Corinna Schnitt

Porträt

ZWISCHEN VIER UND SECHS © Corinna Schnitt

ZWISCHEN VIER UND SECHS © Corinna Schnitt

Die neue Ausgabe der Filmemacherportraits ist der Filmemacherin Corinna Schnitt gewidmet.

Die 1964 in Duisburg geborene und in Köln lebende Filmemacherin begeistert seit über zehn Jahren mit ihren Kurzfilmen auf internationalen Festivals und in immer stärkerem Ausmaß auch die Kunstszene. Ihre sorgfältig komponierten und inszenierten filmischen Arbeiten, die manchmal so wirken, als hätte es die Grenze zwischen Dokumentarischem und Fiktivem nie gegeben, sind feine, ironische Beobachtungen bürgerlichen Alltagslebens.

Mittelschichts-Dasein in seiner Banalität unbemäntelt und doch neu auf die Leinwand.

Es sind die überraschenden Eigentümlichkeiten bürgerlichen Lebens, die sie interessieren und in ihrem noch überschaubaren Oeuvre ironisch bearbeitet hat. Dabei erscheinen ihre Werke nicht als Bloßstellungen, sondern lassen eine gewisse Verbundenheit mit dem beschriebenen Milieu vermuten. Ihr künstlerischer Ansatz geht jedoch weit über die „Milieufilme“ der „Kölner Gruppe“ hinaus.

Ein schönes Beispiel liefert das fiktive Familienportrait „Zwischen vier und sechs“. Das höchste Glück der darin auftretenden Kleinfamilie besteht darin, am Wochenende gemeinsam durch das Wohnviertel zu streifen, um Verkehrsschilder zu säubern. Der Blick auf das Familienleben besitzt durch das treffende Casting, den Off-Kommentar der erwachsenen Tochter und die Vertrautheit der Szenerie einen fast dokumentarischen Charakter. Das absurde Handeln wird als völlig konsequent dargestellt, so dass das sonntägliche Schilderputzen allenfalls als Marotte, keineswegs aber als Lachnummer wirkt.

Rituale des bürgerlichen Lebens sind auch Thema in „Raus aus seinen Kleidern“. Eine junge Frau steht auf einem Balkon eines Wohnblocks und schüttelt minutenlang einen Pullover aus. Die Kamera zoomt von der monotonen Szenerie weg bis die Frau nur noch als winzig kleiner Punkt zu erkennen ist. Auch hier nutzt Corinna Schnitt die Ton-Ebene, um ein etwas neurotisches Verhalten weiterführend zu kommentieren.

Wie „Zwischen vier und sechs“ ist auch „Das schlafende Mädchen“ in einer Reihenhaussiedlung verortet. Zentrales ästhetisches Element ist eine lange Kamerafahrt über die Neubauten, jedes Haus gleicht dem anderen. Die großartige Komposition der scheinbar menschenleeren Landschaft endet mit Blick auf das titelgebende Ölbild von Vermeer. Während die Kamera von Justyna Feicht auf dem Bild verharrt, schaltet sich der Anrufbeantworter ein und ein Versicherungsvertreter hält einen Monolog über Lebensversicherungen und verlorene Kugelschreiber.

Ein Doku-Fiktions-Hybrid ist „Living a Beautiful Life“, hier ist der Schauplatz ein topmodernes Wohnhaus in Los Angeles, in dem die passenden Menschen zu Hause sind.

Sie erzählen von ihrem perfekten Leben, das so makellos komponiert scheint wie das Haus und der Film selbst.

Corinna Schnitts Sorgfalt in der Montage, in der Planung der Sets, in der Requisite und im Bildaufbau machen sie zu einer Ausnahmeerscheinung im deutschen Kurzfilm und so ist es auch nicht verwunderlich, dass sie neben ihren Festivalerfolgen auch in der Kunstszene Beachtung fand. Die Stipendien und Preise für ihre Arbeiten lassen hoffen, dass sie genügend Raum findet, um den Weg als Filmautorin mit Eigensinn weiter zu gehen.

Filmografie: „Schönen, guten Tag“ (16 mm. 1995)

„Zwischen vier und sechs“ (Between Four and Six) (16 mm, 1997/98)

„Raus aus seinen Kleidern“ (Out of One´s Clothes) (16 mm,1998/99)

„Das nächste Mal“ (The Next Time) (S VHS, 1999)

„Das schlafende Mädchen“ (The Sleeping Girl) (16 mm, 2001)

„Schloss / Solitude“ (16 mm, 2002) „Freizeit“ (Free Time) (16 mm, loop, five-part series) Film / Television

s. auch: http://catalogue.montevideo.nl/

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