Carolin Schmitz

Porträt

BENIDORM © unfafilm

BENIDORM © unfafilm

Mit der Verleihung des Deutschen Kurzfilmpreises 2006 an BENIDORM prämierte die Jury das Werk einer Filmemacherin, die mit einigen wenigen kurzen Dokumentarfilmen bereits einen eigenwilligen und sowohl ästhetisch als auch inhaltlich sehr ambitionierten Eindruck hinterließ. Grund genug, die Portrait-Rubrik Carolin Schmitz zu widmen, die als eine der deutschen Filmemacherinnen gilt, die in Zukunft dem künstlerischen Dokumentarfilm wichtige Impulse geben dürfte.

Der Erfolg von BENIDORM kam nicht überraschend: Die 1967 geborene Carolin Schmitz hat bereits als Buchhändlerin gearbeitet, bevor sie 1997 das Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln aufnahm. Im Jahr 2000 landete sie mit 4 MIN 3 SEC erstmals im Deutschen Wettbewerb von Oberhausen und gewann auch gleich den 2. Preis. Auch ihr nächster Beitrag, SITZEND ÜBERLEBEN wurde auf zahlreichen Festivals wahrgenommen. Zwei Jahre später schaffte sie es mit ihrem Diplomfilm PARALLELUNIVERSEN auf die Duisburger Filmwoche und als einziger deutscher Beitrag in den internationalen Wettbewerb in Oberhausen. Seither arbeitet sie als freie Dokumentaristin und hat mit BENIDORM nun den deutschen Kurzfilmpreis in der Kategorie Dokumentarfilm erhalten.

Ein Blick auf die Filmografie zeigt, dass Carolin Schmitz Mut zur Vielfalt beweist: das Themenspektrum reicht von der Beobachtung eines statischen Tauchers in 4 MIN 3 SEC über das Werden und Vergehen des Universums (PARALLELUNIVERSEN) bis hin zum Portrait eines vermeintlichen Rentnerparadieses an der spanischen Mittelmeerküste. Verhandelt werden in ihren Filmen die großen Themen unserer Zeit. Sie widmet sich der Überalterung unserer Gesellschaft, der Frage nach der Einzigartigkeit unseres Universums und der Existenz paralleler Welten, der Sehnsucht, die Grenze des eigenen Körpers zu überwinden oder der Formung des Menschen über Büroarchitektur und -möbel. Diese teils durchaus spekulativen oder zumindest trendigen Themen bringt sie in ihren Kurzfilmen in eine durchdacht komponierte künstlerische Form, die aber stets als Film für die Leinwand wahrnehmbar ist.

Ein elementarer Bestandteil der Filme von Carolin Schmitz ist die Bildgestaltung des Kameramanns Hajo Schomerus, der mit ICH UND DAS UNIVERSUM selbst erfolgreich als Dokumentarfilmer aufgetreten ist. Schomerus hat in allen Filmen von Carolin Schmitz die Kamera geführt und damit erheblich zur beeindruckenden Wirkung ihrer Filme beigetragen. Sein Drang zu stilisierten, langen Einstellungen schafft Raum für Reflektion und Abstand zum Sujet. Seine ästhetische Strategie gibt der von ihm gefilmten „Realität“ eine neue Sinnebene. Die Kamera schafft einerseits Distanz zu Vertrautem und ermöglicht einen neuen Blickwinkel, andererseits entfremdet sie das Reale teils soweit, dass man sich wie in einem Science-Fiction Film vorkommt. Dem Alltag fügt er eine fiktionale Ebene hinzu.

Die Tonebene ist schlicht gehalten, was den Verfremdungseffekt teilweise eher verstärkt. Auf musikalische Untermalung wird, so sie nicht im Bild selbst eine Rolle spielt, weitgehend verzichtet, unter die Bilder sind ausschließlich Originalgeräusche gelegt.

Es dürfte vor allem die Kombination der großen Themen, starken Bilder und sorgfältigen Komposition sein, dank derer sich Carolin Schmitz vom Gros der Dokumentarfilmer abhebt und die sie zu einer solch exponierten Repräsentantin des künstlerischen Kurzdokumentarfilms macht. Nicht zuletzt sind es aber auch die mutigen Produzenten von Colonia Media und unafilm und die Filmstiftung NRW, mit Hilfe derer sie ihre aufwendigen Dreharbeiten im Ausland realisieren konnte. Mit ihrem Engagement wecken sie die Hoffnung auf die Renaissance von Dokumentarfilmen, die sich vor der großen Leinwand nicht zu fürchten brauchen.

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