Finanzkrise der Filmbranche

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Finanzkrise der Filmbranche – Internet als Retter des Indie-Films

Die Finanzkrise macht sich auch in der Filmbranche bemerkbar. Während Kinos noch keine rückläufigen Einnahmen zu verzeichnen haben – das Geschäft gilt in Krisenzeiten ja sogar als antizyklisch – ist am Anfang der Produktionskette längst die Krise ausgebrochen. Auslöser sind rückläufige Vorverkäufe an Vertriebe und Verleihe. Diese neigen immer mehr dazu, besonders im Independent-Sektor, Filme erst nach ihrer Fertigstellung unter Vertrag zu nehmen, sind also nicht bereit Kapital vorzustrecken. Und selbst dieses Geschäft ist stark rückläufig, worunter inzwischen auch Filmmärkte und Festivals wie Sundance oder gerade kürzlich Tribeca zu leiden haben. Hauptursache dieser Entwicklung ist die Kreditklemme, in der sich Distributoren und Filmhändler befinden. Eine zweite Ursache sind rückläufige Werbeeinnahmen in der Fernsehbranche, die folglich über weniger Mittel für den Erwerb von Filmrechten verfügen.

Besonders hart trifft es die Produzenten von Indie-Filmen und den Low-Budget-Sektor. Auf Produktionsseite machten die großen amerikanischen Studios den Anfang. Sie haben nicht nur generell ihre Produktion zurückgefahren, sondern gleich reihenweise ihre Abteilungen oder Tochtergesellschaften für Indie-Filme geschlossen. Paramount Pictures hat bereits im vergangenen Sommer das Label „Paramount Vantage“ geknickt und Warner Bros. folgte kurz darauf mit der Schließung von „Independent Pictures“ und „Picturehouse“.

Schmerzhaft ist auch, dass im Februar dieses Jahres nach 43 Jahren erfolgreicher Arbeit „New Yorker Films“ aufgeben musste. Das legendäre Unternehmen hat sich große Verdienste bei der Verbreitung internationaler Filmkunst in den USA erworben und ist regelrecht zu einer filmkulturellen Institution geworden. Ohne „New Yorker Films“ wären vielleicht Filme von Almodóvar, Antonioni, Fassbinder, Godard, Tarkowski u.v.a. nie in den USA zu sehen gewesen.

Je länger die Krise dauert, desto stärker treten Online-Vertriebe auf und empfehlen sich als Retter der unabhängigen Filmszene. Sie zielen dabei vor allem auf Filmemacher und Produzenten, deren Filme nach Absolvierung des „Festivalzirkus“ keinen Kinoverleih finden oder es erst gar nicht auf Festivals gezeigt wurden. Gerade in Folge der Krise verspüren Online-Unternehmen, die in Konkurrenz zur klassischen Vertriebsbranche stehen, enormen Aufwind.

So konnte zum Beispiel die Firma Netflix trotz der Krise Zuwächse verzeichnen. Netflix verleiht Abonnenten DVDs, die online bestellt und per Post versandt werden. Die Abonnenten haben auch Zugang zum Online-Streaming-Portal auf dem Filme in „šnear-DVD-Qualität‘ angesehen werden können. Netflix arbeitet dabei ähnlich wie seinerzeit Atom Films: die Nachfrage der Online-Kunden für bestimmte Filme und deren Ratings werden registriert und dienen als quasi kostenloses Marktforschungsinstrument für zukünftige Ankäufe. Mit einem Portfolio von inzwischen mehr als 12.000 Filmen – auch Mainstream-Produktionen der Major Studios – ist Netflix inzwischen ein Branchenriese im Vertriebsgeschäft. Ursprünglich einmal angetreten, um vom „šlong tail‘ zu profitieren, ist es fraglich wie lange Netflix sich noch glaubhaft als Vertreter der Independent Filmszene darstellen kann.

DVD-Vertrieb oder Video-on-Demand werden längst nicht mehr nur zur Zweitverwertung propagiert. Unabhängigen Filmemachern wird das Internet zur Erstverwertung nahe gelegt. So wendet sich die Online-Vertriebsfirma Cinetic Rights Management gezielt an Filmemacher, die keinen Vertrieb oder Kinoverleih finden und gibt sich dabei gerne als Retter der Independents. Der Programmchef von Cinetic, der ehemalige SXSW Festivalleiter Matt Dentler, erläuterte gegenüber dem Wall Street Journal, „es gibt diese riesige Lücke zwischen dem Festivalzirkus und einem Kinostart, die wir reduzieren wollen“ (wsj, 18.10.2008).

Dass die meisten Filme aber von einer solchen Online-Auswertung, die dann oft nicht Erst- und auch nicht Zweitverwertung ist, sondern gleich Endverwertung bleibt, überhaupt nicht profitieren, wird in diesem Zusammenhang gerne verschwiegen. Und einen anderen Haken hat die Sache auch: die bescheidene Qualität der Wiedergabe als Internetfilm. Diesbezüglich hofft Matt Dentler auf eine allmähliche Gewöhnung an die niedrigeren Standards: „wir erleben die erste Generation von Filmemachern, für die das Betrachten pixellger Bildschirme die Norm und keine Neuheit mehr ist“. Wenn sich das bewahrheiten sollte, dürfte es bald keine Independent Filme mehr im Kino geben und sich der Kreis der Krise schließen.

rww

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