Carsten Strauch

Porträt

FUTTER © Carsten Strauch

FUTTER © Carsten Strauch

Carsten Strauch, der sich seit einigen Jahren als einer der sympathischsten Köpfe des humorvollen Kurzfilms hervorgetan hat, ist die dritte Ausgabe des Filmemacherportraits gewidmet. Damit könnte sich auch für das nicht-deutschsprachige Ausland (abhängig natürlich von der Verfügbarkeit untertitelter Kopien) die Welt des Carsten Strauchs eröffnen. Dies wäre ihm zu wünschen, denn bisher ist Carsten Strauchs Wirkungskreis primär auf den deutschsprachigen Raum beschränkt. Carsten Strauch, 1971 in Offenbach bei Frankfurt/Main geboren, ist seiner Heimatstadt treu geblieben: Von 1992 bis 2000 studierte er Visuelle Kommunikation mit dem Schwerpunkt Film / AV an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, bevor er 2001 schließlich seinen Abschluss als „Diplom Designer“ machte. In seiner Studienzeit entstanden einige der witzigsten Kurzfilme der letzten zehn Jahre, die man auf Deutschlands Festivalleinwänden, als Vorfilm und als Angebot der Kurzfilmverleiher erleben durfte.

Sein erster eigener an der HfG entstandene Film und sein vermutlich auch bekanntestes Werk ist „Futter“. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein schüchterner Löwe, der bei der Fütterung übersehen wurde, und nun seine Zoo-Mitbewohner um Essen bittet: Auf des hungrigen Raubtiers Frage an die Antilope „Vielleicht ’n Stück Schenkel?“ folgt die überraschende Antwort „Ja gerne! Darf ’s ein bisschen mehr sein?“ – „Äh, ja wenn es Ihnen nichts ausmacht“. Der Vermengung von alternativem Verständnisgetue mit den animalischen Gesetzmäßigkeiten entlockt Strauch in seinem entsprechend zurückhaltend animierten Zeichentrickfilm eine selten erlebte Komik. Dieser Sprung in neues Terrain wurde belohnt, mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold, dem Friedrich-Wilhelm-Murnau Kurzfilmpreis und zahlreichen Festivalteilnahmen vor allem im deutschsprachigen Raum.

Strauchs Arbeiten, das lässt sich bereits in „Futter“ ablesen, leben stark von der Originalität ihres Autors. Auch in vielen seiner Folgearbeiten, zu denen nicht nur Filme, sondern auch Hörspiele zählen, taucht er nicht nur als Regisseur und Drehbuchautor, sondern als Sprecher oder Hauptdarsteller auf. Seine Protagonisten sind zurückhaltend bis schüchtern, höflich und zumeist auch herrlich verwirrt, was sich in ihren „Ähm“-s und „meinst Du“-s ausdrückt. Der Humor scheint seinem eigenen Naturell zu entspringen, ist er doch persönlich auch eher ein zurückhaltender und bescheidener Mensch.

Das beliebte komödiantische Stilmittel von Strauch ist der Verfremdungseffekt, vor allem in Bezug auf das Spiel mit den Genre-Erwartungen. Ob Vampirfilm („Die Nachbarn“), Krankenhaus-Soap („Das Taschenorgan“) oder U-Boot-Katastrophen („Unter Druck“) – gerne nutzt der Offenbacher die Schablone eines durch Film und Fernsehen bekannten Formats, um durch völlig unpassende Charaktere Situationskomik zu erzeugen. Sein Humor ist derb, aber niemals platt, worin er sich wohltuend von RTL-Comedy-Formaten oder auch den an der Kinokasse sehr erfolgreichen Otto- und Bully-Filmen unterscheidet.

Allerdings ist dieser Verfremdungseffekt wie wohl auch Bully Herbigs Parodien eher deutsch, da sich der Humor oft aus der Sprache Strauchs (Offenbacher Dialekt!) oder der wohl alles anders als universell verständlichen alternativen Kommunikationskultur ergibt. Diese spezifische gesellschaftliche Bodenhaftung, die den großen Erfolg von Carsten Strauchs Kurzfilmen begründet, dürfte wohl nicht ohne weiteres in andere Sprachkreise übertragbar sein.

Universell hingegen ist der Einfallsreichtum und das gute Timing, das Strauchs Filme aus der Masse abhebt, selbst wenn es um genuin nicht komische Themen geht: Ausländerfeindlichkeit wie in „Coming Out“, in dem sich ein Beamter mit einem hartnäckigen Hitlerbärtchen plagt, oder die Frage nach der Nutzung von Grünflächen wie in „Demokratie“ geht Strauch unverkrampft und postideologisch an.

Auch in dem preisgekrönten Kurzfilm seines Kommilitonen und mehrfachen Team-Partners Piotr J. Lewandowskis „Heavy Pregnant“ spiegelt sich eine Lust an der Sezierung alternativer Diskurs-Kultur. Darin gibt sich eine im 350. Monat schwangere Mutter allzu verständnisvoll gegenüber ihrem Kind, das einfach nicht den Mutterleib verlassen möchte und stattdessen mit dem Arzt per Mobiltelefon den Geburtstermin verschiebt. Carsten Strauch spielt darin eine Hauptrolle und hat am Drehbuch mitgewirkt. Die Mitarbeit an einem Projekt wie „Heavy Pregnant“ verdeutlicht den Spaß des Offenbachers an schrägen Figuren. Und den unbedingten Willen zur Unterhaltung. Strauch, der nichts schlimmer findet als Leute im Kino zu langweilen, bedient sich für diesen Effekt gerne auch des klassischen Kurzfilmhandwerks und legt zugleich starken Wert auf eine gute Abschlusspointe. Das Medium ist dabei egal: Ob Animationsfilm, Spielfilm oder Werbung ist bei Strauch weniger eine Frage der Überzeugung, denn eine pragmatische Frage. Im Gegensatz zum künstlerischen Kurzfilm, deren Macher sich zunehmend auch im Kunstsystem bewegen können, sind die Komiker unter den Kurzfilmern weitaus stärker auf den Werbemarkt abonniert. Dieser ist allerdings eher dafür bekannt, kreative Energien in großem Umfang für sich zu vereinnahmen und dank der Macht des Geldes auch nicht mehr freizulassen. Wenn an dieser Stelle nicht Förderinstrumente greifen, dann wird ein solches Talent wie Carsten Strauch wohl bald an die Werbeindustrie verloren sein – und die Festivals um einen der witzigsten Köpfe ärmer.

Bio- und Filmografie unter www.carsten-strauch.de