. Mit Kurzfilm wird im Normalfall niemand reich. Aber gerade weil Kurzfilme in der Regel mit kleinen Budgets verwirklicht werden können (Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel), ist der ökonomische Erfolgsdruck auch deutlich geringer als im Langfilmbereich.

Trotzdem will auch ein vergleichsweise günstiger Film irgendwie bezahlt sein. An diesem Punkt setzt Frank Becher ein. Der Nürnberger Filmproduzent, der bereits mehr als ein Dutzend Kurzfilme produzierte, nimmt den Leser an die Hand und beginnt dort, wo er auch in der Realität anfangen würde. Die mögliche Filmidee wird auf ihre Machbarkeit hin abgeklopft. Mit Hilfe von Checklisten, Experteninterviews und detaillierten Kalkulationsbeispielen kann der angehende Filmemacher dann sein Projekt Schritt für Schritt konkretisieren. Becher beleuchtet dabei alle Aspekte, die die Produktion betreffen, also zum Beispiel die Wahl des Formats (35mm oder Video), die Teamzusammenstellung, die Kalkulation und den Finanzierungsplan und die verschiedenen Möglichkeiten, das eigene Kurzfilmprojekt durch die Akquise von Fördermitteln zu finanzieren.
Die künstlerischen Prozesse der Produktion werden in diesem Buch mehr oder weniger komplett ausgeklammert, weil es, so Becher, beim Kurzfilm im gestalterischen Bereich ohnehin so gut wie keine Regeln gibt und die, die es gibt, immer erfolgreich gebrochen werden können. Wer also gern mehr zu Themen wie Drehbuch, Casting, Drehplanung, Regie, Kameraführung oder Schnitt hören will, der wird in diesem Buch nicht fündig. Dafür gibt es aber bereits ausreichend Fachliteratur, denn für diese künstlerischen Aspekte kann man durchaus auch die Klassiker der Ratgeberliteratur, die sich mit langen Independentproduktionen beschäftigen, konsultieren. So muss diese Schwerpunktsetzung zwar unbedingt erwähnt werden, damit keine falschen Erwartungen geweckt werden, kann aber als durchaus konsequent gelten.

Die eigentliche Arbeit eines Produzenten setzt (zumindest im Idealfall) dann wieder ein, wenn der Film fertig ist und es darum geht, seine Auswertung optimal zu planen. Genau hier scheitern die meisten der weit über 2.000 Kurzfilme, die jedes Jahr in Deutschland entstehen. Denn für die erfolgreiche Auswertung eines Kurzfilms ist in vielen Fällen fast genauso viel Engagement nötig wie für seine Produktion. Becher erläutert, wie man einem Film durch die strategisch geschickte Einreichungspraxis einen möglichst guten Festivalstart bescheren und ihn danach möglichst lange und umfassend durch die Festivallandschaft touren lassen kann. Um genauer zu sein: er schildert, wie die Auswertungsbiographie eines Kurzfilms im Idealfall aussehen könnte. Leider kommen solche Idealfälle nur äußerst selten vor.

Um das zu verdeutlichen, kommt Becher immer wieder das Beispiels seines eigenen Films DER SCHÜLER (Regie: Edina Kontsek, 2002, 7 min.) zurück und erläutert daran sehr anschaulich, wie es aussehen kann, wenn ein Film von dieser „Ideallinie“ abweicht. Diese direkten Berichte aus der eigenen Praxis sind für den Leser ausgesprochen hilfreich, denn sie zeigen, dass es sich manchmal durchaus lohnt, Umwege in Kauf zu nehmen. DER SCHÜLER erhielt zum Beispiel, nachdem er zunächst von einer Reihe namhafter Festivals abgelehnt wurde, mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold einen der renommiertesten Kurzfilmpreise in Deutschland. Niemals aufgeben, scheint Frank Becher mit diesem Beispiel seinen Lesern zuzurufen.

Als Produzent ist Becher aber nicht so naiv, neben all dem Enthusiasmus das Rechnen zu vergessen und listet zu jedem Teilbereich detailliert all die Kosten auf, die man als von der eigenen Arbeit überzeugter Filmemacher, im Eifer des Gefechts gerne mal vergisst (angefangen bei den Kosten der eigenen Arbeitszeit bis zu den Portokosten für den DVD-Versand). Selbst ein erfolgreicher Film wie DER SCHÜLER hat am Ende dieser Rechnung nicht einmal die Produktionskosten gedeckt. Das ist für Becher aber noch lange kein Grund, das Projekt als erfolglos einzustufen, denn ein Kurzfilm ist ihm zufolge immer so gut, wie die Türen, die er einem öffnet und die neuen Erfahrungen, die man während der Produktion machen kann. Rechnet man am Ende einer Kurzfilmproduktion alle neugewonnenen Kontakte und Fähigkeiten mit auf die Haben-Seite und addiert dazu die Freude, sich ohne Kompromisse kreativ ausgelebt zu haben, dann ergibt sich schon ein ganz anderes Bild.

Mit seinem Leitfaden hat Frank Becher das erste deutschsprachige Fachbuch zur Kurzfilmproduktion vorgelegt, das sowohl durch seinen angenehm unaufgeregten Ton als auch durch seine Sachkenntnis für viele Kurzfilmemacher ein großer Gewinn sein kann.
Im kreativen Gewusel der Kurzfilmszene findet man im Zweifelsfall für fast jeden Posten im Team eine gute Besetzung. Nur gute Produzenten scheinen nach wie vor rar zu sein. Die lassen sich natürlich nicht durch ein Buch ersetzen. Aber vielleicht macht dieses Buch es ein bisschen einfacher, sich für die Produktion von Kurzfilmen zu begeistern. Kreativität ist dafür auf jeden Fall gefragt.

Luc-Carolin Ziemann

Frank Becher: Kurzfilmproduktion, UVK Verlagsgesellschaft 2007, 206 Seiten, br.
ISBN 978-3-86764-002-2
EUR 17,90 / CHF 32,00
(Praxis Film, Band 38)

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